BeiratAktuell 57

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Massimo Füllbeck

Ruhestörung aus dem Sondereigentum Zuständigkeit des Eigentümers?

Die Gemeinschaft derWohnungseigen- tümer kann Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentü- mer zur Abwehr von Störungen im räum- lichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Be- schluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. In einemsolchen Fall können nur die Ansprüche verge- meinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigen- tums gerichtet sind. Der Fall: Der Klägerin gehört eine Eigentums- wohnung. Sie liegt direkt über einer von dem Beklagten gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung ausgewiesen ist. Der Beklagte vermietet dieseWohnung seinerseits an Personen weiter, die sich in einemnahegelegenen Klinikumeiner Behandlung unterziehen. Von den Untermietern sollen Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehen. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der seit dem6. Juni 2014 anhängigen Klage auf Unterlassung von Geruchs- und Lär- memissionen in Anspruch. Die WEG hatte in einer späteren Eigentümerver- sammlung diese Unterlassungsansprü- che vergemeinschaftet. Das Berufungsgericht sah die Klage mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin als unzulässig an. Hiergegen hatte die Klägerin Revision beim BGH eingereicht. Das Problem: Umstritten war, ob die Gemeinschaft jedenfalls solche Ansprüche dann an sich ziehen kann, wenn sämtliche Son- dereigentumsrechte von den Störungen, BGH, Urteil vom 24.01.2020 Az. V ZR 295/16

die unterlassenwerden sollen, betroffen sind. Dies würde dann nur die Zustän- digkeit derWEG begründen, so dass die Klägerin nicht prozessführungsbefugt wäre. Die Entscheidung des Gerichts: Der BGHhob die Entscheidung der Vorin- stanz auf und verwies den Rechtsstreit zur erneutenVerhandlung an das Beru- fungsgericht zurück. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Unter- lassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Beschluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigen- tum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind. Für dieVergemeinschaftung von Unter- lassungsansprüchen wegen Störungen, die im räumlichen Bereich ihres Son- dereigentums auftreten, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Ist der räumliche Bereich des Sonderei- gentums betroffen, kann dem Woh- nungseigentümer die Ausübungs- und Prozessführungsbefugnis für seine dar- auf bezogenen Abwehransprüche daher nicht entzogenwerden. DenWohnungs- eigentümern fehlt insoweit die Beschlus- skompetenz. Praxis-Tipp: Eine wichtige Entscheidung für die Pra- xis, die unter anderem nochmal klarge- stellt, dass die WEG oder der WEG-Ver- walter mit Lärmbelästigungen aus dem Sondereigentum nichts zu tun hat. So- weit sich also ein Eigentümer „gestört fühlt“, muss er diese Ansprüche selb-

ständig gegen den Störer geltend ma- chen. Die WEG kann nur Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums durchMehrheitsbeschluss an sich ziehen und ist dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegen- über dem Dritten. Nebenbei ergab sich aus der Entschei- dung auch, dass der Wohnungseigen- tümer berechtigt war, gegen denMieter eines anderen Wohnungseigentümers vorzugehen.

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BEIRATAKTUELL 57/ IV-20

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