BeiratAktuell 51

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BEIRAT AKTUELL E n t s c h e i d e n d e I n f o r m a t i o n f ü r d e n V e r w a l t u n g s b e i r a t i m W o h n u n g s e i g e n t u m E i n z e l p r e i s 5 , 0 0 Das „ungeliebte Kind des WEG“ – die Sonderumlage

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Ausgabe: 51 Quartal II-19

INFOTHEK

Übernahme Neubau in der WEG

Editorial

Impressum BEIRATaktuell erscheint seit 2006 vier- teljährlich und bietet entscheidende In- formation für Verwaltungsbeiräte im Wohnungseigentum. Herausgeber/Verlag: Massimo Füllbeck Sachverständiger für Wohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 45475 Mülheim an der Ruhr

Verehrte Leserinnen und Leser,

kurz einige Worte in eigener Sache: Seit dem 1.6.2019 haben wir eine neue Ho- mepage. Weitere Informationen finden Sie in der neuen Rubrik: INFOTHEK. Neben dem anstehenden „Zensus 2021“, finden Sie auch Hinweise zum aktuellen Stand bei der Neuberechnung der Grund- steuer. Ich würde mich freuen, wenn Sie an einer Umfrage zuWeiterbildungsmaß- nahmen teilnehmen. Die Umfrage wird elektronisch durchgeführt und dauert ca. 3 Minuten. Herr RA Fritsch beleuchtet in dieser Aus- gabe ein wichtiges, aber in der Praxis dennoch kompliziertes Thema der WEG- Verwaltung: Die Sonderumlage! Neben vielen rechtlichen Aspekten geht Herr RA Fritsch auch detailliert auf die Schwä- chen des Finanzsystems der WEG ein. Warum dieses Thema bei der geplanten WEG-Novellierung fehlt, ist aus Sicht der Redaktion mehr als unverständlich. Der Gesetzgeber hat jetzt die Möglichkeit, diese Schwächen zu beseitigen und viele Streitfragen zu egalisieren. Wollten Sie schon immer wissen, wer für gewaltsame Beschädigungen einer Woh- nungseingangstüre haftet? Dann hat Herr RA Wendt interessante Hinweise und vielleicht die passenden Antworten für Sie. Lesen Sie das spannende Interview mit einem der bekanntesten Richter fürWEG- und Mietrecht in Deutschland, Herrn Dr. Olaf Riecke. Weitere Informationen, ins- besondere zu seinen Publikationen, finden Sie auf seiner Homepage. Oft steht der Vorwurf im Raum, dass die gesetzlichenVorschriften desWohnungs- eigentumsgesetzes nicht beachtet werden. Unsere These: Viele Vorschriften sind derartig „schwammig“ und unklar for- muliert, dass keinVerwalter oder Rechts- anwalt vorhersagen kann, wie das Gericht

info@beirataktuell.de www.beirataktuell.de

Verantwortlich i.S.d.P.: Massimo Füllbeck

Massimo Füllbeck, Herausgeber

Redaktion: Massimo Füllbeck

bestimmte Rechtsfragen auslegt und be- wertet. In einer vor kurzem veröffentlich- ten Entscheidung ging es um die span- nende Frage, ob eine Wohnungseigentü- mergemeinschaft durch Mehrheitsbe- schluss eineVertragsstrafe einführen kann, wenn ein Wohnungseigentümer gegen eine Vermietungsbeschränkung in der Gemeinschaftsordnung verstößt. Eine Frage, die sicherlich einigeWohnungsei- gentümergemeinschaften in Deutschland beschäftigt. Zu guter Letzt möchte ich auf die wich- tigsten Fragen bei der Übernahme von Neubauprojekten eingehen. ImWohnungs- eigentumsgesetz werden Sie zu diesem Thema gar nichts finden, daher müssen Wohnungseigentümergemeinschaften und Verwalter die bisher erfolgte Rechtspre- chung kennen, die – wenn alles gut geht – durch die anstehendeWEG-Novellierung in das Wohnungseigentumsgesetz veran- kert wird.

Abonnenten-Betreuung: Massimo Füllbeck

Fon 0208 30276831 info@beirataktuell.de

Grafische Umsetzung: Massimo Füllbeck

Bildnachweis Illustrationen: Lena Hesse

Druck und Verarbeitung: D+L Printpartner GmbH

Auflage: 6.900 Stück

Preise: Einzelpreis Heft 5 EUR, im Jahresabo 10 EUR (4 Ausgaben, inkl. MwSt. ohne Versand), ab 20 Exemplaren Jahresabo 2,40 EUR (4 Ausgaben, exkl. MwSt. und Versand) Datenschutz: Informationen zum Datenschutz finden Sie auf www.beirataktuell.de Urheberrecht: Die veröffentlichtenArtikel sind urheber- rechtlich geschützt. Jede vom deutschen Urheberrecht nicht zugelasseneVerwertung bedarf der vorherigen schriftlichen Zu- stimmung des Herausgebers. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bear- beitung, Übersetzung, Einspeicherung, Verarbeitung bzw. Wiedergabe von Inhal- ten in Datenbanken oder anderen elektro- nischen Medien und Systemen. Die unerlaubteVervielfältigung oder Wei- tergabe einzelner Artikel oder mehrerer Seiten ist nicht gestattet und strafbar. Le- diglich die Herstellung von Kopien für den persönlichen, privaten und nicht kom- merziellen Gebrauch ist erlaubt.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Massimo Füllbeck

P.S. BEIRATaktuell verabschiedet sich vom 10.07.2019 bis 31.07.2019 in den Sommerurlaub!

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››› Aktuelles ‹‹‹ von Massimo Füllbeck

INFOTHEK

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Vorankündigung: Zensus 2021 (Gebäude- und Wohnungszählung)

dass dieser Entwurf noch vor der Som- merpause verabschiedet werden soll. Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder sollen eine Bevölkerungs-, Ge- bäude- und Wohnungszählung (Zensus) mit Stand vom 16. Mai 2021 (Zensus- stichtag) als Bundesstatistik durchführen. Derzeit hagelt es aber noch heftige Kritik an dem Gesetzesentwurf, insbesondere vom Dachverband Deutscher Immobili- enverwalter. Denn im Entwurf wird u. a. nicht stringent zwischen dem Miet- und WEG-Verwalter unterschieden, obwohl dieAufgabenbereiche und damit auch die werden. Aktuell werden noch Grund- stückswerte von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 inWestdeutschland genutzt. Wie hoch die Grundsteuer letztlich aus- fällt, hängt dann vom Hebesatz der je- weiligen Kommunen ab. Damit für Eigentümer und Mieter keine höhere Steuerbelastung eintritt, geht Herr Scholz davon aus, dass die Städte und Gemeinden die Hebesätze „flächendek- kend in ganz Deutschland dramatisch absenken werden“. Wie es allerdings jetzt konkret weitergeht, ist unklar. Bayern fordert eine Öffnungsklausel, wonach die einzelnen Bundesländer vom Bundesge- setzAbweichungen vereinbaren können. SPD und Mieterbund fordern zudem, dass die Umlagefähigkeit der Grundsteu- er abgeschafft wird. Aktuell könnenVer- mieter die Grundsteuer bei Erstellung der Betriebskostenabrechnung – soweit dies im Mietvertrag vereinbart wurde – auf den Mieter umlegen. Sollte die Um- lagefähigkeit tatsächlich abgeschafft werden, tragen die Vermieter bzw. Ei- gentümer die Grundsteuer zukünftig selbst. Welche Auswirkungen dies auf

