BeiratAktuell 57

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BEIRATAKTUELL E n t s c h e i d e n d e I n f o r m a t i o n f ü r d e n V e r w a l t u n g s b e i r a t i m Wo h n u n g s e i g e n t u m E i n z e l p r e i s 8 , 5 5 ( i nk l . 7 % USt . )

Die Gemeinschaft als Träger der Verwaltung

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Ausgabe: 57 Quartal IV-20

Übersendung von Vergleichsangeboten

Neuigkeiten aus der Immobilienbranche

Impressum BEIRATaktuell erscheint seit 2006 viertel- jährlich und bietet entscheidende Infor- mation für Verwaltungsbeiräte imWoh- nungseigentum. Herausgeber /Verlag: Massimo Füllbeck Sachverständiger fürWohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 45475 Mülheim an der Ruhr

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Verantwortlich i. S. d. P.: Massimo Füllbeck

Massimo Füllbeck, Herausgeber

Redaktion: Massimo Füllbeck

Verehrte Leserinnen und Leser,

ein anstregendes Jahr 2020 geht zu Ende (CORONA, WEG-Reform usw.). Es bleibt zu hoffen, dass das Jahr 2021 besser wird. Wie bereits mehrfach berichtet, ist zum 1.12.2020 die WEG-Reform in Kraft ge- treten. In unserem Sonderheft gehen wir ausführlich auf die wesentlichen Veränderungen für die Praxis ein. Es ist jedoch auch geplant, in den näch- sten Ausgaben einzelne Themen der WEG-Reform 2020 zu beleuchten und insbesondere neue Erkenntnisse zu be- stimmten Themen mitzuteilen. Beginnen wird Herr RA Fritsch, der sich mit demgundlegenden Systemwechsel in der WEG-Verwaltung auseinander setzen wird. Richter Dr. Olaf Riecke erläutert dieWEG- Reform aus Sicht des Mieters. Auch die- seVeränderungen sind für die Praxis der WEG bzw. Vermieter wichtig. Darüber hinaus möchten wir Sie über einige Gesetzänderungen informieren und haben für die tägliche Praxis einige wichtige Gerichtsentscheidungen kom- mentiert undmit Praxis-Tipps versehen. Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gesundes neu- es Jahr 2021!

Abonnenten-Betreuung: Massimo Füllbeck Fon 0208 30276831 info@beirataktuell.de

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Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Ihr Massimo Füllbeck

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››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Die Gemeinschaft als Trägerin der Verwaltung Grundsätzliche Rechtsänderung durch das neue WEG i

Bis zumAblauf des 30.11.2020 galt nach demWohnungseigentumsgesetz, dass der einzelne Wohnungseigentümer als Träger der Verwaltung des gemeinschaft- lichen Eigentums anzusehen war. Denn gem. § 21 Abs. 1 WEG a.F. stand die Ver- waltung des Gemeinschaftseigentums ausdrücklich den Wohnungseigentü- mern zu. Gemäß § 21 Abs. 3 WEG waren es fol- gerichtig die einzelnen Wohnungsei- gentümer, die in der Eigentümerver- sammlung durch Beschluss die ord- nungsmäßige Verwaltung des Gemein- schaftseigentums regelten. Hieraus folgte weiter, dass gem. § 21 Abs. 4WEG jedemWohnungseigentümer ein individuell geltend zu machender und auch einklagbarer Rechtsanspruch, gerichtet auf die Vornahme von Maß- nahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zustand, und zwar gegen die übrigen Wohnungseigentümer und den Verwal- ter. Dies führte zu einer Unzahl zwischen dem einzelnen Eigentümer und seinen Miteigentümern bzw. dem Verwalter geführten Prozessen, wenn der betref- fende Eigentümer der Auffassung war, es werde nicht ordnungsgemäß verwal- tet. Eines der erklärten Ziele des Wohnungs- eigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) ist es, die Anzahl wohnungs- eigentumsgerichtlicher Streitverfahren zu vermindern. Mit den zum 1.12.2020 in Kraft getrete- nen Neuregelungen des WEMoG hat der Gesetzgeber dies, soweit die ord-

nungsmäßige Verwaltung des Gemein- schaftseigentum betroffen ist, konse- quent umgesetzt. 1. Die Gemeinschaft als Trägerin der Verwaltung In völliger Abkehr vom bisherigen Leit- bild, wonach die einzelnen Wohnungs- eigentümer (gemeinsam) Träger der Verwaltungsgeschäfte waren, sieht das neue Wohnungseigentumsrecht nun dieWohnungseigentümergemeinschaft (als eigenständige juristische Person) als Trägerin ordnungsmäßiger Verwaltung an. Die Regelungen des § 21 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 WEG a.F. wurden ersatzlos gestrichen. Anderen Stelle tritt die Re- gelung des § 18 WEG n.F. Hiernach ob- liegt die Verwaltung des gemeinschaft- lichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, welche gem. § 9a Abs. 1 WEG eine juristische Person darstellt. Der einzelneWohnungseigentümer kann nunmehr (nur) von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Verwal- tung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie eine Benutzung des gemeinschaft- lichen Eigentums und des Sondereigen- tums verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (ordnungsmä- ßige Verwaltung und Benutzung) und, soweit solche bestehen, den Vereinba- rungen und Beschlüssen entsprechen. a) Anspruchsgegner ist nur noch die Gemeinschaft Damit verliert der einzelne Wohnungs- eigentümer für die individuelle Aus-

übung verwaltungsbezogener Rechte die übrigen Eigentümer sowie den Ver- walter als Anspruchsgegner (vgl. §§ 15 Abs. 3, 21 Abs. 4 WEG a.F.), diese kann er nur noch gegenüber der Wohnungs- eigentümergemeinschaft geltend ma- chen. Dies bedeutet, dass der einzelne Woh- nungseigentümer, wenn er der Auffas- sung ist, dass gesetzliche Regelungen, Vereinbarungen oder Beschlüsse mis- sachtet werden oder sonstige Maßnah- men ordnungsmäßiger Verwaltung nicht getroffen werden, in einer Eigentümer- versammlung einen Antrag des Inhalts zu stellen hat, dass über ein Vorgehen der Gemeinschaft ein positiver Beschluss gefasst wird. b) Recht auf Belegeinsicht Amdeutlichsten wird die Änderung der Grundlagen der Verwaltung, betrachtet man die Regelung des § 18 Abs. 4 WEG. Nach bisheriger Rechtslage stand dem einzelnen Wohnungseigentümer ein unmittelbar gegenüber dem Verwalter geltend zumachender und notfalls auch individuell einklagbarer Anspruch auf Einsichtnahme in sämtliche Verwaltungs- unterlagen zu. Gem. § 18 Abs. 4 WEG n.F. richtet sich der Anspruch auf Einsicht in die Verwal- tungsunterlagen nur noch gegen die Gemeinschaft. c) Neuregelung des gerichtlichen Verfahrens. Damit geht auch eine Umgestaltung des gerichtlichen Verfahrens einher. Nach den bisherigen Regelungen der §§ 43 ff. WEG waren Anspruchs- und

