BeiratAktuell 51

››› Recht ‹‹‹ von RA Detlef Wendt Wer haftet bei gewaltsamem Zutritt zur Wohnung?

Sie kennen das: Man möchte eine Woh- nung betreten, in der Regel seine eigene. Das kann man auf vielfältige Weise be- werkstelligen. Verfügt man über einen Schlüssel, hat man Glück. Vorausgesetzt, der Schlüssel passt ins Schloss. Wurde das Schloss ohne Kenntnis des Schlüs- selinhabers ausgewechselt, nützt ihm auch der Schlüssel nichts. In diesem Fall liegt zunächst einmal Klingeln oder Klopfen nahe. Ist niemand in der Wohnung, oder ist zwar jemand anwesend, öffnet aber nicht, ist man immer noch keinen Schritt weiter. An dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen. Der gesetzestreue Bürger gibt auf und versucht es entweder später noch einmal oder ruft die Polizei, insbesonde- re, wenn es sich um seine eigeneWohnung handelt, in der er wohnt. Besteht sogar der Verdacht einer Straftat innerhalb der Wohnung, öffnet auch die Polizei die Wohnung hin und wieder in filmreifer Manier. Ein durchgeknallter, weniger bis gar nicht ans Gesetz denkende Bürger holt manchmal leider auch eine Axt aus dem Kofferraum und schlägt die Tür ein. Verfügt er über die Physiognomie eines Arnold Schwarzenegger oder Dwayne Johnson, reicht ihm im Idealfall auch etwas Anlauf und die Schulter. Das Ergebnis ist in der Regel zumindest für den Haus- oderWohnungseigentümer, unabhängig davon, ob er die Wohnung selbst bewohnt oder vermietet hat, höchst unerfreulich: Die Tür ist hinüber. Wer bezahlt jetzt den Schaden? Mit dieser Frage und einem etwas unge- wöhnlichen Fall musste sich das Ober- landesgericht Köln (26.01.1995 – 7 U 146/94) beschäftigen. Der Kläger ver- langte vom Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz von knapp 3.000 DM, weil Polizeibeamte am 20.08.1993 zwi- schen 22:30 und 23.00 Uhr gewaltsam in

seine Wohnung eingedrungen seien. Der Kläger befand sich mit seiner Familie zu der Zeit im Sommerurlaub. Die Polizei- beamten waren von den Nachbarn des Klägers gerufen worden. Diese hatten in der über ihnen liegenden Wohnung des Klägers Licht gesehen und Geräusche gehört. Sie vermuteten Einbrecher, da der Kläger sie zuvor davon informiert hatte, für einige Wochen mit seiner Familie in Urlaub zu sein. Das Licht in der Wohnung ging einige Zeit nach dem Eintreffen der ersten Po- lizeistreife aus. Auch Geräusche waren in diesemMoment nicht zu hören. Trotz- dem war man extrem sensibilisiert. Nach Eintreffen einer zweiten Polizeistreife brachen die Beamten dieTür zurWohnung des Klägers schließlich gewaltsam auf. In der Wohnung wurde niemand ange- troffen. Licht und Geräusche stammten von einem Fernsehgerät. Der Kläger hat- te den Fernseher mit einer Zeitschaltuhr gekoppelt, um so auch in seiner Urlaubs- abwesenheit für den Eindruck einer be- lebten Wohnung zu sorgen. Davon hatte er allerdings seinen Nachbarn, der die Polizei gerufen hatte, nicht in Kenntnis gesetzt. Das Landgericht hatte ursprünglich die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln vertrat jedoch eine etwas andere Auffassung. Es war der Meinung, dass der ortsabwe- sendeWohnungsinhaber zwar eine ganze Menge richtig gemacht habe, insbeson- dere dass er seinen Nachbarn erzählt habe, er sei mit seiner Familie längere Zeit in Urlaub. Leider hat er dabei auch einiges falsch gemacht. Er hat es nämlich ver- säumt, seinen Nachbarn zu informieren, dass er an seinem Fernsehgerät eine Zeit- schaltuhr installiert hatte. Die Nachbarn, die davon keine Kenntnis hatten, haben zu Recht die Polizei informiert. Und die

Polizisten durften durchaus in Betracht ziehen, dass hier jemand in der Wohnung gewesen sein könnte. Hätte der Woh- nungsinhaber die Nachbarn vollständig informiert, und hätten diese der Polizei das ebenfalls erzählt, hätte die Polizei korrekte Schlüsse ziehen können. Das Oberlandesgericht sah das Verschulden überwiegend beim Wohnungsinhaber. Dementsprechend wurde ihm lediglich ein Drittel seines Schadens zugesprochen. Zwei Drittel musste er selbst bezahlen. Merke: Wenn man schon so pfiffig ist, mit einer Zeitschaltuhr eine bewohnte Wohnung vorzutäuschen, sollte man zu- mindest dem netten Nachbarn auch dieses kleine Geheimnis verraten! Das Landgericht Köln hat am 25.05.1999 (5 O 453/98) entschieden, dass der Ver- mieter einer Wohnung den vollen Ersatz der Kosten für die Wiederherstellung einerWohnungseingangstür in Höhe eines Betrages von 554,30 DM verlangen kann, wenn die Tür bei einem Polizeieinsatz zur Festnahme eines sich in der Wohnung aufhaltenden Straftäters beschädigt wird und die Polizei davon ausgehen durfte, dass der gesuchte Straftäter von einer Schusswaffe Gebrauch machen könne. Gelegentlich vermietenWohnungseigen- tümer ihreWohnung. Dann könnte ihnen passieren, was sich 2010 irgendwo in Würzburg ereignet hat. Ein Vermieter vermietete eineWohnung an ein Ehepaar. Der Ehemann wurde gegenüber seiner Frau gewalttätig. Mithilfe des Gerichtes und der Polizei erreichte die Ehefrau, dass ihr Mann aus der Wohnung gewiesen wurde. Der Mann hatte keinen Schlüssel mehr zur Wohnung. Ohne Wissen und Wollen der Ehefrau kam er später zurück und schlug die Tür ein. Der Vermieter verlangte Schadensersatz von der Miete- rin. Er berief sich auf eine bestimmte Klausel imMietvertrag. Die besagte, dass

9

BEIRAT AKTUELL 51/II-19

Made with FlippingBook - Online Brochure Maker