zur Verfügung stehenden Daten erheblich voneinander abweichen können. Darüber hinaus ist auch vorgesehen, dass der en- ergetische Gebäudezustand abgefragt werden soll, was beim letzten Zensus 2011 nicht der Fall war. Inwieweit die im letzten Jahr in Kraft getretene Daten- schutzgrundverordnung (DSGVO) Ein- fluss auf den Zensus 2021 hat, wird eben- falls derzeit kontrovers diskutiert. Sobald es konkrete Neuigkeiten gibt, werden wir Sie gerne weiter über das Thema Zensus 2021 informieren. den Wohnungsmarkt hätte, ist derzeit ebenfalls unklar. Bisher wurden die von Herrn Olaf Scholz angestrebten Kabinettsbeschlüsse zu dem vorgelegten Gesetzesentwurf nicht gefasst und es ist völlig unklar, wie es in Sachen Grundsteuerreform weitergeht. Ob es zu einer Einigung kommen wird, scheint derzeit fraglich und unwahrscheinlich. Update 18.6.19: Medienberichten zur Folge, gibt es inner- halb der Koalition eine Einigung zur wei- teren Vorgehensweise bei der Grundsteu- er. Demnach sei man sich wohl darüber einig geworden, dass die Länder nun doch eine Öffnungsklausel erhalten und ab dem Jahr 2025 selbständig Regeln zur Grund- steuer aufstellen können. Wir berichten wieder, wenn konkret feststeht, wie das zukünftige Gesetz aussehen soll.

Die letzte Bevölkerungszählung bzw. Gebäude- undWohnungszählung (Zensus 2011) ist bereits 8 Jahre her. Nach der Verordnung (EG) Nr. 763/2008 des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates vom 9.7.2008 überVolks- undWohnungs- zählungen müssen die EU-Mitgliedstaa- ten regelmäßig statistische Daten über ihre Bevölkerung und Wohnungssituati- on ermitteln und der EU-Kommission mitteilen. Die Bundesregierung hat bereits einen Entwurf zum Zensusgesetz 2021 (Druck- sache 19/8693) erstellt und es ist geplant, Die von den Gemeinden erhobene Grund- steuer muss nach einem Urteil des Bun- desverfassungsgerichtes bis Ende 2019 reformiert werden. Aktuelle Berechnung der Grundsteuer: Der Einheitswert des Grundbesitzes wird mit einer Steuermesszahl multipliziert. Auf den sich ergebenden Steuermessbe- trag kommt ein Hebesatz zurAnwendung, den die jeweilige Gemeinde festlegt (ca. 300 bis 700 Prozent). Die Steuermesszahl beträgt für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft 6 Promil- le, ansonsten 3,5 Promille, abweichend hiervon für Einfamilienhäuser 2,6 Pro- mille für die ersten 38.346,89 Euro des Einheitswertes und 3,5 Promille für den Rest, für Zweifamilienhäuser 3,1 Promil- le. Bei den Hebesätzen wird zwischen GrundsteuerA (Land- und Forstwirtschaft) und Grundsteuer B (alle anderen Grund- stücke) unterschieden. Der vom Finanzminister Olaf Scholz vor- gelegte Gesetzesentwurf sieht zukünftig ein „wertabhängiges Modell“ vor, wonach die Grundstückswerte und das Alter von Gebäuden zur Berechnung herangezogen

Chaos bei der Grundsteuer und kein Ende in Sicht

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BEIRATaktuell hat eine neue Homepage

Liebe Leserinnen und Leser,

Das komplette Archiv wird leider erst ab dem 1.9.2019 wird wieder voll einsatz- fähig sein. Sollten Sie zwischenzeitlich Fragen zu einem Beitrag oder einem be- stimmten Thema haben, zögern Sie nicht, uns eine entsprechende Anfrage – vor- zugsweise per E-Mail – zu übersenden.

BestehendeAbonnenten können ab sofort auch das e-book im Kundenbereich der neuen Homepage einsehen.

BEIRATaktuell hat eine neue Homepage. Melden Sie sich für unseren Newsletter an und erhalten Sie dadurch weitere, wich- tige und stets aktuelle Informationen zu Themen aus der Immobilienverwaltung.

Für Verwalter gibt es Sonderlösungen, sprechen Sie uns an!

SOMMER-AKTION bis 31.08.2019 – KUNDEN werben KUNDEN

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Interessieren Sie sich für Weiterbildungsmaßnahmen?

BEIRATaktuell plant zukünftig Weiter- bildungsmaßnahmen für Verwaltungsbei- räte bzw. Wohnungseigentümer durchzu- führen. Vorranging soll es darum gehen, die Aufgaben, Rechte und Pflichten des Verwaltungsbeirates / Wohnungseigentü- mer und Themen wie Vermietung, Be- triebskosten und Mieterhöhung näher zu beleuchten.

Zur Planung undVorbereitung wären wir dankbar, wenn interessierte Leserinnen und Leser an unserer Umfrage teilnehmen. Link zur Umfrage: https://forms.office. com/Pages/ResponsePage.aspx?id=owZ- JTUjxUEGHDnH7wYhpFyIOtvbu6wt- NgeKHBMe0vr9UQkxVTk5QWVdF- QlBDV0YwNVVBRkpVVEgzTS4u

Der Link ist sehr umfangreich. Auf An- frage schicken wir Ihnen den Link gerne per E-Mail, dann muss er nur noch „an- geklickt“ werden.

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Das „ungeliebte Kind“ des WEG Kosten haben viele Väter – die Sonderumlage ist ein Waisenkind

Was tun, wenn fällige Rechnungen zu begleichen sind, das Konto derWohnungs- eigentümergemeinschaft aber keine aus- reichende Deckung aufweist? Diese Frage müssen sich Verwalter von Wohnungseigentumsanlage leider viel zu oft stellen. Dabei können derartige Li- quiditätsengpässe eine Vielzahl von Ur- sachen haben. So können sich einer oder im schlimmsten Fall mehrereWohnungs- eigentümer mit ihren Hausgeldvoraus- zahlungen imVerzug befinden oder kom- plett zahlungsunfähig werden. Das Ausbleiben solcher Einnahmen führt dann regelmäßig schnell zu einer Liqui- ditätskrise der Wohnungseigentümerge- meinschaft, da deren Ausgaben in voller Höhe weiterlaufen. Umgekehrt können

unvorhergesehene Ausgaben, etwa für dringend notwendige Instandsetzungen, anfallen. Zudem wird der Wohnungseigentümerge- meinschaft oftmals auch schlicht der Um- stand zum Verhängnis, dass das laufende Hausgeld von denWohnungseigentümern in monatlichen gleich hohen Vorauszah- lungsbeträgen entrichtet wird, während dieVerbindlichkeiten derWohnungseigen- tümergemeinschaft nicht linear in monat- lich gleichbleibender Höhe anfallen. Solche Belastungsspitzen treten z.B. auf, wenn die Versicherungsprämien und die Zahlungen auf abgeschlosseneWartungs- verträge zum gleichen Jahres-, Halbjah- res- oder Quartalstermin fällig werden.