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Vereinbarungen und Beschlüsse ver- pflichtet und nicht mehr (auch) gegen- über seinen Miteigentümern. Dies ist nur konsequent, denn gem. § 18 Abs. 1, 2 u. 4 WEG kann der einzelne Eigentümer seine spiegelbildlichen An- sprüche auf ordnungsmäßige Verwal- tung und Nutzung nur gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen. Dies bedeutet, dass der einzelne Woh- nungseigentümer, wenn er der Auffas- sung ist, dass gesetzliche Regelungen, Vereinbarungen oder Beschlüsse in Ansehung des Gemeinschaftseigentums missachtet werden, in einer Eigentü- merversammlung einen Beschluss über ein Vorgehen der Gemeinschaft i.S.d. § 9a Abs. 2 WEG herbeiführen muss. Wird dieser abgelehnt, bleibt nur die Erhebung der Anfechtungs- und Be- schlussersetzungsklage gem. § 44 Abs. 1 WEG (siehe oben). Da eine Vielzahl von Rechten und Pflich- ten, die für die Verwaltung des Gemein- schaftseigentums essentiell sind, ihre Grundlage ausschließlich in solchen Rechten und Pflichten haben, die dem einzelnen Eigentümer und nicht der Gemeinschaft zugewiesen sind, stellt sich in der Praxis die Frage, wie solche Rechte und Pflichten gemeinschaftlich ausgeübt werden können. a) Bisherige Rechtslage Eine Vielzahl von essentiellen, für die Verwaltung des Gemeinschaftseigen- tums notwendigen Pflichten ist rechtlich dem einzelnen Eigentümer zur indivi- duellen Wahrnehmung zugeordnet. So basiert z.B. die Verkehrssicherungs- pflicht auf demEigentum, welches nicht der Gemeinschaft, sondern nur dem jeweils im Grundbuch eingetragenen einzelnen Wohnungseigentümer zu- steht. Daher ist primär nur der einzelne Wohnungseigentümer für die Einhaltung der einschlägigen privat- und öffentlich- rechtlichen Schutz- und Sicherungs- pflichten alleine verantwortlich (z.B.: Brandschutz, Schnee- und Eisbeseiti- gung, TÜV-Prüfungen, Trinkwasserkon- trolle, etc.). 3. Die Ausübungsbefugnis der Woh- nungseigentümergemeinschaft

Foto: rechte - AdobeStock_11839941 damit Prozessgegner der Verwalter so- wie die übrigenWohnungseigentümer. Wurde u.a. eine vom einzelnen Woh- nungseigentümer gewünschteMaßnah- me abgelehnt, so konnte der betreffen- deWohnungseigentümer hiergegen die Beschlussanfechtungsklage gem. § 46 WEG, verbunden mit der Beschlusser- setzungsklage gem. § 21 Abs. 8 WEG erheben. Beklagte waren sämtliche übrigenWoh- nungseigentümer. Gemäß dem neugefassten § 44 WEG sind Beklagte der Anfechtungs-, Nich- tigkeitsfeststellungs- sowie der Beschlus- sersetzungsklage nicht mehr die übrigen Wohnungseigentümer, sondern dies ist (nur) noch die Wohnungseigentümer- gemeinschaft. Dies führt u.a. dazu, dass der klagende einzelne Wohnungseigentümer, selbst wenn er obsiegt, gemäß dem ihm zu- gewiesenen Kostenanteils auch für die Anwaltskosten des beklagten Verbands aufzukommen hat, da es sich nun um Verwaltungskosten der Gemeinschaft handelt. Die Kehrseite der Medaille stellt die mit der Verschiebung der Verwaltungskom- petenz auf die Wohnungseigentümer- gemeinschaft einhergehende Umwäl- zung der bisherigen Haftungsverhält- nisse dar. Nach der bisherigen Rechtslage hafteten die einzelnenWohnungseigentümer für d) Umstrukturierung der Haftungs- verhältnisse

eine Verweigerung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechender positiver Beschlüsse und nicht die Gemeinschaft. Fehlverhalten des Verwalters konnte der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zugerechnet werden, da der Ver- walter aufgrund eigener organschaftli- cher Kompetenzen tätig wurde. Auch das Verschulden von der Gemein- schaft beauftragter Dritter (z.B. Hand- werker, Sachverständige, etc.) konnte der Gemeinschaft nicht zugerechnet werden. Hier musste sich der einzelne Eigentümer an den jeweiligen Verursa- cher wenden. Der Verwalter sowie sonstige von der Gemeinschaft beauftragte Dritte sind nun imGegensatz zur bisherigen Rechts- lage Erfüllungsgehilfen der rechtsfähi- gen Gemeinschaft bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, deren Verschulden die Gemeinschaft sich nun gem. §§ 278, 280 BGB zurech- nen lassen muss. Auch stehen demeinzelnen Eigentümer Schadensersatzansprüche gegen die Gemeinschaft wegen einer Verletzung der Pflicht zur ordnungsmäßigen Ver- waltung zu. Dabei muss die Gemein- schaft dann jeweils Regress beim Ver- walter, Dritten und auch den eigenen Eigentümern nehmen. 2. Pflichten des einzelnen Eigentü- mers Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist der ein- zelne Eigentümer (nur!) gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Einhaltung der gesetzlichen Regelungen,

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Hier wird unschwer erkennbar, dass eine einheitliche Wahrnehmung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft das einzigeMittel ist, den o.g. Pflichten sach- gerecht nachzukommen. Umgekehrt kann sich die individuelle Ausübung von Ansprüchen, die nur je- weils den einzelnen Wohnungseigen- tümern zustehen, als wenig sinnvoll erweisen. So steht z.B. das Recht, Schadensersatz für eine Beschädigung des Gemein- schaftseigentums zu verlangen, zunächst nur den einzelnen Eigentümern zu. Daher besteht auch bei der Geltendma- chung individueller Ansprüche, die die Verwaltung des Gemeinschaftseigentum berühren, ein vitales Interesse der Ge- meinschaft an einer gebündelten Rechts- verfolgung. Zur Lösung dieser Problematik wurde mit der WEG-Novelle des Jahres 2007 die Regelung des § 10 abs. 6 S. 3 WEG eingeführt, wonach die Wohnungsei- gentümer durch Beschluss die gemein- schaftliche Ausübung der o.g. Rechte und Pflichten organisieren konnten. b) Heutige Rechtslage Der Gesetzgeber hat die nach der bis- herigen Rechtslage geltende Unterschei- dung zwischen sog. gemeinschaftsbe- zogenen Aufgaben, die von der Gemein- schaft kraft Gesetzes wahrzunehmen waren und sog. gemeinschaftsdienlichen Aufgaben, die von der Gemeinschaft aufgrund Beschlusses an sich gezogen werden konnten, aufgegeben. So übt die Gemeinschaft der Wohnungs- eigentümer gem. § 9a Abs. 2 WEG n.F. nun kraft Gesetzes alle sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentumergeben- den Rechte und Pflichten derWohnungs- eigentümer aus sowie die Rechte der Wohnungseigentümer, die eine einheit- liche Rechtsverfolgung erfordern, auch wenn sich diese Rechte nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentumergeben. Letztlich wird die im bisherigen § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG a.F. enthaltene „geborene Ausübungsbefugnis“ der Gemeinschaft, die eine gemeinschaft- liche Rechtsverfolgung zwingend erfor- dert, um die Abwehrrechte aus dem Gemeinschaftseigentum erweitert.

