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tümerversammlungen gefasst wurden. Dadurch werden Rechtsunsicherheit und etwaige erhebliche Nachteile und Zusatzkosten für die Gemeinschaften der Wohnungseigentümer vermieden (BT-Drs. 20/12146, S. 14). Die Beschlüsse müssen selbstverständ lich inhaltlich ordnungsmäßiger Verwal tung entsprechen. Minderheitenschutz Auf den ersten Blick scheint es relativ einfach zu sein, einen Beschluss zur Ein führung einer virtuellen Eigentümerver sammlung zu fassen. Auch die Über gangsvorschrift (§ 48 Abs. 6 WEG) sollte für die Praxis keine besondere Hürde darstellen. Der Gesetzgeber drückt sich allerdings an der einen oder anderen Stelle etwas missverständlich aus, was den Minderheitenschutz angeht. Minderheitenschutz bedeutet, dass Woh nungseigentümer nicht unbillig benach teiligt werden dürfen. Hierzu führt der Gesetzgeber folgendes aus: „Wird die Durchführung virtueller Wohnungsei gentümerversammlungen mit qualifi zierter Mehrheit beschlossen, ist auf einen angemessenen Minderheiten schutz zu achten." Einzelne Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer dürfen durch einen Beschluss über die Gestattung bezie hungsweise Durchführung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen nicht unbillig benachteiligt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob die Wohnungseigentümerinnen und -ei gentümer technisch nicht in der Lage sind, an virtuellen Wohnungseigentü merversammlungen teilzunehmen, oder ob sie virtuelle Versammlungen lediglich nicht für das am besten geeignete Ver sammlungsformat halten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine unbillige Benach teiligung nicht nur bei virtuellen Ver sammlungen, sondern auch bei Präsenz versammlungen zu prüfen ist. Beispiels weise ist es möglich, dass Wohnungsei gentümerinnen und -eigentümer wegen körperlicher Beeinträchtigungen ihre Wohnung nicht verlassen und deswegen nicht an Präsenzversammlungen teil
nehmen können.
bisherigen Rechtslage die Möglich keit, die eigenen Interessen durch einen Vertreter wahrnehmen zu las sen (BT-Drs. 20/9890, S. 19). Darüber hinaus ergibt sich aus den Gesetzes begründungen auch keine Pflicht, sondern es finden sich Formulierun gen wie„soll“ und nicht "muss" oder „wenn kein Bedarf seitens der Woh nungseigentümer angemeldet wird. Interessant ist auch der Hinweis für die Präsenzversammlung:„In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuwei sen, dass eine unbillige Benachteili gung nicht nur bei virtuellen Ver sammlungen, sondern auch bei Präsenzversammlungen zu prüfen ist. Beispielsweise ist es möglich, dass Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer wegen körperlicher Beeinträchtigungen ihre Wohnung nicht verlassen und deswegen nicht an Präsenzversammlungen teilneh men können.“ Fazit: Die Einführung der virtuellen Woh nungseigentümerversammlung ist positiv. Die Willensbildung der GdWE kann in Notfällen schneller und ko stengünstiger erzielt werden (Weg fall von Reisekosten, Reisezeiten, Raummiete wird ersetzt durch die geringen Gebühren für die Nutzung einer Software, Gebühr der außer ordentlichen Eigentümerversamm lung, bessere Visualisierungsmög lichkeiten im Online-Raum etc.). Sicherlich wird es für einige Woh nungseigentümer eine Umstellung sein. Entsprechende Nachbarschafts hilfe soll unter den Wohnungseigen tümern selbstverständlich angeboten werden. Alternativ kann man auch beschließen, dass die ordentliche Wohnungseigentümerversammlung weiterhin in Präsenz stattfindet, wäh rend außerordentliche Wohnungs eigentümerversammlungen virtuell stattfinden sollen.
In der Praxis mag es sich anbieten, Woh nungseigentümerinnen und -eigentü mern, die mitteilen, für die Teilnahme an virtuellen Wohnungseigentümerver sammlungen technische Unterstützung zu benötigen, seitens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Unterstüt zung anzubieten, die es ihnen ermög licht, an der virtuellen Versammlung in vergleichbarer Weise wie an einer Prä senzversammlung teilzunehmen. In Betracht kommt beispielsweise die Möglichkeit zur Teilnahme in den Ge schäftsräumen des Verwalters (sofern diese Räume angesichts Entfernung und Beschaffenheit dafür geeignet sind), die Teilnahme bei einer Miteigentümerin oder einem Miteigentümer, die Bereit stellung eines Teilnahmeraums oder technische Unterstützung in der Woh nung des betroffenen Wohnungseigen tümers. Die Frage der Unterstützung sollte bereits bei der Beschlussfassung erörtert werden, sofern entsprechender Bedarf angemeldet wird. Der Beschluss über die Durchführung bzw. Gestattung virtueller Wohnungseigentümerver sammlungen kann vorsehen, dass Un terstützungsmaßnahmen anzubieten sind. Selbstverständlich dürfen keine Woh nungseigentümer in ihren Grundrechten beeinträchtigt werden. Wenn bei den Beratungen zur Einführung einer virtu ellen Eigentümerversammlung aller dings beachtet werden muss, dass Un terstützungsmaßnahmen (in welcher Form auch immer) vereinbart werden müssen, wird die Organisation der Un terstützung im Umkehrschluss dazu führen, dass Hybride-Eigentümerver sammlungen stattfinden oder die virtu elle Wohnungseigentümerversammlung unter den Bedingungen nicht angenom men wird. Im ersten Gesetzesentwurf hat der Ge setzgeber noch auf Folgendes hinge wiesen: „Zudem bleibt für Fälle, in denen Unter stützung für die Teilnahme an einer virtuellen Versammlung weder durch kommerzielle Angebote noch aus dem privaten Bereich oder durch Nachbar schaftshilfe möglich ist, wie nach der
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