Kommen dann noch Hausgeldausfälle oder unvorhergeseheneAusgaben für In- standsetzungen hinzu, entsteht schnell eine Liquiditätskrise. Hier zeigt sich eine nicht unerhebliche Schwäche des Finanzierungssystems des Wohnungseigentumsrechts, die es durch sog. Sonderumlagen zu beheben gilt. Die Bereitstellung der Mittel für die lau- fende Bewirtschaftung des Gemeinschafts- eigentums erfolgt gem. § 28Abs. 5WEG durch Mehrheits-Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung über den gem. § 28 Abs. 1 S. 1 WEG vom Verwalter aufzustellenden Wirtschaftsplan. 1. Der Wirtschaftsplan und seine Schwächen

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a) Während im sog. Gesamtwirtschaftsplan die zu erwartenden Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben der Gemeinschaft angesetzt werden, ist im Rahmen des für jedes Sondereigentum zu erstellenden sog. Einzelwirtschaftsplanes unter An- wendung der vereinbarten oder beschlos- senen Kostenverteilungsschlüssel die jeweilige anteilige Hausgeldvorauszahlung der betreffenden Einheit festzulegen, wo- bei in der Praxis diese beiden Teile des Wirtschaftsplans zusammengefasst wer- den (vgl.: BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZR 32/05, ZMR 2005, 547). Eine der Hauptaufgaben des Verwalters besteht nun darin, durch einen adäquat kalkulierten Wirtschaftsplan mittels der hierdurch festgelegten Vorschusszahlun- gen der Wohnungseigentümer die ge- schätzten Kosten der Bewirtschaftung, der Instandhaltung und Instandsetzung sowie der Verwaltung des Gemeinschafts- eigentums zu decken und für eine stets ausreichende Liquidität der Wohnungs- eigentümergemeinschaft zu sorgen (vgl.: BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 211/12, ZMR 2014, 49). Daher sind großzügige Kostenschätzungen nicht nur zulässig, sondern sogar geboten, um Nachforderungen oder unterjährige Liquiditätsengpässe möglichst zu vermei- den (vgl.: LGMünchen I, Urt. v. 21.1.2013 - 1 S 3378/12, ZMR 2014, 66). Der Verwalter ist dabei auch berechtigt, bloße Eventualpositionen wie „Unvor- hergesehenes“ in den Wirtschaftsplan aufzunehmen. Ob der Verwalter im Zuge der gebotenen großzügigen Kalkulation des Wirtschaftsplans nun bei jeder ein- zelnen Position einen Sicherheitszuschlag vornimmt oder einen separaten Liquidi- tätspuffer in einer solchen generellen Sicherheitsposition berücksichtigt, läuft im Ergebnis auf das gleiche hinaus (vgl.: BGH, Urt. v. 17.10.2014 - V ZR 26/14, ZMR 2015, 244; AG Traunstein, Urt. v. 24.6.2011 - 391 C 1783/10, ZMR 2012, 63). Dementsprechend kommt demVerwalter bei der Erstellung des Wirtschaftsplans als reine Prognose, insbesondere bei der erforderlichen Schätzung der Höhe der anzusetzenden Positionen, ein denkbar weiter Ermessensspielraum zu, der nur dann überschritten wird, wenn offensicht- lich völlig überhöhte Nachzahlungen oder umgekehrt völlig überhöhte Überschüsse

zu erwarten sind (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 10.4.2002 - 2Z BR 70/01, NZM 2002, 531). b) Problematisch ist nun, dass der vomVer- walter erarbeiteteWirtschaftsplan lediglich einen Vorschlag darstellt, dem die Eigen- tümer folgen können, aber nicht zwingend folgen müssen, denn die Entscheidung über den konkreten Inhalt desWirtschafts- plan und die Höhe der darin enthaltenen Einnahmen- und Ausgabenansätze sowie die Höhe des jeweiligen Hausgeld steht nur den Eigentümern gem. § 28 Abs. 5 WEG durch Beschlussfassung zu. Dabei ist in der Praxis leider häufig zu beobachten, dass sich die Wohnungsei- gentümer zur Geringhaltung des laufen- den Hausgelds oftmals nicht bereitfinden, den großzügigen Kostenansätzen in dem vom Verwalter vorgelegten Entwurf des Wirtschaftsplans zu folgen. Hinzu kommt, dass üblicherweise (mit den aufgezeigten negativen Folgen) in der Gemeinschaftsordnung vereinbart ist bzw. beschlossen wird, dass die auf den Wirtschaftsplan geschuldeten Hausgeld- vorauszahlungen monatlich imVoraus zu entrichten sind.

Wohnungseigentümer gem. § 21 Abs. 7 WEG Sanktionen für den Fall desVerzugs mit der Hausgeldzahlung beschließen können, etwa dieVorfälligkeit des gesam- ten Jahreshausgelds in einer Summe, dies erleichtert indes nur die Beitreibung rück- ständiger Beträge, ist aber nicht geeignet, den hierdurch ausgelösten Zahlungsaus- fall zeitnah zum kompensieren (vgl.: BGH, Beschl. v. 2.10.2003 –V ZB 34/03, ZMR 2003, 943; LG Köln, Urt. v. 20.2.2014 - 29 S 181/13, ZMR 2014, 745). Zudem kann auch die sorgfältigste Pro- gnose nicht alleWechselfälle berücksich- tigen, so z. B. den unvorhergesehenen Ausfall der Zentralheizungsanlage, der einen erheblichen, kurzfristig zu finan- zierenden Instandsetzungsbedarf mit sich bringt. In solchen Fällen, insbesondere wenn noch Zahlungsausfälle hinzutreten, wird der Wirtschaftsplan zu Makulatur. c) Dabei hilft es der Wohnungseigentümer- gemeinschaft auch nicht weiter, dass die Wohnungseigentümer nicht nur zur Be- gleichung des laufenden Hausgelds auf der Grundlage desWirtschaftsplans, son- dern ebenso zum Ausgleich von Nach- zahlungsbeträgen aus der Jahresabrech- nung i.S.d. § 28Abs. 3WEG verpflichtet sind.

Zwar ist es geraten und entspricht der herrschenden Rechtsmeinung, dass die

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Denn die Jahresabrechnung ist vomVer- walter erst nach Ablauf des Wirtschafts- jahres aufzustellen und von den Eigen- tümern gem. § 28 Abs. 5 WEG zu be- schließen. Hieraus resultierende Nachzahlungen kommen also zur Behebung eines im laufenden Wirtschaftsjahr auftretenden Liquiditätsengpasses zu spät. 2. Die Instandhaltungsrückstellung und ihre Schwächen Die Bereitstellung der Mittel für größere Maßnahmen der Instandhaltung und In- standsetzung des Gemeinschaftseigentums soll durch die Bildung einer sog. Instand- haltungsrückstellung erfolgen. Gem. § 21Abs. 3, Abs. 5 Nr. 4WEG sind die Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßigerVerwaltung verpflichtet, eine angemessene Instandhaltungsrück- stellung anzusammeln, deren Zuführungs- beträge in denWirtschaftsplan, allerdings nicht als Ausgabe, einzuarbeiten sind (vgl.: BGH, Urt. v. 4.12.2009 – V ZR 44/09, ZMR 2010, 300; Bärmann/Becker, WEG, 14. Aufl. 2018, § 28 Rn. 31). a) In welcher konkreten Höhe die Instand- haltungsrückstellung als „angemessen“ anzusammeln ist, sagt das WEG indes nicht. Dies kommt auf den jeweiligen Einzelfall, insbesondere auf dasAlter und den baulichen Zustand der WEG-Anlage an. Zur Ermittlung der anzusammelnden Be- träge sollte sich die Wohnungseigentü- mergemeinschaft eines vomVerwalter zu erstellenden Sanierungsplans bedienen. Da der Verwalter indes kein Bausachver- ständiger ist (und auch nicht sein muss) sollte hierzu ein Fachmann hinzugezogen werden. Eine verbindliche Instandset- zungs- und Zuführungsplanung hat indes die Eigentümerversammlung zu beschlie- ßen. Diese kann mittels einer Prioritäten- liste, die bei neuen Erkenntnissen gege- benenfalls aktualisiert werden muss, geschehen. Ein Rechtsanspruch auf die Beschlussfassung über eine Instandset- zungsplanung besteht indes nur, wenn dies aufgrund besonderer Umstände ord- nungsmäßiger Verwaltung entspricht

(vgl.: BGH, Urt. v. 9.3.2012 – V ZR 161/11, NZM 2012, 421).