c) Folgen für die gemeinschaftliche Ausübungsbefugnis kraft Gesetzes Von § 9a Abs. 2 Hs. 1 WEG erfasst wird somit u.a. die Wahrnehmung der Ver- kehrssicherungspflicht des Grundstück- seigentümers, aber auch (anders als nach dem bisher geltenden Recht) die Aus- übung sämtlicher aus dem Gemein- schaftseigentum folgender Störungs- beseitigungs-, Unterlassungs- und Scha- densersatzansprüche, so u.a. Ansprüche auf Beseitigung einer baulichen Verän- derung oder Unterlassung einer stören- den Nutzung des Gemeinschaftsei- gentums (vgl. §§ 823 ff., 1004 BGB). Dies ist folgerichtig, da gem. § 18 Abs. 1 WEG die Verwaltung des Gemein- schaftseigentums der Gemeinschaft obliegt und der einzelne Wohnungsei- gentümer gem. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG nur von der Gemeinschaft einen ord- nungsmäßige Nutzung des Gemein- schaftseigentums verlangen kann. Damit wird aber in der Regel lediglich die Verfolgung von Ansprüchen wegen baulicher störender und ungenehmigter Veränderungen des Gemeinschaftsei- gentums zur Pflichtaufgabe der Gemein- schaft, da nur diese in der Praxis einen Bezug zum Gemeinschaftseigentum aufweisen. Hier vertretener Auffassung nach wird der Gemeinschaft indes nicht die Auf- gabe zufallen, die Mehrzahl von sonsti- gen Störungsbeseitigungs- bzw. Unter- lassungsansprüchen zu verfolgen. Denn der aus dem Sondereigentum basierende Störungsbeseitigungsan- spruch steht nicht der Gemeinschaft, sondern nur dem individuell betroffenen Wohnungseigentümer gegenüber dem jeweils störenden anderen Wohnungs- eigentümer zu (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Insoweit besteht nach der hiesiger Meinung keine Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft, auch nicht gem. § 9a Abs. 2 Hs. 2 WEG. Dabei ist auch die bisherige Regelung des § 14 Nr. 2 WEG a.F. ersatzlos gestri- chen worden, wonach der vermietende Eigentümer neben seinem Mieter für von diesem schuldhaft verursachte Stö- rungen in Anspruch genommenwerden könnte. Dies deshalb, weil nach der aktuellen Rechtsprechungdes BGHzumbisherigen Recht Störungsbeseitigungs- und Un-

terlassungsansprüche auch unmittelbar gegenüber Mietern individuell geltend gemacht werden können. d) Folgen für die bereits eingeleite- te Rechtsausübung Da die frühere zusätzliche „gekorene Ausübungsbefugnis“ gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 WEG a.F. von Ansprüchen, die einer einheitlichen Rechtsverfolgung nicht zwingend bedurften, ihr aber aus Praktikabilitäts- oder Kostengründen zugänglich waren, nicht mehr vorgese- hen ist, sind solche Beschlüsse sind demnach nicht mehr möglich. Das neue Wohnungseigentumsrecht enthält jedoch keinerlei Übergangsre- gelungen für den Fall, dass auf der Grundlage in der Vergangenheit gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG gefasster Beschlüs- se nach dem zum 1.12.2020 erfolgten Inkrafttreten des neuenWEG vorgegan- gen wird. Die Gesetzesbegründung vertritt hierzu die Rechtsauffassung, dass, soweit auf Grundlage des früher geltenden § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2WEG Beschlüsse gefasst wurden, diesemit Inkrafttreten der Neu- regelungen ab dem 1.12.2020 für die Zukunft ihre Wirkung analog § 134 BGB verlieren. Soweit Rechte eines Wohnungseigen- tümers durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgt werden sollen, sei dies nunmehr nur noch durch Übertragung des Rechts (Abtretung) oder Einräumung einer Prozessstand- schaft möglich. Dies bedeutet, dass z.B. die in einem laufenden Störungsbeseitigungsprozess auf der Grundlage eines Vergemein- schaftungsbeschlusses gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a.F. als Klägerin auftretende Wohnungseigentümergemeinschaft ab dem 1.12.2020 ihre Klagebefugnis ver- loren hat, sofern es um Ansprüche im Zusammenhangmit demSondereigen- tumoder umAnsprüche geht, die nicht aus dem Eigentum folgen. Dies bedeutet weiter, dass derjenige Eigentümer, welcher, nach bisheriger Rechtslage vollkommen zu Recht, einen anderenMiteigentümer auf Beseitigung einer baulichen Veränderung des Ge- meinschaftseigentums gerichtlich in

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Anspruch nimmt, seit dem 1.12.2020 seine Klagebefugnis verloren hat. e) Geltendmachung von Mängel- rechten gegenüber dem Bauträger Besonders spannend wird es, wenn die Wohnungseigentümer (nach bisherigem § 10 Abs. 6 S. 3 WEG vollkommen zu Recht) die Ausübung der den einzelnen Eigentümern gegenüber demBauträger zustehendenMängelrechte wegen Bau- mängeln am Gemeinschaftseigentum vergemeinschaftet haben. Nach dem Gesetzeswortlaut besteht seit dem1.12.2020 hierzu keine Befugnis mehr, denn die den einzelnen Woh- nungseigentümern als Erwerbern indi- viduell gegenüber dem Bauträger zu- stehenden Ansprüche fußen nicht auf dem Eigentum, sondern haben ihre Grundlage im jeweiligen Erwerbsvertrag. Die Gesetzesbegründung vertritt hierzu die Auffassung, dass diese Ausübungs- befugnis der Gemeinschaft ihre Grund- lage nicht mit demWegfall des § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 WEG a.F. verloren habe, da sie schon vor dessen Einführung der ständigen Rechtsprechung des BGH

entsprochen habe.

Ob dies von Gerichten ebenso gesehen wird, bleibt abzuwarten. 4. Fazit Die gesetzlichen Neuregelungen sind hier vertretener Auffassung nach grund- sätzlich gelungen und geeignet, eine Vielzahl nicht zielführender Prozesse zu vermeiden. Mit Blick auf die fehlende Übergangs- regelung scheint die Bestimmung des § 9a Abs. 2 WEG indes problematisch, was die gemeinschaftliche Geltendma- chung von Baumängelansprüchen ge- genüber dem Bauträger anbetrifft.

Zur besseren Übersicht: Vergleich der alten und neuen Gesetzesvorschriften WoEigG bis 30.11.2020 WEMoG ab 01.12.2020

§ 10 Abs. 6 S. 3 WEG a. F.

§ 9a Abs. 2 WEG n. F.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die gemein- schaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten derWohnungs- eigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind.

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rech- te sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.

WoEigG bis 30.11.2020

WEMoG ab 01.12.2020

§ 21 WEG a. F.

§ 18 WEG n. F.

Soweit nicht in diesem Gesetz oder durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer etwas anderes bestimmt ist, steht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Woh- nungseigentümern gemeinschaftlich zu.

Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Massimo Füllbeck

Bye..Bye..Umzugskostenpauschale

Eine generelle Umzugskostenpauscha- le von 100,- € ist unangemessen hoch (vgl LG Frankfurt, Urt. v. 01.11.2017 – 2 2-13 S 69/16).

