BeiratAktuell 57

››› Mietrecht ‹‹‹ von Dr. Olaf Riecke Mietermodernisierung außerhalb der Mietwohnung Änderungen im Mietrecht durch die WEG-Reform 2020

Das am 1.12.2020 in Kraft getretene WEMoG (BGBl. I, 2020, 2187) hat einen neuen § 554 BGB geschaffen: Danach kann der Mieter verlangen, dass ihmder Vermieter baulicheVeränderun- gen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behin- derungen, dem Laden elektrisch betrie- bener Fahrzeuge oder dem Einbruchs- schutz dienen. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam. § 554 BGB gilt mangels spezieller Über- gangsvorschrift ab 1.12.2020, er ist § 20 Abs.2 WEG nF nachgebildet und über- nimmt 3 privilegierte baulicheVerände- rungen aus demWEG-Recht, nicht jedoch den Anspruch auf schnelles Internet. Der Mieter erhält einen Anspruch auf Erweiterung seinesMietgebrauchs durch eigene bauliche Veränderungen (fak- tisch: Mietermodernisierung). Ohne den neuen § 554 BGB würden solche Maß- nahmendenvertragsgemäßenGebrauch überschreiten. Die Neuregelung gilt für die Gewerbe- und dieWohnraummiete. Gesondert zur Wohnung hinzugemie- tete Stellplätze/Garagenwerden erfasst. Die Zustimmung kann formfrei erteilt werden; zu Beweiszwecken ist Textform sinnvoll. Ein„berechtigtes Interesse“ des Mieters im Hinblick auf die begehrte bauliche Veränderungwird nicht mehr gefordert. Der Begriff „bauliche Veränderung“ ist weit zu verstehen; von ihmwerden auch Veränderungen der Anlagentechnik des Gebäudes erfasst. Diese bauliche Ver- änderung beschränkt sich nicht auf die Mietwohnung. Der Mieter kann etwa einenTreppenlift in demgemeinschaft- lich genutzten Treppenhaus einbauen lassen wollen. § 554 BGB meint solche baulichen Ver- änderungen, die Menschen mit Behin-

derungen (nicht zwingend nur der Mie- ter oder seine Angehörigen) den Ge- brauch der Mietsache erleichtern. Volle Barrierefreiheit muss dabei nicht erreicht werden. In der Gewerbemiete kommen insbe- sondere Zugangserleichterungen z. B. für Patienten und Kunden mit (Geh-) Behinderungen in Betracht; z.B. ein An- spruch auf Erlaubnis einer Rollstuhlram- pe im Zugangsbereich zum Aufzug. Außerdem besteht ein Erlaubnisan- spruch für Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Hierzu zählen u.a. reine Batterieelektro- fahrzeuge, von außen aufladbare Hybri- delektrofahrzeuge, Brennstoffzellenfahr- zeuge, elektrisch betriebene Zweiräder, Elektromobile für Gehbehinderte. Es geht primär um die Errichtung eines Ladepunktes (Wallbox) oder einer La- desäule nebst E-Verkabelung. In moderneren Gebäuden umfasst der Anspruch des Mieters imEinzelfall auch Maßnahmen zur Erhaltung, Verbesse- rung und Modernisierung einer bereits existenten Ladeinfrastruktur. EinModer- nisierungsanspruch wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die weitere, neue technische Maßnahme eine we- sentliche Beschleunigung des Ladevor- gangs bewirkt. § 554 BGB erfasst nur bauliche Verän- derungen einerseits imBereich der Miet- sache und/oder andererseits imBereich der Gemeinschaftsflächen, die dem Mieter vertraglich zur alleinigen oder zumindest zur gemeinschaftlichen Nut- zung zugewiesen sind. Räume und Flä- chen, deren Nutzung dem Mieter nur widerruflich gestattet wurde, sind nicht betroffen. ABER: Da § 554 BGB kein gesetzliches Umbaurecht konstituiert, darf der Mie- ter nicht sofort baulich tätig werden;

dies wäre eine Mietvertragspflichtver- letzung (§§ 280, 241 Abs.2 BGB). Versagt der Vermieter unberechtigt die Erlaub- nis, muss der Mieter Klage auf die Zu- stimmungserklärung erheben. Der Vermieter hat noch die Zeit und die Möglichkeit, Gründe für den Anspruch- sausschluss geltend zu machen. Abzu- wägen sind nämlich im Rahmen des neuen § 554 BGB die (negativen) Folgen der baulichen Veränderung auf Seiten des Vermieters gegen die (positiven) Folgen derselben Maßnahme für den Mieter. Auf Vermieterseite gilt: eine berechtig- te Zustimmungsverweigerung kann gestützt werden auf: konkrete Gefähr- dung der Verkehrssicherheit (mobile Auffahrtschienen), die nicht durch Zu- sage des Mieters kompensiert wird, er werde eine Haftpflichtversicherung abschließen, wenn durch den Umbau das Mietobjekt für Nichtbehinderte nicht mehr oder weitgehend nicht mehr im bisherigen Umfang nutzbar ist. Der Vermieter kann sich darauf berufen, dass etwa die Statik des Hauses gewis- se Arbeiten nicht zulässt; zu beachten ist auch, dass bei Einbau von Treppen- liften die nach der jeweiligen Landes- bauordnung notwendige Breite zwi- schen der Fahrschiene und dem festen Handlauf vorhanden sein muss. Muss der Handlauf bedingt durch den Einbau des Treppenliftes von der Wand auf die andere Seite umgesetzt werden, wird schnell auch in einemZweiparteienhaus die Mindestbreite der Treppe (i.d.R 80 cm) unterschritten. Der Vermieter kann sachgerechte Auf- lagen machen. Vom Mieter kann auch gefordert werden, sämtliche die Gebäu- desubstanz berührenden Arbeiten durch ein Fachunternehmen ausführen zu lassen. Keinesfalls darf der Mieter eine formell oder materiell baurechtswidrige Situation schaffen.

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BEIRATAKTUELL 57/ IV-20

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