oder der Begleitung solcher Maßnahmen dienen, zugegriffen werden darf, weshalb Entnahmen zu anderen Zwecken stets als kritisch, überwiegend als rechtswidrig, angesehen werden (vgl.: BGH, Beschl. v. 11.6.2015 - V ZB 78/14, NZM 2015, 864; LG Köln, Urt. v. 19.1.2012 - 29 S 190/11, IMR 2012, 199). Zusätzlich hat stets eine sog. eiserne Re- serve in der Rücklage für Notfälle ver- bleiben (vgl.: LG Düsseldorf, Urt. v. 23.9.2015 - 25 S 18/15, ZMR 2016, 873). Zwar spricht auch nach der Rechtsprechung aus praktischen Gründen viel dafür, dass vorübergehende Zugriffe auf die Mittel der Instandhaltungsrückstellung möglich sein können, die für die Rechtmäßigkeit einer solchen Zweckentfremdung der Rück- lage von den Gerichten errichteten Hürden sind jedoch schwer zu meistern, weshalb mit Blick auf das bestehendeAnfechtungs- und Prozessrisiko hiervon nur in Ausnah- mefällen Gebrauch gemacht werden soll- te (vgl.: LG München I, Urt. v. 14.7.2016 - 36 S 3310/16, IMR 2017, 62; LG Frank- furt, Urt. v. 16.7.2014 – 2-13 S 91/13, IMR 2014, 389). 4. Die Erhebung einer Sonderumlage Regelmäßig bleibt dem Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Behebung eines Liquiditätsengpasses in laufender Rechnung oder zur Finanzierung einer größeren Instandsetzungsmaßnahme kaum etwas anderes übrig, als die Woh- nungseigentümer zu einer (gegebenenfalls kurzfristig einzuberufenden außerordent- lichen) Eigentümerversammlung zu laden und ihnen die Beschlussfassung über die Erhebung einer Sonderumlage zu emp- fehlen. Dabei ist die sog. Sonderumlage imWoh- nungseigentumsgesetz nicht erwähnt. Nach herrschender Rechtsauffassung handelt es sich dabei schlicht um eine Anpassung bzw. eine Erweiterung des bestehenden Wirtschaftsplans. Dies gilt ebenso für den Fall, dass die Wohnungs- eigentümer angesichts bestehenden In- standsetzungsbedarfs eine Rücklage in angemessener Höhe nicht gebildet haben oder durch eine Entnahme die „eiserne

b) Auch bei der Ansammlung der Instand- haltungsrückstellung ist zu berücksichti- gen, dass diese als Bestandteil des vom Verwalter erarbeiteten Wirtschaftsplan wiederum lediglich einen Vorschlag dar- stellt, dem die Eigentümer folgen können, aber oftmals nicht folgen. So ist in der Praxis zu beobachten, dass dieWohnungseigentümer neu errichteter oder jüngerer WEG-Anlagen die recht- zeitige Bildung einer Rücklage vernach- lässigen. Auch sind Kapitalanleger oft- mals nicht bereit, angemessen zur Bildung einer für sie regelmäßig steuerlich unin- teressanten Rückstellung beizutragen. Zu berücksichtigen ist auch, dass gerade bei Objekten mit einem erheblichen Sa- nierungsstau durch regelmäßige Entnah- men aus der Rücklage zur Finanzierung der anfallenden Instandsetzungsmaßnah- men die Bildung einer angemessenen Rücklage auf Dauer unterbleibt. Fallen nun nicht planbare dringende In- standsetzungsmaßnahmen an, so führt dies oftmals zu einer Auszehrung der Rücklage oder dazu, dass die vorhandenen Mittel der Rücklage zur Finanzierung solcher Maßnahmen nicht ausreichen. 3. Querfinanzierung schwierig Erschwerend kommt hinzu, dass Liqui- ditätsengpässe auf dem laufenden Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst dann, wenn an sich ausreichende Mittel in der Instandhaltungsrückstellung vorhanden sind, kaum durch einen Zugriff auf die Rücklage behoben werden können. NachAuffassung der Gerichte handelt es sich bei den Mitteln der Instandhaltungs- rückstellung um ein sog. zweckgebunde- nes Sondervermögen der Gemeinschaft, auf welches grundsätzlich nur durch Be- schluss sowie nur zum Zwecke der Fi- nanzierung von Maßnahmen der Instand- haltung und Instandsetzung des Gemein- schaftseigentums sowie für die Bestreitung von Sachverständigenkosten, die der Feststellung des Instandsetzungsbedarfs

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Reserve“ angetastet würde (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2012 - V ZR 129/11, NZM 2012, 275). a) Daher beschließen die Wohnungseigen- tümer i.S.d. § 28 Abs. 5 WEG über die Erhebung einer Sonderumlage nach frei- em, indes an die Grundsätze ordnungs- mäßiger Verwaltung gebundenem Ermes- sen (vgl.: OLG München, Beschl. v. 13.8.2007 - 34 Wx 75/05, NZM 2008, 493). Aus dem Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage müssen als Min- destangaben der Zweck der Sonderum- lage, der Gesamtbetrag der Sonderumla- ge, der Verteilerschlüssel und der jewei- lige Anteil des Eigentümers an der Son- derumlage sowie deren Fälligkeit hervor- gehen. Fehlt eine dieser Pflichtangaben, droht die Rechtswidrigkeit bzw. die Unwirk- samkeit des Sonderumlagebeschlusses mangels inhaltlicher Bestimmtheit des Beschlusses (vgl.: BayObLG v. 12.10.2006 - 32 Wx 124/06, ZMR 2007, 216; LG München I, Beschl. v. 29.3.2010 - 1 T 5340/10, ZMR 2010, 799). Fehlt eine Angabe zur Fälligkeit, kann sich aber aus der vorbeschlossenen In- standsetzungsmaßnahme ergeben, dass die Sonderumlage sofort fällig sein soll. Fehlt die konkreteAngabe des jeweiligen Zahlungsanteils, so ist der Beschluss gleichwohl rechtmäßig, wenn der einzel- ne Eigentümer den auf ihn entfallenden Anteil ohne schwierige Rechenschritte ermitteln kann (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 12.10.2006 - 32Wx 124/06, ZMR 2007, 216; Jennißen/Heinemann, WEG, 5. Aufl. 2017, § 28 Rn. 55 ff.). b) Was die Bemessung des Betrags der Son- derumlage angeht, so haben die Woh- nungseigentümer, da sie ja über eine Ausweitung desWirtschaftsplans beschlie- ßen, wiederum ein weiter Ermessens- spielraum zu, weshalb die Höhe der Son- derumlage auch großzügig anzusetzen