(Berlin) vertreten daher die Ansicht, dass 100,- € nicht angemessen sind, während das LGMünchen I (Urteil vom04.09.2008 - 36 S 3314/08) 100,- € für angemessen hält. Die Entscheidung des Gerichts: Die Beschlusskompetenz war gemäß § 21 Abs. 7 WEG gegeben. Umzüge führen i. d. R. zu einer gestei- gerten Inanspruchnahme vonTreppen- häusern und Aufzügen, lassen sich selbst bei sorgfältig arbeitenden Umzugskräf- ten i. d. R. nicht vermeiden und der Auf- wand an Zeit und Kosten für die Besei- tigung von Abnutzung und Schäden lasst sich nur schwer quantifizieren. Das Gericht teilt die Auffassung, dass eine Pauschale von 100,- € eine deutliche Überschreitung darstellt und nicht mehr als maßvoll bezeichnet werden kann. Der Beschluss entsprach daher nicht ordnungsmäßiger Verwaltung undwird für ungültig erklärt. Praxis-Tipp und Änderung durch die WEG-Reform 2020: Seit in kraft treten des neuen WEMoG am 01.12.2020 können die gewohnten Umzugskostenpauschalen nicht mehr beschlossen werden, da die Beschlus- skompetenz aus § 21 Abs. 7 abgeschafft wird. Auch Umzugskostenpauschalen, die vor dem 01.12.2020 beschlossen wurden,

dürfen zukünftig nicht mehr angewandt werden. Drucksache 19/18791, S. 59: „Wenn aber keine konkreten Kosten anfallen, ist es nicht angemessen, einen zulässigen Gebrauch finanziell zu sank- tionieren.“ Soweit auf Grundlage des geltenden § 21 Abs. 7 WEG Beschlüsse gefasst wur- den, die nach dem Entwurf nicht mehr gefasst werden können, verlieren diese nach allgemeinen Grundsätzen mit In- krafttreten der Neuregelung für die Zukunft ihre Wirkung (vergleiche zu gesetzlichen Verboten Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, 2017, § 134 Randnum- mer 55); Drucksache 19/18791, S. 59).“ Seit dem1.12.2020muss also überprüft werden, welcheWohnungseigentümer- gemeinschaften die Umzugskostenpau- schale beschlossen haben und es muss eine Anmerkung in der Beschluss-Samm- lung erfolgen, dass diese Beschlüsse nicht mehr gültig sind.

AG Mitte (Berlin), Urt. v. 16.03.2020, Az. 26 C 5003/19

Der Fall: In einer Eigentümerversammlung be- schlossen die Wohnungseigentümer: „Die Wohnungseigentümerversamm- lung beschließt, dass jeder Wohnungs- eigentümer im Fall eines Bewohner- wechsels für mögliche Beeinträchtigun- gen und eine besondere Abnutzung des Gemeinschaftseigentums eine Kosten- pauschale i. H. v. 100,- € an die Eigentü- mergemeinschaft zu zahlen hat (…).“ Der klagende Wohnungseigentümer vertrat die Ansicht, dass 100,- € nicht mehr angemessen sei. Das Problem: Der BGH (Urt. v. 10.12.2010, V ZR 60/10) hat bereits 2010 entschieden, dass sich die Beschlusskompetenz für die Um- zugskostenpauschale aus § 21 Abs. 7 WEG ergibt. Im BGH-Fall war eine Umzugskosten- pauschale von 50,- € „noch“ angemes- sen. Das LG Frankfurt und das AG Mitte Der Beschluss wurde angefochten.

Unsere Autoren

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- Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Schwerpunkt: Wohnungseigentums- und Mietrecht sowie Makler- und Bauträgerrecht - Praktiker, Fachautor und Referent namhafter Tagungsveranstaltungen www.krall-kalkum.de RA Rüdiger Fritsch

- Richter am Amtsgericht Hamburg- Blankenese - Schwerpunkt: Miet- und Wohnungs- eigentumsrecht Dr. Olaf Riecke

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››› Allgemeines ‹‹‹ von Massimo Füllbeck

Neuigkeiten aus der Immobilienwirtschaft (Änderungen von Gesetzen)

Einführung Bestellerprinzip Am 23.12.2020 treten die neuen Rege- lungen (§ 656a bis § 656d BGB) für Im- mobilienmakler in Kraft. Das Gesetz führt neue Regelungen für die Verteilung der Maklercourtage beim Verkauf von Einfamilienhäusern (ein- schließlich solchen mit Einliegerwoh- nung) und Eigentumswohnungen ein (Verteilung erfolgt zukünftig 50:50 - § 656c BGB). Insbesondere ist es künftig nicht mehr möglich, dieMaklercourtage vollständig dem Käufer aufzubürden, wenn (auch) der Verkäufer den Makler beauftragt hat. Ziel des Gesetzes ist, private Käufer (gilt nur für Verbraucher) von Wohnimmo- bilien von Kaufnebenkosten zu entlasten. Ein Maklervertrag bedarf zukünftig der Textform (§ 656a BGB), muss also nicht eigenhändig unterzeichnet sein. Zensus2021 wird verschoben Die für 2021 geplante Volkszählungwird umein Jahr verschoben. Die gesetzliche Änderung ist nun in Kraft getreten. Als Folge der Corona-Pandemie konnten die Vorbereitungen für den ursprünglich vorgesehenen Zensus im kommenden Jahr nicht wie geplant durchgeführt werden. Termin ist nun der 15.05.2022.

Das neue Gebäudeenergiegesetz ist am 1.11.2020 in Kraft getreten Am 1.11.2020 ist das neue Gebäude- Energiegesetz (GEG) in Kraft getreten. Es handelt sich hierbei um eine Zusam- menführung der Energieeinsparungs- verordnung (EnEV), Energieeinsparungs- gesetz (EnEG) und Erneuerbaren-Ener- gien-Wärmegesetz (EEWärmeG). Die wichtigsten Änderungen im Über- blick: • Gas- oder Ölheizkessel, die 1991 oder später eingebaut wurden, dürfen nur 30 Jahre lang betrieben werden • Heizkessel, die vor dem 1.1.1991 ein- gebaut oder aufgestellt wurden, dür- fen dann gar nicht mehr betrieben werden. • Ausnahmen: Versorgung mit Gas / Fernwärme ist in den Objekten nicht möglich Die Vorschriften der ehemaligen Ener- gieeinsparungsverordnung wurden im Grundsatz übernommen. Eine wichtige Änderung ist zumBeispiel, dass auch der Immobilienmakler die Pflicht hat, die geforderten Pflichtanga- ben bei Immobilienanzeigen anzugeben (§ 87 GEG). Das neue Gebäudeenergiegesetz legt nun den fehlenden Grundstein, damit die geplante Novellierung der Heizko- stenverordnung in Kürze vollzogenwer- den kann. Die anstehende Novellierung der Heiz- kostenverordnung (HKVO) und die damit verbundene Umsetzung der europä- ischen Energie-Effizienz-Richtlinie wird dann bestätigen, dass ab dem 1.1.2027 nur noch fernauslesbare Erfassungsge- räte (z. B. für Heizung) eingebaut werden dürfen. Bei Neubauobjekten müssen die Erfassungsgeräte bereits jetzt schon

mit Funk angebracht werden.

