BeiratAktuell 57

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch

Das neue Umlaufbeschlussverfahren Neuigkeiten zur der WEG-Reform 2020

Anstelle einer teildigitalen oder Präsenz- versammlung konnten die Wohnungs- eigentümer schon bislang gem. § 23 Abs. 3WEG auf das sog. Umlaufbeschlus- sverfahren ausweichen. Hiernach war auch ohne Versammlung ein Beschluss gültig, wenn alle Woh- nungseigentümer ihre Zustimmung zu diesemBeschluss in Schriftformerklären. Nachteilig an diesem Verfahren war al- lerdings, dass das Zustandekommen eines Beschlusses an hohe, in der Praxis zumeist nicht erfüllbare Anforderungen geknüpft war. Nachteilig war am bisherigen Umlauf- beschlussverfahren, dass sämtliche Ei- gentümer (auch vom Stimmrecht aus- geschlossene) mitwirken und dem Be- schluss in Schriftform (d.h., schriftliche Urkundemit Originalunterschrift; E-Mail, Fax oder digitale Übermittlung reichten nicht aus) zustimmenmussten, weshalb dies rechtssicher in der Praxis nur bei kleinen oder sehr homogenen Gemein- schaften gelang. Abzuraten war auch insbesondere von der positivenVerkündung eines schrift- lichen Umlaufbeschlusses durch den Verwalter, wenn die gesetzlich erforder- liche allseitige schriftliche Zustimmung nicht vorlag, da höchstrichterlich nicht entschieden und in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob über- haupt ein Beschluss zustande kam (sog. Nicht-Beschluss), der Beschluss nichtig oder (nur) rechtswidrig und anfechtbar war. Nach der Neufassung des § 23 Abs. 3 S. 1 WEG ist auch ohne Versammlung ein Beschluss gültig, wenn alleWohnungs- eigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Auf die oben bereits gemachten Erläu- a) Umlaufbeschlussverfahren in Textform

terungen ist Bezug zu nehmen. Somit reicht auch eine in elektronischer Form erklärte Zustimmung aus. b) Umlaufbeschlussverfahren mit einfacher Mehrheit Gem. der Neufassung des § 23 Abs. 3 S. 2 WEG hat der Gesetzgeber darüber hinaus zusätzlich versucht, einen wei- teren Mangel des Umlaufverfahrens zu beheben: die Allstimmigkeit. Gem. § 23 Abs. 3 S. 2 WEG können nun die Eigentümer beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehr- heit der abgegebenen Stimmen genügt. Die Wohnungseigentümer können da- nach beschließen, dass für einen einzel- nen Gegenstand auch im Umlaufver- fahren die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt, was die Fassung eines allgemeinen oder „Vorratsbeschlusses“ ausschließt. Die effektive Erleichterung besteht dar- in, im Einzelfall eineWiederholungsver- sammlung zu einem bestimmten Be- schlussgegenstand zu vermeiden, wenn dieVersammlung, aus welchen Gründen auch immer, sich nicht zu einer abschlie- ßenden Entscheidung in der Lage sieht. Möglich kann dies sein, weil Angebote oder zusätzliche Informationen fehlen. In solchen Fällen blieb nichts anderes übrig, als eine Entscheidung auf eine kommende, gegebenenfalls außeror- dentliche Eigentümerversammlung, zu verschieben. Dies ist jetzt nicht mehr nötig. Hier vertretener Auffassung nach kann die Regelung des § 23 Abs. 3 S. 2 WEG allerdings nicht dazu benutzt werden, über Beschlussgegenstände, die gar nicht auf der Tagesordnung der Ver- sammlung standen, einen Umlaufsbe- schluss mit den Erleichterungen der einfachenMehrheitsentscheidung her-

beizuführen. Ein solche Vorgehen wäre zwar nicht nichtig, aber rechtswidrig.

BEIRATAKTUELL 57/ IV-20

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