sein kann, insbesondere um etwaige Zahlungsausfälle oder Unwägbarkeiten bei baulichen Maßnahmen abzufedern. Steht der Finanzierungsbedarf indes weit- gehend fest, widerspricht eine zu groß- zügige Aufrundung jedoch den Grund- sätzen ordnungsmäßigerVerwaltung (vgl.: BGH, Urt. v. 13.1.2012 - V ZR 129/11, NZM 2012, 275; LG München I, Urt. v. 24.10.2011 - 1 S 24966/10, NZM 2012, 278). Wird eine Sonderumlage zur Herstellung der Liquidität der Wohnungseigentümer- gemeinschaft wegen Hausgeldzahlungs- ausfällen beschlossen, ist zu beachten, dass auch der zahlungsrückständige Ei- gentümer hieran zu beteiligen ist; dieser darf nicht etwa, weil von ihm ohnehin keine Zahlungen erwartet werden, aus- genommen bleiben. In diesen Fällen ist die Höhe der Sonde- rumlage dem zu erwartenden Zahlungs- ausfall entsprechend zu erhöhen (vgl.: OLG Celle, Beschl. v. 5.1.2004 – 4 W 217/03, ZMR 2004, 525). c) Auch wenn eine Instandhaltungsrückstel- lung in angemessener Höhe gebildet wurde, haben die Eigentümer grundsätz- lich dieWahl, ob sie auf die Rückstellung zurückgreifen oder eine Sonderumlage erheben wollen. Dabei kommt es jedoch im Einzelfall auf die konkrete Höhe der angesammelten Rücklage sowie auf den zu erwartenden Finanzierungsbedarf an (vgl.: BGH, Urt. v. 13.1.2012 - V ZR 129/11, NZM 2012, 275; OLGMünchen, Beschl. v. 13.8.2007 - 34Wx 75/05, NZM 2008, 493). d) Oftmals werden Sonderumlagen, gerade wenn diese betraglich erheblich sind (z.B. zur Finanzierung größerer Instandset- zungsmaßnahmen), in einzelnen Teilbe- trägen zu späteren Fälligkeitsterminen zahlbar gestellt. In solchen Fällen wird vielfach streitig, wer im Fall einer zwischenzeitlichenVer- äußerung des Wohnungseigentums zah- lungspflichtig ist. Ist in solchen Fällen derjenige Eigentümer, der im Zeitpunkt

der Beschlussfassung über die Erhebung der Sonderumlage im Grundbuch einge- tragen war oder der Erwerber, der im Zeitpunkt der Fälligkeit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, zahlungs- pflichtig? Nach aktueller Rechtsprechung des BGH werden die Beiträge der Eigentümer zu einer Sonderumlage mangels abweichen- der Regelung sofort fällig. Sollen die Beträge aber erst mit der An- forderung durch den Verwalter oder zu einem datumsmäßig bezeichneten spä- teren Zeitpunkt fällig werden, so haftet der Erwerber des Wohnungseigentums auch für solche Sonderumlagen, deren Erhebung zwar zuvor beschlossen, deren Fälligkeit aber erst nach Grundbuchum- schreibung eintritt (vgl.: BGH, Urt. v. 15.12.2017 – V ZR 257/16, ZMR 2018, 527). e) Vorsicht ist indes geboten bei der Erhe- bung einer Sonderumlage zur Behebung von Zahlungsausfällen eines Eigentümers. Da für etwaige Hausgeldrückstände haf- tet der Erwerber desWohnungseigentums, sondern nach der Fälligkeitstheorie des BGH der Veräußerer auf der Grundlage des während seiner Mitgliedschaft in der Gemeinschaft beschlossenen Vorschuss- zahlungen aus dem Wirtschaftsplan haf- tet, ist eine rückwirkende Fälligstellung bereits zuvor geschuldeter Hausgelder durch eine Sonderumlage zu Lasten des Erwerbers nicht zulässig (vgl.: BGH, Urt. v. 4.4.2014 - V ZR 168/13, NZM 2014, 436; BGH, Urt. v. 13.9.2013 - V ZR 209/12, NZM 2013, 733). 5. Die Abrechnung der Sonderumlage Besonderheiten sind auch bei der Abrech- nung einer erhobenen Sonderumlage zu beachten. Da es sich hierbei um eine Erweiterung des ursprünglich beschlossenen Wirt- schaftsplans handelt, hat eine separate Abrechnung zu unterbleiben. Die Zahlung und Verwendung der Mittel der Sonder- umlage ist im Rahmen der Jahresabrech- nung darzustellen. Dabei ist zu differenzieren zwischen sol- chen Sonderumlagen, die im gleichen

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Wirtschaftsjahr, in dem sie erhoben und gezahlt wurden, ausgegeben wurden und solchen Sonderumlagen, die wirtschafts- jahresübergreifend verwendet werden. a) Die als Sonderumlage vereinnahmten Gelder, die im gleichen Wirtschaftszeit- raum ausgegeben wurden, sind in der Abrechnung grundsätzlich im Rahmen der Gesamteinnahmen als Hausgeldein- nahmen und auf der Ausgabenseite unter der Kostenposition, für die sie verwendet wurden, dazustellen. Eine Abwicklung über die Instandhal- tungsrückstellung kommt grundsätzlich nicht in Betracht, selbst wenn die Mittel der Sonderumlage faktisch vorübergehend über das Rücklagenkonto verbucht wurden. Wegen der besonderen Zweckbestimmung der Sonderumlage liegt nämlich keine Verwendung zur Rücklagenbildung vor, weshalb auch etwa unverbrauchte Beträ- ge nicht etwa ohne weiteres der Instand- haltungsrückstellung zugeführt werden dürfen (vgl.: OLG München, Beschl. v. 21.5.2007 – 34 Wx 148/06, ZMR 2007, 723; Jennißen, WEG, 5. Aufl. 2017, § 28 Rn. 60). b) Werden die als Sonderumlage vereinnahm- ten Gelder nicht im gleichen Wirtschafts- zeitraum ausgegeben, etwa aufgrund einer jahresübergreifenden Instandsetzungsmaß- nahme, entspricht es der Zweckbindung

der Sonderumlage, deren Mittel als ge- sonderte Rücklage abzurechnen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass rücklagenfinanzierte Kosten nicht nur im Rahmen der Entwicklung der Instandhal- tungsrücklage zu berücksichtigen, sondern als realer Geldfluss auch (einzelabrech- nungsneutral) in den Ausgaben auszu- weisen sind (vgl.: LG München I, Urt. v. 18.8.2010 - 1 S 1874/10, ZMR 2011, 64; Bärmann/Becker, WEG, 14. Aufl. 2018, § 28 Rn. 127; Jennißen, WEG, 5. Aufl. 2017, § 28 Rn. 60). c) Es empfiehlt sich daher, soll die unver- brauchte Liquidität der Rücklage zugeführt werden bzw. soll die Sonderumlage aus Gründen der Transparenz (Zweckbindung) gesondert dargestellt werden, sollte hier vertretener Auffassung nach beschlossen werden, die Mittel der Sonderumlage analog einer Rücklage getrennt abzurech- nen bzw. unverbrauchte Mittel der Rück- lage zuzuführen (vgl.: Bärmann/Becker, WEG, 14. Aufl. 2018, § 28 Rn. 127). Zu beachten ist, dass nicht verbrauchte Beträge einer Sonderumlage nicht ohne weiteres an die betreffenden Eigentümer rückgezahlt werden dürfen; hierzu bedarf es eines Beschlusses der Eigentümerver- sammlung. Ein solcher „Rückerstattungsbeschluss“ 6. Auszahlung nicht verbrauchter Mittel

kann gefasst werden, wenn der Anlass zur Erhebung der Rücklage weggefallen ist oder die Maßnahme abgeschlossen ist und weniger Kosten als ursprünglich pro- gnostiziert, verursacht hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleibt es den Eigentümern gleichwohl unbenommen, durch Beschluss über die Sonderumlage anderweitig zu verfügen (vgl.: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 13.2.13 - 14 S 4070/12, ZMR 2013, 481). 7. Fazit Wenngleich der Erhebung von Sonder- umlagen als außerordentlicher finanziel- ler Belastung der Wohnungseigentümer eigentümerseits wenig Sympathien ent- gegengebracht werden, lassen sich solche Beschlüsse zur notwendigenAufrechter- haltung der finanziellen Leistungsfä- higkeit der Wohnungseigentümergemein- schaft regelmäßig nicht vermeiden. Solch für die Eigentümer unangenehmen „Überraschungen“ kann aber weitgehend dadurch vorgebeugt werden, indem die Wohnungseigentümer beherzigen, dass ein großzügig kalkulierterWirtschaftsplan unter Einbindung von Kosten auch für „Unvorhergesehenes“ beschlossen und imÜbrigen für eine rechtzeitigeAnsamm- lung einer angemessenen Instandhaltungs- rückstellung gesorgt wird. Hier sollten dieWohnungseigentümer den Empfehlungen des fachkundigenVerwal- ters folgen.