Darüber hinaus können Nutzer von fern- auslesbaren Geräten vierteljährlich und halbjährlich Verbrauchsinformationen anfordern. Auch die Verbrauchsabrechnung soll weitere detailliertere Informationen er- halten. Wir berichten, sobald die Novellierung der Heizkostenverordnung verabschie- det wurde. Gebäude-Elektromobilitätsinfra- struktur-Gesetz (noch in Arbeit) Kommt eine Verpflichtung für Eigentü- mer, Vorrichtungen für den Einbau von Ladesäulen zum Laden von Elektrofahr- zeugen zu schaffen? Der aktuelle Entwurf des Gebäude- Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz sieht vor, dass bei Neubau oder "größe- rer Renovierung" von Wohngebäuden mit mehr als 10 Stellplätzen künftig jeder Stellplatz – inNichtwohngebäuden jeder 5. Stellplatz – mit Schutzrohren für Elektrokabel auszustatten ist. Zusätzlich ist in Nichtwohngebäuden mindestens ein Ladepunkt zu errichten. Bis zum1.1.2025muss jedes Nichtwohn- gebäude mit mehr als 20 Stellplätzen mit mindestens einem Ladepunkt aus- gestattet sein. Die abschließenden Beratungen sind noch nicht abgeschlossen. Es ist damit zu rechnen, dass in 2021 klar sein wird, ob die gesetzlichen Regelungen zur Elektromobilität eingeführt werden. Wir berichten, sobald es konkrete Neuigkei- ten zu dem Gesetzesentwurf gibt.

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Massimo Füllbeck

COVID 19: Eigentümerversammlung (Kann eine ETV im Freien stattfinden?)

Angesichts pandemiebedingter Ein- schränkungen für Zusammenkünfte von Menschen aus verschiedenen Haushal- ten soll eine Eigentümerversammlung unter freiem Himmel zulässig sein. Leitsätze aus NJW-Spezial, 2020, 643 AG Berlin-Wedding, Urt. v. 13.7.2020 Az. 9 C 214/20 Der Fall: Zur Vermeidung einer Ansteckung mit COVID-19 beruft der Verwalter eine Ei- gentümerversammlung auf dem Spiel- platz der Gemeinschaft ein. Eine Eigentümerin wendet sich mit der Begründung dagegen, dass der Grund- satz der Nichtöffentlichkeit verletzt wer- de. Das Problem: Seit einiger Zeit häufen sich die Urteile, die im Zusammenhang mit Problemen und Fragen rund um die CORONA-Pan- demie auftreten und nach hier vertre- tener Auffassung kaum lösbar sind. Imvorliegenden Fall musste das Gericht im Zusammenhang mit der aktuellen CORONA-Situation in Deutschland eine interessante Frage klären: Dürfen Eigentümerversammlungen im Freien abgehalten werden? Die Entscheidung des Gerichts: Das AG Berlin-Wedding weist, nachWi- derspruch, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Die Abhaltung der Eigentümerversamm- lung auf dem Spielplatz widerspricht in der aktuellen Situation nicht den Grund- sätzen einer ordnungsmäßigenVerwal- tung. Insbesondere wird der Grundsatz

der Nichtöffentlichkeit der Eigentümer- versammlung nicht verletzt. Wegen der Corona-Pandemie ist der Aufenthalt einer größeren Anzahl von Menschen in Räumen zur Vermeidung von Infektionen eingeschränkt. Die Versammlung nicht durchzuführen hätte zudem zur Folge, dass sie, jeden- falls bei Fortdauer der Kontaktbeschrän- kungen, erst mit deutlicher Verzögerung durchgeführt werden könnte. Praxis-Tipp: Aufgrund der dynamischen Situation des Pandemiegeschehens und den un- terschiedlichsten öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist kaum überschaubar, wann und unter welchen Bedingungen Eigentümerversammlung angreifbar sind. Es handelt sich sicherlich um eine Ein- zelfallentscheidung, allerdings könnte die Abhaltung der Eigentümerversamm- lung im Freien, wenn diese dann unge- stört durchgeführt werden kann, ein gutes Mittel sein, um wichtige Punkte zu verabschieden. Verwalter müssen allerdings damit rech- nen, dass Beschlüsse auf diesen„Außen- versammlungen“ angefochten werden können.

Eine 100% Rechtssicherheit stellt die vorgenannte Entscheidung nicht dar.

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››› Mietrecht ‹‹‹ von Dr. Olaf Riecke Mietermodernisierung außerhalb der Mietwohnung Änderungen im Mietrecht durch die WEG-Reform 2020

Das am 1.12.2020 in Kraft getretene WEMoG (BGBl. I, 2020, 2187) hat einen neuen § 554 BGB geschaffen: Danach kann der Mieter verlangen, dass ihmder Vermieter baulicheVeränderun- gen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behin- derungen, dem Laden elektrisch betrie- bener Fahrzeuge oder dem Einbruchs- schutz dienen. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam. § 554 BGB gilt mangels spezieller Über- gangsvorschrift ab 1.12.2020, er ist § 20 Abs.2 WEG nF nachgebildet und über- nimmt 3 privilegierte baulicheVerände- rungen aus demWEG-Recht, nicht jedoch den Anspruch auf schnelles Internet. Der Mieter erhält einen Anspruch auf Erweiterung seinesMietgebrauchs durch eigene bauliche Veränderungen (fak- tisch: Mietermodernisierung). Ohne den neuen § 554 BGB würden solche Maß- nahmendenvertragsgemäßenGebrauch überschreiten. Die Neuregelung gilt für die Gewerbe- und dieWohnraummiete. Gesondert zur Wohnung hinzugemie- tete Stellplätze/Garagenwerden erfasst. Die Zustimmung kann formfrei erteilt werden; zu Beweiszwecken ist Textform sinnvoll. Ein„berechtigtes Interesse“ des Mieters im Hinblick auf die begehrte bauliche Veränderungwird nicht mehr gefordert. Der Begriff „bauliche Veränderung“ ist weit zu verstehen; von ihmwerden auch Veränderungen der Anlagentechnik des Gebäudes erfasst. Diese bauliche Ver- änderung beschränkt sich nicht auf die Mietwohnung. Der Mieter kann etwa einenTreppenlift in demgemeinschaft- lich genutzten Treppenhaus einbauen lassen wollen. § 554 BGB meint solche baulichen Ver- änderungen, die Menschen mit Behin-

derungen (nicht zwingend nur der Mie- ter oder seine Angehörigen) den Ge- brauch der Mietsache erleichtern. Volle Barrierefreiheit muss dabei nicht erreicht werden. In der Gewerbemiete kommen insbe- sondere Zugangserleichterungen z. B. für Patienten und Kunden mit (Geh-) Behinderungen in Betracht; z.B. ein An- spruch auf Erlaubnis einer Rollstuhlram- pe im Zugangsbereich zum Aufzug. Außerdem besteht ein Erlaubnisan- spruch für Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Hierzu zählen u.a. reine Batterieelektro- fahrzeuge, von außen aufladbare Hybri- delektrofahrzeuge, Brennstoffzellenfahr- zeuge, elektrisch betriebene Zweiräder, Elektromobile für Gehbehinderte. Es geht primär um die Errichtung eines Ladepunktes (Wallbox) oder einer La- desäule nebst E-Verkabelung. In moderneren Gebäuden umfasst der Anspruch des Mieters imEinzelfall auch Maßnahmen zur Erhaltung, Verbesse- rung und Modernisierung einer bereits existenten Ladeinfrastruktur. EinModer- nisierungsanspruch wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die weitere, neue technische Maßnahme eine we- sentliche Beschleunigung des Ladevor- gangs bewirkt. § 554 BGB erfasst nur bauliche Verän- derungen einerseits imBereich der Miet- sache und/oder andererseits imBereich der Gemeinschaftsflächen, die dem Mieter vertraglich zur alleinigen oder zumindest zur gemeinschaftlichen Nut- zung zugewiesen sind. Räume und Flä- chen, deren Nutzung dem Mieter nur widerruflich gestattet wurde, sind nicht betroffen. ABER: Da § 554 BGB kein gesetzliches Umbaurecht konstituiert, darf der Mie- ter nicht sofort baulich tätig werden;

