BeiratAktuell 57

Hier wird unschwer erkennbar, dass eine einheitliche Wahrnehmung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft das einzigeMittel ist, den o.g. Pflichten sach- gerecht nachzukommen. Umgekehrt kann sich die individuelle Ausübung von Ansprüchen, die nur je- weils den einzelnen Wohnungseigen- tümern zustehen, als wenig sinnvoll erweisen. So steht z.B. das Recht, Schadensersatz für eine Beschädigung des Gemein- schaftseigentums zu verlangen, zunächst nur den einzelnen Eigentümern zu. Daher besteht auch bei der Geltendma- chung individueller Ansprüche, die die Verwaltung des Gemeinschaftseigentum berühren, ein vitales Interesse der Ge- meinschaft an einer gebündelten Rechts- verfolgung. Zur Lösung dieser Problematik wurde mit der WEG-Novelle des Jahres 2007 die Regelung des § 10 abs. 6 S. 3 WEG eingeführt, wonach die Wohnungsei- gentümer durch Beschluss die gemein- schaftliche Ausübung der o.g. Rechte und Pflichten organisieren konnten. b) Heutige Rechtslage Der Gesetzgeber hat die nach der bis- herigen Rechtslage geltende Unterschei- dung zwischen sog. gemeinschaftsbe- zogenen Aufgaben, die von der Gemein- schaft kraft Gesetzes wahrzunehmen waren und sog. gemeinschaftsdienlichen Aufgaben, die von der Gemeinschaft aufgrund Beschlusses an sich gezogen werden konnten, aufgegeben. So übt die Gemeinschaft der Wohnungs- eigentümer gem. § 9a Abs. 2 WEG n.F. nun kraft Gesetzes alle sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentumergeben- den Rechte und Pflichten derWohnungs- eigentümer aus sowie die Rechte der Wohnungseigentümer, die eine einheit- liche Rechtsverfolgung erfordern, auch wenn sich diese Rechte nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentumergeben. Letztlich wird die im bisherigen § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1 WEG a.F. enthaltene „geborene Ausübungsbefugnis“ der Gemeinschaft, die eine gemeinschaft- liche Rechtsverfolgung zwingend erfor- dert, um die Abwehrrechte aus dem Gemeinschaftseigentum erweitert.

c) Folgen für die gemeinschaftliche Ausübungsbefugnis kraft Gesetzes Von § 9a Abs. 2 Hs. 1 WEG erfasst wird somit u.a. die Wahrnehmung der Ver- kehrssicherungspflicht des Grundstück- seigentümers, aber auch (anders als nach dem bisher geltenden Recht) die Aus- übung sämtlicher aus dem Gemein- schaftseigentum folgender Störungs- beseitigungs-, Unterlassungs- und Scha- densersatzansprüche, so u.a. Ansprüche auf Beseitigung einer baulichen Verän- derung oder Unterlassung einer stören- den Nutzung des Gemeinschaftsei- gentums (vgl. §§ 823 ff., 1004 BGB). Dies ist folgerichtig, da gem. § 18 Abs. 1 WEG die Verwaltung des Gemein- schaftseigentums der Gemeinschaft obliegt und der einzelne Wohnungsei- gentümer gem. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG nur von der Gemeinschaft einen ord- nungsmäßige Nutzung des Gemein- schaftseigentums verlangen kann. Damit wird aber in der Regel lediglich die Verfolgung von Ansprüchen wegen baulicher störender und ungenehmigter Veränderungen des Gemeinschaftsei- gentums zur Pflichtaufgabe der Gemein- schaft, da nur diese in der Praxis einen Bezug zum Gemeinschaftseigentum aufweisen. Hier vertretener Auffassung nach wird der Gemeinschaft indes nicht die Auf- gabe zufallen, die Mehrzahl von sonsti- gen Störungsbeseitigungs- bzw. Unter- lassungsansprüchen zu verfolgen. Denn der aus dem Sondereigentum basierende Störungsbeseitigungsan- spruch steht nicht der Gemeinschaft, sondern nur dem individuell betroffenen Wohnungseigentümer gegenüber dem jeweils störenden anderen Wohnungs- eigentümer zu (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Insoweit besteht nach der hiesiger Meinung keine Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft, auch nicht gem. § 9a Abs. 2 Hs. 2 WEG. Dabei ist auch die bisherige Regelung des § 14 Nr. 2 WEG a.F. ersatzlos gestri- chen worden, wonach der vermietende Eigentümer neben seinem Mieter für von diesem schuldhaft verursachte Stö- rungen in Anspruch genommenwerden könnte. Dies deshalb, weil nach der aktuellen Rechtsprechungdes BGHzumbisherigen Recht Störungsbeseitigungs- und Un-

terlassungsansprüche auch unmittelbar gegenüber Mietern individuell geltend gemacht werden können. d) Folgen für die bereits eingeleite- te Rechtsausübung Da die frühere zusätzliche „gekorene Ausübungsbefugnis“ gem. § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 WEG a.F. von Ansprüchen, die einer einheitlichen Rechtsverfolgung nicht zwingend bedurften, ihr aber aus Praktikabilitäts- oder Kostengründen zugänglich waren, nicht mehr vorgese- hen ist, sind solche Beschlüsse sind demnach nicht mehr möglich. Das neue Wohnungseigentumsrecht enthält jedoch keinerlei Übergangsre- gelungen für den Fall, dass auf der Grundlage in der Vergangenheit gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG gefasster Beschlüs- se nach dem zum 1.12.2020 erfolgten Inkrafttreten des neuenWEG vorgegan- gen wird. Die Gesetzesbegründung vertritt hierzu die Rechtsauffassung, dass, soweit auf Grundlage des früher geltenden § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 2WEG Beschlüsse gefasst wurden, diesemit Inkrafttreten der Neu- regelungen ab dem 1.12.2020 für die Zukunft ihre Wirkung analog § 134 BGB verlieren. Soweit Rechte eines Wohnungseigen- tümers durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgt werden sollen, sei dies nunmehr nur noch durch Übertragung des Rechts (Abtretung) oder Einräumung einer Prozessstand- schaft möglich. Dies bedeutet, dass z.B. die in einem laufenden Störungsbeseitigungsprozess auf der Grundlage eines Vergemein- schaftungsbeschlusses gem. § 10 Abs. 6 S. 3 WEG a.F. als Klägerin auftretende Wohnungseigentümergemeinschaft ab dem 1.12.2020 ihre Klagebefugnis ver- loren hat, sofern es um Ansprüche im Zusammenhangmit demSondereigen- tumoder umAnsprüche geht, die nicht aus dem Eigentum folgen. Dies bedeutet weiter, dass derjenige Eigentümer, welcher, nach bisheriger Rechtslage vollkommen zu Recht, einen anderenMiteigentümer auf Beseitigung einer baulichen Veränderung des Ge- meinschaftseigentums gerichtlich in

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