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- Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Schwerpunkt: Wohnungseigentums- und Mietrecht sowie Makler- und Bauträgerrecht - Praktiker, Fachautor und Referent namhafter Tagungsveranstaltungen www.krall-kalkum.de RA Rüdiger Fritsch

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››› Recht ‹‹‹ von RA Detlef Wendt Wer haftet bei gewaltsamem Zutritt zur Wohnung?

Sie kennen das: Man möchte eine Woh- nung betreten, in der Regel seine eigene. Das kann man auf vielfältige Weise be- werkstelligen. Verfügt man über einen Schlüssel, hat man Glück. Vorausgesetzt, der Schlüssel passt ins Schloss. Wurde das Schloss ohne Kenntnis des Schlüs- selinhabers ausgewechselt, nützt ihm auch der Schlüssel nichts. In diesem Fall liegt zunächst einmal Klingeln oder Klopfen nahe. Ist niemand in der Wohnung, oder ist zwar jemand anwesend, öffnet aber nicht, ist man immer noch keinen Schritt weiter. An dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen. Der gesetzestreue Bürger gibt auf und versucht es entweder später noch einmal oder ruft die Polizei, insbesonde- re, wenn es sich um seine eigeneWohnung handelt, in der er wohnt. Besteht sogar der Verdacht einer Straftat innerhalb der Wohnung, öffnet auch die Polizei die Wohnung hin und wieder in filmreifer Manier. Ein durchgeknallter, weniger bis gar nicht ans Gesetz denkende Bürger holt manchmal leider auch eine Axt aus dem Kofferraum und schlägt die Tür ein. Verfügt er über die Physiognomie eines Arnold Schwarzenegger oder Dwayne Johnson, reicht ihm im Idealfall auch etwas Anlauf und die Schulter. Das Ergebnis ist in der Regel zumindest für den Haus- oderWohnungseigentümer, unabhängig davon, ob er die Wohnung selbst bewohnt oder vermietet hat, höchst unerfreulich: Die Tür ist hinüber. Wer bezahlt jetzt den Schaden? Mit dieser Frage und einem etwas unge- wöhnlichen Fall musste sich das Ober- landesgericht Köln (26.01.1995 – 7 U 146/94) beschäftigen. Der Kläger ver- langte vom Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz von knapp 3.000 DM, weil Polizeibeamte am 20.08.1993 zwi- schen 22:30 und 23.00 Uhr gewaltsam in

seine Wohnung eingedrungen seien. Der Kläger befand sich mit seiner Familie zu der Zeit im Sommerurlaub. Die Polizei- beamten waren von den Nachbarn des Klägers gerufen worden. Diese hatten in der über ihnen liegenden Wohnung des Klägers Licht gesehen und Geräusche gehört. Sie vermuteten Einbrecher, da der Kläger sie zuvor davon informiert hatte, für einige Wochen mit seiner Familie in Urlaub zu sein. Das Licht in der Wohnung ging einige Zeit nach dem Eintreffen der ersten Po- lizeistreife aus. Auch Geräusche waren in diesemMoment nicht zu hören. Trotz- dem war man extrem sensibilisiert. Nach Eintreffen einer zweiten Polizeistreife brachen die Beamten dieTür zurWohnung des Klägers schließlich gewaltsam auf. In der Wohnung wurde niemand ange- troffen. Licht und Geräusche stammten von einem Fernsehgerät. Der Kläger hat- te den Fernseher mit einer Zeitschaltuhr gekoppelt, um so auch in seiner Urlaubs- abwesenheit für den Eindruck einer be- lebten Wohnung zu sorgen. Davon hatte er allerdings seinen Nachbarn, der die Polizei gerufen hatte, nicht in Kenntnis gesetzt. Das Landgericht hatte ursprünglich die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln vertrat jedoch eine etwas andere Auffassung. Es war der Meinung, dass der ortsabwe- sendeWohnungsinhaber zwar eine ganze Menge richtig gemacht habe, insbeson- dere dass er seinen Nachbarn erzählt habe, er sei mit seiner Familie längere Zeit in Urlaub. Leider hat er dabei auch einiges falsch gemacht. Er hat es nämlich ver- säumt, seinen Nachbarn zu informieren, dass er an seinem Fernsehgerät eine Zeit- schaltuhr installiert hatte. Die Nachbarn, die davon keine Kenntnis hatten, haben zu Recht die Polizei informiert. Und die

Polizisten durften durchaus in Betracht ziehen, dass hier jemand in der Wohnung gewesen sein könnte. Hätte der Woh- nungsinhaber die Nachbarn vollständig informiert, und hätten diese der Polizei das ebenfalls erzählt, hätte die Polizei korrekte Schlüsse ziehen können. Das Oberlandesgericht sah das Verschulden überwiegend beim Wohnungsinhaber. Dementsprechend wurde ihm lediglich ein Drittel seines Schadens zugesprochen. Zwei Drittel musste er selbst bezahlen. Merke: Wenn man schon so pfiffig ist, mit einer Zeitschaltuhr eine bewohnte Wohnung vorzutäuschen, sollte man zu- mindest dem netten Nachbarn auch dieses kleine Geheimnis verraten! Das Landgericht Köln hat am 25.05.1999 (5 O 453/98) entschieden, dass der Ver- mieter einer Wohnung den vollen Ersatz der Kosten für die Wiederherstellung einerWohnungseingangstür in Höhe eines Betrages von 554,30 DM verlangen kann, wenn die Tür bei einem Polizeieinsatz zur Festnahme eines sich in der Wohnung aufhaltenden Straftäters beschädigt wird und die Polizei davon ausgehen durfte, dass der gesuchte Straftäter von einer Schusswaffe Gebrauch machen könne. Gelegentlich vermietenWohnungseigen- tümer ihreWohnung. Dann könnte ihnen passieren, was sich 2010 irgendwo in Würzburg ereignet hat. Ein Vermieter vermietete eineWohnung an ein Ehepaar. Der Ehemann wurde gegenüber seiner Frau gewalttätig. Mithilfe des Gerichtes und der Polizei erreichte die Ehefrau, dass ihr Mann aus der Wohnung gewiesen wurde. Der Mann hatte keinen Schlüssel mehr zur Wohnung. Ohne Wissen und Wollen der Ehefrau kam er später zurück und schlug die Tür ein. Der Vermieter verlangte Schadensersatz von der Miete- rin. Er berief sich auf eine bestimmte Klausel imMietvertrag. Die besagte, dass