dies wäre eine Mietvertragspflichtver- letzung (§§ 280, 241 Abs.2 BGB). Versagt der Vermieter unberechtigt die Erlaub- nis, muss der Mieter Klage auf die Zu- stimmungserklärung erheben. Der Vermieter hat noch die Zeit und die Möglichkeit, Gründe für den Anspruch- sausschluss geltend zu machen. Abzu- wägen sind nämlich im Rahmen des neuen § 554 BGB die (negativen) Folgen der baulichen Veränderung auf Seiten des Vermieters gegen die (positiven) Folgen derselben Maßnahme für den Mieter. Auf Vermieterseite gilt: eine berechtig- te Zustimmungsverweigerung kann gestützt werden auf: konkrete Gefähr- dung der Verkehrssicherheit (mobile Auffahrtschienen), die nicht durch Zu- sage des Mieters kompensiert wird, er werde eine Haftpflichtversicherung abschließen, wenn durch den Umbau das Mietobjekt für Nichtbehinderte nicht mehr oder weitgehend nicht mehr im bisherigen Umfang nutzbar ist. Der Vermieter kann sich darauf berufen, dass etwa die Statik des Hauses gewis- se Arbeiten nicht zulässt; zu beachten ist auch, dass bei Einbau von Treppen- liften die nach der jeweiligen Landes- bauordnung notwendige Breite zwi- schen der Fahrschiene und dem festen Handlauf vorhanden sein muss. Muss der Handlauf bedingt durch den Einbau des Treppenliftes von der Wand auf die andere Seite umgesetzt werden, wird schnell auch in einemZweiparteienhaus die Mindestbreite der Treppe (i.d.R 80 cm) unterschritten. Der Vermieter kann sachgerechte Auf- lagen machen. Vom Mieter kann auch gefordert werden, sämtliche die Gebäu- desubstanz berührenden Arbeiten durch ein Fachunternehmen ausführen zu lassen. Keinesfalls darf der Mieter eine formell oder materiell baurechtswidrige Situation schaffen.

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Für Tiefgaragenstellplätzemuss ggf. eine Ladeinfrastruktur geschaffen werden, die Eingriffe in die vermieterseits vor- gehalten E-Installation erfordert. Wenn der Mieter die Kosten für solche Arbei- ten übernimmt, ist es dem Vermieter i.d.R verwehrt, aus diesemGrunde dem einzelnenMieter die Erlaubnis zu Schaf- fung von Ladeinfrastruktur zu verwei- gern. Für„Nachzügler“ unter denMietern könnte man § 21 Abs.4 WEG nF analog anwenden. Der Vermieter kann für sich entscheiden, statt dem Mieter die Erlaubnis zu ertei- len, selbst die begehrte Maßnahme durchführen zu lassen. Dies muss dann zeitnah erfolgen. Reines Vertrösten des Mieters reicht nicht. Die Rückbaupflicht des Mieters besteht trotz (temporärer, auf die Mietzeit be- grenzter) Zustimmung des Vermieters. Wenn der Mieter z. B. insolvenzbedingt seine Rückbaupflicht nicht erfüllt, treffen wirtschaftlich denVermieter auch Rück- baukosten. Falls der Mieter dem Ver- mieter eine Zusatzkaution in Höhe orts- üblicher Handwerkerkosten zzgl. Sicher- heitszuschlag anbietet, wären die evtl. Rückbaukosten kompensiert. Auf Mieterseite gilt: Die nicht zwingend notwendigen „berechtigte Interessen“ wie Art, Dauer (Heilungschancen) und Schwere der Behinderung, Umfang und Erforderlichkeit der Maßnahme, Dauer der Bauzeit undMöglichkeiten des Rück- baus werden beimWohnraummieter als Abwägungskriterien angesehen, eben- so die restliche/voraussichtliche Dauer des Mietverhältnisses, Entwicklung des Gesundheitszustands des Mieters oder seines Haushaltsangehörigen sowie bisherige Dauer des Mietverhältnisses und dadurch bereits aufgebaute Bin- dungen an die Umgebung. Das Umbau- interesse ist jetzt sogar generell relevant. Die Erlaubnis darf nicht verweigert wer- den, weil an der baulichenVeränderung kein anerkennenswertes Interesse be- stehe. Alternativ können sich die Parteien da- hingehend verständigen, dass der Ver- mieter diemieterseits erstrebte bauliche Veränderung durchführt und über die

Kosten eine Modernisierungsvereinba- rung treffen. Der Vermieter kann nämlich seine Kosten der„Ersatzvornahme“ nicht analog § 670 BGB vollständig und ohne Modernisierungsmieterhöhung dem Mieter belasten. Dies lässt sich schon nicht damit verein- baren, dass der Vermieter, der seine Erlaubnis mit Auflagen versieht, keinen Anspruch auf Umsetzung durch den Mieter hat. Eine Berücksichtigung der Interessen der Gemeinschaft der Woh- nungseigentümer bereits im Rahmen der Interessenabwägungen wird allge- mein als unzulässig angesehen, da § 554 BGB die Abwägung ausdrücklich nur auf die Berücksichtigung von Interessen anderer Mieter bezieht. Bei vermietetem Wohnungseigentum darf der Mieter auch eine ihm vomVer- mieter erlaubte privilegierte bauliche Veränderung erst durchführen, nachdem die Wohnungseigentümer nach § 20 Abs. 2 S. 2 WEG nF positiv hierzu Be- schluss gefasst haben. Auch ein bestandskräftiger »Zitterbe- schluss« reicht hier aus. Sind alle Tatbe- standsvoraussetzungen einschließlich einer zugunsten des Mieters ausgegan- genen Interessenabwägung für die Zu- stimmung zur Herstellung der Barriere- freiheit gegeben, kann sich der vermie- tende Wohnungseigentümer nicht er- folgreich darauf berufen, dass es ihm unmöglich sei, die Zustimmung zu er- teilen. Der Vermieter sollte ggf. nicht unter Verweis auf die WEG-Problematik die Erlaubnis zurückhalten, sondern „vor- behaltlich eines positiven Eigentümer- beschlusses“ erteilen. Selbst ein be- standskräftiger Beschluss bringt keine endgültige Sicherheit, da zumindest vor Auftragserteilung - wenn sich noch kein Vertrauen auf Seiten des Mieters mani- festiert hat - ein Zweitbeschluss möglich und nicht evident ordnungswidrigwäre. Achtung: Nur bei einer vom Vermieter bereits unbedingt und vorbehaltslos erlaubten baulichen Veränderung, die letztlich aber am Widerstand der Ge- meinschaft der Wohnungseigentümer scheitert, würde dies nach § 536 BGB

etwa zur Mietminderung führen können. Bei bloß bedingter Zustimmung des Vermieters ist der Mieter noch nicht berechtigt, in das gemeinschaftliche Eigentum einzugreifen; er muss den Genehmigungsbeschluss abwarten. Da die §§ 20, 21WEG nF bei privilegier- ten baulichen Maßnahmen einen An- spruch des vermietenden Eigentümers auf Gestattung / Vornahme solcher baulichen Veränderungen begründen, muss er diesen auch im Interesse seines Mieters durchsetzen.

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Massimo Füllbeck

Ruhestörung aus dem Sondereigentum Zuständigkeit des Eigentümers?