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ein Mieter auch für vorsätzliche uner- laubte Handlungen anderer Personen und Mitmieter ohne eigenes Verschulden ein- stehen muss. Solche Klauseln sind in Standardmietverträgen übrigens weit verbreitet. Hatte das Amtsgericht Würzburg (13 C 2274/10) noch eine Verantwortlichkeit der Mieterin für das Verhalten ihres Ehe- mannes angenommen, hat das Landgericht Würzburg dies am 25.11.2010 (3 T 2449/10) anders gesehen. Das Landgericht war der Meinung, dass man der Mieterin nur dann einen Vorwurf hätte machen können, wenn sie ihren Ehemann freiwil- lig in die Wohnung gelassen hätte und der Schaden dabei entstanden wäre. Das hatte die Ehefrau allerdings nicht getan. Die vorsätzliche Beschädigung des Ehe- mannes könne man der Mieterin daher nicht zurechnen. Machte man das trotz-

dem, käme man zum unhaltbaren Ergeb- nis, dass eine Mieterin auch dann haftet, wenn sie gar kein Verschulden trifft. Merke: Manche Klauseln in Mietverträ- gen klingen zwar toll, können aber un- wirksam sein oder gar nicht zur Anwen- dung kommen! Auch das Amtsgericht Hannover durfte sich am 10.12.2010 (480 C 11289/10) mit dem Haftungsproblem befassen. Klä- ger war ein Wohnungseigentümer. Er verklagte die Wohnungseigentümerge- meinschaft. Anlass zu der Klage hatte das Verhalten der Polizei gegeben. Diese wurde vom Arbeitskollegen des Klägers nämlich dahingehend informiert, dass der Kläger am Vortag nicht zur Arbeit er- schienen sei. Offenbar machte der Kol- lege sich Sorgen. Und offenbar teilten die Polizisten die Besorgnis. Nachdem der Kläger die Tür auf das Klingeln der Po-

lizisten hin nicht geöffnet hatte, übernahm dies die Polizei, und zwar gewaltsam. Dadurch wurden sowohl das Türblatt als auch die Türzarge beschädigt. Der Woh- nungseigentümer ließ den Schaden für knapp 3.000 Euro beseitigen. Diese Ko- sten verlangte er von der Wohnungsei- gentümergemeinschaft zurück. Über diesen Erstattungsanspruch ent- schieden die Eigentümer durch Beschluss auf einer Wohnungseigentümerversamm- lung. Die Kostenerstattung wurde mehr- heitlich abgelehnt. Der Wohnungseigen- tümer hat den Beschluss nicht angefoch- ten. Stattdessen hat er Zahlungsklage gegen die Wohnungseigentümergemein- schaft in Höhe des Schadensbetrages eingereicht. Das Amtsgericht Hannover hatte es damit extrem leicht: Es musste sich mit der Frage, ob der Eigentümer den Schadensbetrag von der Wohnungs-

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eigentümergemeinschaft zurückverlangen kann, überhaupt nicht beschäftigen. Denn der geltend gemachte Anspruch wurde durch den Mehrheitsbeschluss zurückge- wiesen. Dieser Beschluss wurde bestands- kräftig. Auch einem Negativbeschluss kommt eine so genannte materielle Bin- dungswirkung zu (BGH 15.01.2010 – V ZR 114/09). Damit ging der Eigentümer leer aus. Merke: Bestandskräftige Beschlüsse kön- nen wirksam werden, auch wenn sie bei rechtzeitiger Anfechtung vom Gericht aufgehoben worden wären! Selbst der Bundesgerichtshof musste sich bereits mehrfach dem Haftungsproblem stellen. Am 14.03.2013 (III ZR 253/12) gab es eine Entscheidung, der folgender Sachverhalt zu Grunde lag: Kläger war ein Eigentümer einer Eigen- tumswohnung. Die Wohnung hatte er vermietet, und zwar an den Bruder seiner Lebensgefährtin. Dem Kläger war be- kannt, dass sein Mieter früher einmal in Drogendelikte verwickelt war. Nun be- stand der Verdacht, dass der Mieter in der Wohnung mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handelte. Das Gericht erließ einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung. Die Polizei stieg direkt über das Fenster ein. Das Fenster wurde beschädigt, der Teppichboden wurde durch Glassplitter verunreinigt. Der Wohnungseigentümer verlangte vom Land Sachsen-Anhalt Scha-

densersatz. Der Bundesgerichtshof ent- schied den Fall nicht selbst, sondern hat ihn an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Richter wiesen allerdings auf folgen- des hin: Hat ein Vermieter Kenntnis davon oder muss es sich ihm aufdrängen, dass die von ihm vermieteteWohnung für die Be- gehung von Straftaten, die Lagerung von Diebesgut oder von Drogen benutzt wird oder benutzt werden soll, muss er sofort hellhörig werden. Er darf dann entweder den Mietvertrag nicht abschließen oder muss bei bereits abgeschlossenem Miet- vertrag jede Möglichkeit wahrnehmen, das Mietverhältnis zu kündigen. Macht er das nicht, kann er bei einem späteren Polizeieinsatz und einer damit verbunde- nen Beschädigung der Wohnung keinen Schadenersatz verlangen. Merke: Sobald etwas faul ist mit dem Mieter, darf sich der Vermieter nicht taub stellen, sondern muss geeignete Maßnah- men in die Wege leiten! Einen weiteren Fall musste der Bundes- gerichtshof einige Jahre später entschei- den: 2013 gab es in Nürnberg einen Po- lizeieinsatz, bei der eine Wohnungsein- gangstür beschädigt wurde. Gegen den Mieter einer Wohnung lagen ein Haftbe- fehl und ein Durchsuchungsbeschluss für die Mietwohnung vor. Der Mieter soll mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben haben. Nachdem der Mieter die Tür nicht frei-

willig geöffnet hatte, wurde sie von den Polizeibeamten aufgebrochen und beschä- digt. Der Schaden betrug ca. 1.600 Euro. Bei der anschließenden Durchsuchung stellten die Polizeibeamten 26 Gramm Marihuana sicher. Nachdem das Mietverhältnis beendet wurde, verklagte der Vermieter seinen ehemaligen Mieter auf Schadenersatz. Der Bundesgerichtshof vertrat am 14.12.2016 (VIII ZR 49/16) die Ansicht, dass der Beklagte zwar gegen seine ver- traglichen Obhutspflichten als Mieter verstoßen habe, indem er in der Wohnung illegale Betäubungsmittel aufbewahrt hat. Allerdings war das Aufbewahren nicht kausal zur Beschädigung der Tür. Verein- facht gesagt: Die Polizei hätte die Tür auch aufgebrochen, wenn sich in der Wohnung nicht die 26 Gramm Marihua- na befunden hätten. Und daher wiesen die Richter die Klage gegen den Mieter ab. Auch hier ging der Vermieter also leer aus. Nicht unerwähnt bleiben soll an die- ser Stelle aber: Diese recht formalistische Auffassung des Bundesgerichtshofes ist in der Literatur vereinzelt durchaus auf Kritik gestoßen. Fazit: Es ist schwer, eine einheitliche Li- nie zu erkennen. Daher bliebe allen Ei- gentümern und Bewohnern zu wünschen, dass sie von diesem Problem auf Dauer verschont bleiben!

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Rechtsanwalt DetlefWendt, Fachanwalt für Miet- undWohnungseigentumsrecht, Buch- und Spie- leautor. Auf seiner Webseite www.detlefwendt. de betreibt er einen Blog „Wendt der Woche“. Darauf kommentiert er regelmäßig und in ver- ständlicher und humorvoller Weise Gerichtsur- teile. RA Detlef Wendt

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››› Interview ‹‹‹ BEIRATaktuell 6 Fragen an ... Herrn Dr. Olaf Riecke, Richter am Amtsgericht Hamburg-Blankenese

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tümer können dem Verwalter den Spaß am Beruf rauben. In Österreich etwa hat der Verwalter eine viel stärkere Position. In Deutschland ist er reinesVollzugsorgan des Mehrheitswillens. 6. Welche drei Vorschriften imWohnungs- eigentumsgesetz würden Sie sofort verändern? Die sinnentleerteVorschrift des § 24Abs.7 WEG zur Beschluss-Sammlung. Ange- dacht war schon vor der WEG-Novelle ein Zentralgrundbuch mit den wichtigsten Infos zu vereinbarungsändernden Mehr- heitsbeschlüssen und Angaben zum ak- tuellen Verwalter. § 25 Abs.3 WEG, der noch immer eine Mehrheit für die Beschlussfähigkeit for- dert. Jede Eigentümerversammlung soll- te beschlussfähig sein, dann kommen die Eigentümer bei wichtigen Themen auch von auswärts. § 46 Abs.1 WEG, weil die Anfechtungs- klage nicht gegen die übrigenWohnungs- eigentümer gerichtet werden sollte, son- dern gegen die WEG als Verband.