Die Gemeinschaft derWohnungseigen- tümer kann Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentü- mer zur Abwehr von Störungen im räum- lichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Be- schluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. In einemsolchen Fall können nur die Ansprüche verge- meinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigen- tums gerichtet sind. Der Fall: Der Klägerin gehört eine Eigentums- wohnung. Sie liegt direkt über einer von dem Beklagten gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung ausgewiesen ist. Der Beklagte vermietet dieseWohnung seinerseits an Personen weiter, die sich in einemnahegelegenen Klinikumeiner Behandlung unterziehen. Von den Untermietern sollen Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehen. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der seit dem6. Juni 2014 anhängigen Klage auf Unterlassung von Geruchs- und Lär- memissionen in Anspruch. Die WEG hatte in einer späteren Eigentümerver- sammlung diese Unterlassungsansprü- che vergemeinschaftet. Das Berufungsgericht sah die Klage mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin als unzulässig an. Hiergegen hatte die Klägerin Revision beim BGH eingereicht. Das Problem: Umstritten war, ob die Gemeinschaft jedenfalls solche Ansprüche dann an sich ziehen kann, wenn sämtliche Son- dereigentumsrechte von den Störungen, BGH, Urteil vom 24.01.2020 Az. V ZR 295/16

die unterlassenwerden sollen, betroffen sind. Dies würde dann nur die Zustän- digkeit derWEG begründen, so dass die Klägerin nicht prozessführungsbefugt wäre. Die Entscheidung des Gerichts: Der BGHhob die Entscheidung der Vorin- stanz auf und verwies den Rechtsstreit zur erneutenVerhandlung an das Beru- fungsgericht zurück. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Unter- lassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Beschluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigen- tum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind. Für dieVergemeinschaftung von Unter- lassungsansprüchen wegen Störungen, die im räumlichen Bereich ihres Son- dereigentums auftreten, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Ist der räumliche Bereich des Sonderei- gentums betroffen, kann dem Woh- nungseigentümer die Ausübungs- und Prozessführungsbefugnis für seine dar- auf bezogenen Abwehransprüche daher nicht entzogenwerden. DenWohnungs- eigentümern fehlt insoweit die Beschlus- skompetenz. Praxis-Tipp: Eine wichtige Entscheidung für die Pra- xis, die unter anderem nochmal klarge- stellt, dass die WEG oder der WEG-Ver- walter mit Lärmbelästigungen aus dem Sondereigentum nichts zu tun hat. So- weit sich also ein Eigentümer „gestört fühlt“, muss er diese Ansprüche selb-

ständig gegen den Störer geltend ma- chen. Die WEG kann nur Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums durchMehrheitsbeschluss an sich ziehen und ist dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegen- über dem Dritten. Nebenbei ergab sich aus der Entschei- dung auch, dass der Wohnungseigen- tümer berechtigt war, gegen denMieter eines anderen Wohnungseigentümers vorzugehen.

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch

Das neue Umlaufbeschlussverfahren Neuigkeiten zur der WEG-Reform 2020

Anstelle einer teildigitalen oder Präsenz- versammlung konnten die Wohnungs- eigentümer schon bislang gem. § 23 Abs. 3WEG auf das sog. Umlaufbeschlus- sverfahren ausweichen. Hiernach war auch ohne Versammlung ein Beschluss gültig, wenn alle Woh- nungseigentümer ihre Zustimmung zu diesemBeschluss in Schriftformerklären. Nachteilig an diesem Verfahren war al- lerdings, dass das Zustandekommen eines Beschlusses an hohe, in der Praxis zumeist nicht erfüllbare Anforderungen geknüpft war. Nachteilig war am bisherigen Umlauf- beschlussverfahren, dass sämtliche Ei- gentümer (auch vom Stimmrecht aus- geschlossene) mitwirken und dem Be- schluss in Schriftform (d.h., schriftliche Urkundemit Originalunterschrift; E-Mail, Fax oder digitale Übermittlung reichten nicht aus) zustimmenmussten, weshalb dies rechtssicher in der Praxis nur bei kleinen oder sehr homogenen Gemein- schaften gelang. Abzuraten war auch insbesondere von der positivenVerkündung eines schrift- lichen Umlaufbeschlusses durch den Verwalter, wenn die gesetzlich erforder- liche allseitige schriftliche Zustimmung nicht vorlag, da höchstrichterlich nicht entschieden und in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob über- haupt ein Beschluss zustande kam (sog. Nicht-Beschluss), der Beschluss nichtig oder (nur) rechtswidrig und anfechtbar war. Nach der Neufassung des § 23 Abs. 3 S. 1 WEG ist auch ohne Versammlung ein Beschluss gültig, wenn alleWohnungs- eigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Auf die oben bereits gemachten Erläu- a) Umlaufbeschlussverfahren in Textform

terungen ist Bezug zu nehmen. Somit reicht auch eine in elektronischer Form erklärte Zustimmung aus. b) Umlaufbeschlussverfahren mit einfacher Mehrheit Gem. der Neufassung des § 23 Abs. 3 S. 2 WEG hat der Gesetzgeber darüber hinaus zusätzlich versucht, einen wei- teren Mangel des Umlaufverfahrens zu beheben: die Allstimmigkeit. Gem. § 23 Abs. 3 S. 2 WEG können nun die Eigentümer beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehr- heit der abgegebenen Stimmen genügt. Die Wohnungseigentümer können da- nach beschließen, dass für einen einzel- nen Gegenstand auch im Umlaufver- fahren die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt, was die Fassung eines allgemeinen oder „Vorratsbeschlusses“ ausschließt. Die effektive Erleichterung besteht dar- in, im Einzelfall eineWiederholungsver- sammlung zu einem bestimmten Be- schlussgegenstand zu vermeiden, wenn dieVersammlung, aus welchen Gründen auch immer, sich nicht zu einer abschlie- ßenden Entscheidung in der Lage sieht. Möglich kann dies sein, weil Angebote oder zusätzliche Informationen fehlen. In solchen Fällen blieb nichts anderes übrig, als eine Entscheidung auf eine kommende, gegebenenfalls außeror- dentliche Eigentümerversammlung, zu verschieben. Dies ist jetzt nicht mehr nötig. Hier vertretener Auffassung nach kann die Regelung des § 23 Abs. 3 S. 2 WEG allerdings nicht dazu benutzt werden, über Beschlussgegenstände, die gar nicht auf der Tagesordnung der Ver- sammlung standen, einen Umlaufsbe- schluss mit den Erleichterungen der einfachenMehrheitsentscheidung her-

beizuführen. Ein solche Vorgehen wäre zwar nicht nichtig, aber rechtswidrig.

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Übersendung der Vergleichsangebote Müssen alle Angebote der Einladung in Kopie beiliegen?