Guten Tag Herr Dr. Riecke, wir freuen uns, dass Sie bereit waren, uns einige Fragen zu beantworten. 1. Wie lange sind Sie schon imRichteramt und wie viele Gerichtsverfahren durf- ten Sie bisher entscheiden? Seit 1.7.1983 bin ich – nach einiger Zeit als Anwalt in Nürnberg – in den Ham- burger Justizdienst gewechselt. Ab 1.4.1985 bin ich amAG Hamburg-Blan- kenese tätig. Pro Jahr waren 650 – 900 Zivilverfahren zu erledigen. WEG-Verfahren zählen aufgrund ihrer Komplexität mehr als ein- fache Forderungssachen. Allein verantwortlich, aber eben nicht endgültig (die jeweilige Berufungskammer beim LG kann ja abändern) zu entschei- den, und zwar nach manchmal spannen- der Diskussion von Rechtsfragen. 3. Was war das schlimmste Ereignis, wel- ches Sie aufgrund einer Gerichtsver- handlung erleben mussten? Die völlig verfehlten Urteile der ZK 7 des LG Hamburg vom 28.03.2013 (307 S 105/12, ZMR 2013, 443) und vom 19.04.2012 (307 S 21/12, ZMR 2012, 868) zur Kündigungsfrist bei Beendigung einer Bürogemeinschaft von Anwälten. 2. Was macht Ihnen an Ihrem Beruf am meisten Spaß?

Das LG Hamburg hatte im entschiedenen Fall die Kündigungsfristen im Wohn- raummietrecht nach § 573c BGB analog für Gewerbemieter herangezogen (vgl. auch Kritik von Schmolke in ZMR 2013, 610). 4. Was war das lustigste Ereignis, welches Sie in einer Gerichtsverhandlung erlebt haben? Streit um eine Darlehensrückforderung, der sich als Finanzierung eines Puffauf- enthalts mehrerer angetrunkener Kauf- leute entpuppte. 5. Reichen die derzeitigen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes aus, damit die Verwalter Ihre Wohnungsei- gentümergemeinschaften vernünftig verwalten können?

Vielen Dank, Herr Dr. Riecke.

Weitere Informationen finden Sie auch unter: https://riecke-hamburg.de/

Eher nein. Die Einzelinteressen querula- torisch oder egoistisch veranlagter Eigen-

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Richter am Amtsgericht Hamburg-Blankenese Dr. Olaf Riecke

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››› Aktuelles ‹‹‹ von Massimo Füllbeck Aus der Praxis für die Praxis Vermietungsbeschränkung und Vertragsstrafe

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Der Fall: Die Gemeinschaftsordnung der WEG Thalheimer Straße 101 sieht vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Vermietung, Verpachtung oder sonstigen Gebrauchs- überlassung seiner Wohnung nur berech- tigt ist, wenn der Verwalter zustimmt. Diese Zustimmung kann nur aus wichti- gem Grund verweigert werden. Wohnungseigentümer Q hält sich nicht an die Bestimmungen der Gemeinschafts- ordnung und vermietet seine Wohnung – ohne Zustimmung des Verwalters – regelmäßig und in kurzen Abständen an wechselnde Studenten. Wohnungseigen- tümer Q ist auch der Meinung, dass die Gemeinschaftsordnung dieVermietungs- aktivitäten nicht einschränken darf. Einige Wohnungseigentümer sind mit demVerhalten desWohnungseigentümers Q nicht einverstanden und bitten denVer- walter zu überprüfen, ob durch Be- schlussfassung eine Strafzahlung ange- ordnet werden kann, sollte weiterhin ohne Zustimmung des Verwalters eineVermie- tung bzw. Gebrauchsüberlassung statt- finden.

Abs. 7 WEG nicht die Einführung von Vertragsstrafen für Verstöße gegen Ver- mietungsbeschränkungen; ein darauf bezogener Mehrheitsbeschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig. Soweit den Wohnungseigentümern er- möglicht wird, „die Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzugs“ durch Stimmenmehrheit zu regeln, spricht schon viel dafür, dass sich diese Fallgruppe nur auf Zahlungspflich- ten bezieht. Unterlassungspflichten werden jedenfalls nicht erfasst. Die von der WEG beschlos- sene Zahlungspflicht knüpft weder an eine besondere Nutzung des gemeinschaft- lichen Eigentums noch an einen beson- deren Verwaltungsaufwand an. Sie hat vielmehr Strafcharakter und soll dieWoh- nungseigentümer dazu anhalten, ihrer Pflicht zur Einholung der Zustimmung nachzukommen. Lösung: Obwohl der Gesetzgeber in seiner Be- gründung die Vertragsstrafe vorgesehen hatte, ergibt sich aus dem Wohnungs- eigentumsgesetz des § 21 Abs. 7 WEG keine Kompetenz, entsprechende Ver- tragsstrafen durch Mehrheitsbeschluss festzulegen. Der BGH führte noch aus, dass die bei- spielhafteAufzählung vonVertragsstrafen in der Gesetzesbegründung unglücklich gewählt wurde! Der vorstehende Fall zeigt mal wieder, dass selbst die vom Gesetzgeber verab- schiedeten Gesetze nicht immer richtig angewandt werden können, da diese von den Gerichten, insbesondere dem BGH, regelmäßig „kassiert“ werden.

Einführung einerVertragsstrafe bei einem Verstoß gegen Vermietungsbeschränkun- gen. (…)

Daraufhin fasst die Wohnungseigentü- mergemeinschaft folgenden Beschluss:

„Miteigentümer, die ohne die erforderli- che Zustimmung der Verwalterin einen Mietvertrag über eineWohnung abschlie- ßen (…), sind verpflichtet, der Gemein- schaft einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 500 zu zahlen. Die Zahlungspflicht erhöht sich auf mindestens 2.000 und höchstens 4.000 für jeden angefangenen Monat der Gebrauchsüberlassung, wenn ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vorlag (…). Wohnungseigentümer Q ist mit dem Be- schluss nicht einverstanden und zieht eine Beschlussanfechtung in Erwägung. Mit Erfolg? Die Rechtslage: Grundsätzlich kann dieVermietung durch eine Vereinbarung in der Gemeinschafts- ordnung vorgeschrieben oder auch aus- geschlossen werden (Bärmann,Wohnungs- eigentumsgesetz 14. Auflage 2018; Rn. 43-46). Sollte gegen eine derartige Vereinbarung (Vermietungsbeschränkung) verstoßen werden, können dieWohnungseigentümer den Vermieter auf Unterlassung des un- zulässigen Gebrauchs des jeweiligen Sondereigentums in Anspruch nehmen. Dem ersten Anschein nach wurde in der Gesetzesbegründung zur WEG-Novelle 2007 eine Beschlusskompetenz eröffnet, wonach bei Verstößen eine entsprechen- deVertragsstrafe festgesetzt werden darf.

Der Verwalter entdeckt im Wohnungsei- gentumsgesetz den § 21 Abs. 7 WEG:

DieWohnungseigentümer können die Re- gelung der Art undWeise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen desVerzugs sowie der Kosten für eine besondere Nut- zung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungs- aufwand mit Stimmenmehrheit beschlie- ßen.

In der dazugehörigen Gesetzesbegründung (Drucksache 16/887, Seite 27) heißt es:

Nach Ansicht des BGH (Urteil vom 22.03.2019 – V ZR 105/18) erfasst § 21

(..) Die Ermächtigung zur Regelung „der Folgen desVerzugs“ ermöglicht etwa die

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