Bestellung: Jahresabo für nur 10 EUR (inkl. MwSt. und excl. Versand) Bitte senden Sie das leserlich ausgefüllte Formular per Post oder Fax an: 02 08. 30 27 68 -32 Massimo Füllbeck Sachverständiger für Wohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 · 45475 Mülheim an der Ruhr Ja, hiermit bestellen wir die Zeitschrift BEIRATaktuell im Jahresabo für nur 10 Euro (inkl. MwSt. und excl. Versand). Bitte senden Sie uns ____ Exemplar(e) zum nächsten Erschei- nungstermin zu. BEIRATaktuell umfasst 16 DIN-A4-Seiten mit den Themen: Technik, WEG-Recht, Mietrecht und Wirtschaft; erscheint 4 x im Jahr und kostet somit pro Einzelheft nur 2,50 Euro! WICHTIG: Das Abonnement ist für ein Kalenderjahr gültig und verlängert sich automatisch um ein weite- res Kalenderjahr, wenn es nicht fristgerecht 3 Monate vor Ablauf gekündigt wird. Die Rech- nungsstellung erfolgt jährlich im Voraus. Dabei geht die bislang herrschende Rechtsprechung ungeachtet der Größe einer Wohnungseigentümergemein- schaft davon aus, dass bereits ein Be- schluss über ein Auftragsvolumen von mehr als 3.000,00 EUR als„Großauftrag“ anzusehen undmangels Einholung von Vergleichsangeboten den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung wider- spricht. Rechtsprechung und herrschende Leh- re vertreten die Auffassung, dass den Wohnungseigentümern vor der Verga- be größerer Aufträge zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums bzw. vor demAbschluss von anderenVerträ- gen mit einem nicht unerheblichen Kostenvolumen mehrere, mindestens aber drei Vergleichsangebote vorzulegen sind.

Abgesehen davon, dass dies derzeit in der Praxis auf teilweise erhebliche Schwierigkeiten stößt, öffnet diese Rechtsprechung querulatorisch veran- lagtenWohnungseigentümernTür und Tor für Beschlussanfechtungen, die, al- leine auf die damit im Zusammenhang stehenden Formalien gestützt, sinnvol- le und notwendige Maßnahmen auf Jahre hinaus verhindern können. Der Bundesgerichtshof hat nun jüngst zu einer solchen Formalie Stellung be- zogen (vgl.: BGH, Urt. v. 24.1.2020 - V ZR 110/19). 1. Der Fall DieWohnungseigentümergemeinschaft Wmuss einen neuenVerwalter wählen, da der bisherige nicht weiter zur Verfü- gung steht. Die Mitglieder des Verwal-

tungsbeirats werden tätig und holen drei Vergleichsangebote nebst Vertrags- mustern von geeignet erscheinenden Bewerbern ein. Diese Angebote stellen die Beiratsmitglieder in der folgenden Eigentümerversammlung detailliert vor. DieWohnungseigentümer wählen dar- aufhin mit großer Mehrheit den V zum neuenVerwalter nachWEGund beschlie- ßen den Abschluss des angebotenen Verwaltungsvertrags mit V. Eigentümer Q erhebt hiergegen Be- schlussanfechtungsklage mit der Be- gründung, dass die Entscheidung der Eigentümer einer ausreichenden Grund- lage entbehrt habe, da die Angebote nicht vollständig in Kopie sämtlichen Wohnungseigentümern vor der Ver- sammlung spätestens mit der Einladung übermittelt wurden.

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Foto: urteil_adobestock_79242019 2. Das Problem

Bei der Bestellung des Verwalters nach WEG sowie dem Abschluss des Verwal- tervertrags handelt es sich sicherlich um einewesentliche Entscheidung derWoh- nungseigentümer mit erheblichen Aus- wirkungen, zu der im Vorfeld Ver- gleichsangebote eingeholt werden sollten. Da dem vorliegend aber Genü- ge getan war, verfällt der Kläger auf die Idee, dass eine Entscheidung über meh- rere Angebote nur getroffen werden könne, wenn sämtliche Eigentümer sich mit den Angeboten längere Zeit inten- siv beschäftigen konnten, wofür min- destens 2Wochen (dieMindestladungs- frist) anzusetzen seien. Eine Entschei- dung über Angebote, die nicht innerhalb der Mindestladungsfrist oder gar erst in der Eigentümerversammlung vorgelegt werden, sei mangels hinreichender Ge- legenheit zur Prüfung niemandem zu- zumuten. Ein gleichwohl gefasster Be- schluss sei rechtswidrig. Wäre diese Rechtsauffassung zutreffend, so müssten bei der anstehenden Ent- scheidung über mehrere Beschlüsse, zu denen mehrere Angebote vorliegen, spätestens der Einladung zur Ei-gentü- merversammlung ggfls. hunderte Blatt Papier mit Angebotskopien beigefügt (und deren tatsächlicher Zugang nach- gewiesen) werden. 3. Die Entscheidung des BGH Der BGH bestätigt zwar grundsätzlich die querulantenfreundliche Auffassung, dass es bei einem Beschluss der Eigen- tümer über die Vergabe größerer Auf-

träge, wie etwa der Neubestellung des Verwalters (oder bei der Erteilung eines großen Instandsetzungsauftrags), regel- mäßig erforderlich ist, die eingeholten Vergleichsangebote den Wohnungsei- gentümern schon vor der Eigentümer- versammlung, spätestens innerhalb der Mindest-Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 S. 2WEG von 2Wochen, in Kopie vorzu- legen. Dabei macht der BGH indes eine wich- tige Ausnahme. Nach der Auffassung des BGH reicht es aber auch aus, wenn denWohnungseigentümern (zur anste- henden Neuwahl des Verwal-ters) mit der Einladung zur Eigentümerversamm- lung die Namen der Bewerber sowie die Eck-punkte ihrer Angebote mitgeteilt werden, sofern dann spätestens in der Versammlung selbst die vorliegenden Angebote aktiv zur Einsichtnahme vor- gelegt und zum Gegenstand der Dis- kussion der Eigentümer gemacht wer- den. Werden dieWohnungseigentümer näm- lich durch Bekanntgabe der Eckpunkte der Angebote informiert, so ist es, so der BGH, Aufgabe des einzelnen Woh- nungseigentümers selbst (wenn er dies wünscht), sich Kenntnis des vollständi- gen Inhalts der eingeholten Angebote zu ver-schaffen, und zwar durch Ein- sichtnahme in diese in den Geschäfts- räumen der Verwaltung. Dabei hat die- se Wohnungseigentümern, die dies wünschen, natürlich eine Kenntnisnah- me der vollständigen Angebote zu er-

möglichen.

4. Praxis-Tipp Auch wenn der BGH zur Frage der Not- wendigkeit der Einholung von minde- stens drei Vergleichsangeboten die hierzu in den letzten Jahren ergangene anderslautende Rechtsprechung igno- riert und auf diese mit keinem Wort eingeht, lässt sich aus der Entscheidung doch ein Nutzen für die Verwaltungs- praxis ziehen. Zur erforderlichen Information der Ei- gentümer im Vorfeld der Eigentümer- versammlung über vorliegende Ange- bote reicht die Mitteilung über die Person des Anbieters und den wesent- lichen Inhalt seines Angebots aus, wenn nur das Angebot spätestens in der Ver- sammlung vorgelegt wird. Insofern reicht z.B. bei Instandsetzungsmaßnahmen die Übersendung eines Preisspiegels oder Kurzfassung eines Gutachtens grundsätzlich aus. Dabei sollte aber zur Sicherheit aus- drücklich spätestens in der Einladung kommuniziert werden, dass die Mög- lichkeit besteht, sich durch Einsichtnah- me in sämtliche Unterlagen imOriginal amGeschäftssitz des Verwalters zu des- sen Bürozeiten nach vorheriger Termin- vereinba-rung umfassen zu informieren (vgl.: LG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2014 - 25 S 34/14; LG München I, Urt. v. 6.10.2014 - 1 S 21342/13WEG; AG Augs- burg, Urt. v. 17.2.2016 - 31 C 1980/15 WEG).

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