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››› WEG-Praxis ‹‹‹ von RAin Cathrin Fuhrländer
Lärmbelästigung und Co. – da muss sich der Verwalter kümmern, oder?
Die Wohnungseigentümer sind nach § 14 WEG verpflichtet, sich der Gemein schaft der Wohnungseigentümern ge genüber andiegesetzlichenRegelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse zu hal ten und darüber hinaus, dass Sonder- und gemeinschaftliche Eigentum so zu nutzen, dass den übrigen Eigentümern kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus gehende Nachteil erwächst. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass jeder Wohnungseigentümer von seinem Sondereigentum und auch von demgemeinschaftlichen Eigentumnur so Gebrauch machen darf, dass die an deren Eigentümern sich hierdurch nicht gestört fühlen. Die Frage, wann eine Lärmbelästigung, baulicheVeränderung oder eine zweck widrige Nutzung dieses Maß überschrei ten und wer dann tätig werden muss, führt in vielen Gemeinschaften zu Un stimmigkeiten. 1. Rückblick Jeder Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf Unterlassung einer Störung und Beseitigung einer baulichenVerän derung nach § 1004 Abs. 1 BGB. Vor dem Inkrafttreten der WEG-Reform zum 01.12.2020 konnte jeder Wohnungsei gentümer seinen Anspruch gegen einen anderen Wohnungseigentümer selbst ständig auch gerichtlich verfolgen. Er brauchte hierzu die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht. Die Ge meinschaft der Wohnungseigentümer wiederumhatte jedoch dieMöglichkeit, diese Individualansprüche einzelner Eigentümer imWege einer Beschlussfas sung zur eigenen Ausübung an sich zu ziehen. Im Falle einer solchen Be schlussfassung konnte der einzelne Ei gentümer seinen Anspruch Mangels Prozessführungsbefugnis nicht mehr gerichtlich verfolgen. 2. WEG-Reform zum 01.12.2020 Der Gesetzgeber hat mit der Einführung
des Wohnungseigentumsmodernisie rungsgesetzes (WEMoG) nicht nur die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Woh nungseigentümer übertragen, sondern ihr zugleich die Ausübung aller Rechte und Pflichten imRahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums auf erlegt sowie die Wahrnehmung der Rechte der Eigentümer, die eine gemein same Verfolgung erforderlich machen, § 9 Abs. 2 WEG. Der Verwalter ist das ausführende Organ der Gemeinschaft mit nahezu umfassender Vertretungs macht im Außenverhältnis, § 9b Abs. 1 WEG. Ob nun der unliebsame Wohnungsei gentümer stets Sonntag auf der gemein schaftlichen Gartenfläche grillt, ohne genehmigende Beschlussfassung eine Markise oder ein Klimagerät an der Fas sade des Hauses angebracht hat, oder trotz Zweckbestimmung in der Gemein schaftsordnung in seiner Wohnung im Erdgeschoss einen Kiosk eröffnenmöch te, braucht es für eine gerichtliche Durch setzung der Unterlassungs- oder Besei tigungsansprüche stets ein Handeln der Gemeinschaft derWohnungseigentümer. a. Verfolgung nur durch die Ge meinschaft der Wohnungseigentü mer Auch nach der WEG Reform bleibt es dabei, dass es sich hierbei umAnsprüche gemäß § 1004 Abs. 1 BGB der einzelnen Eigentümer handelt. Anders jedoch, als vor der Reform regelt nun § 9 Abs. 2WEG, dass diese Ansprü che nur noch durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt werden können, somit nur sie die erfor derliche Prozessführungsbefugnis für ein gerichtliches Verfahren geltendma chen kann. Der BGH hat hier bereits entschieden, dass ein einzelner Woh nungseigentümer nicht gegen einen anderen Wohnungseigentümer oder 3. Störungen des gemeinschaftli chen Eigentums
dessenMieter vorgehen kann, wenn das Sondereigentum entgegen einer Ver einbarung genutzt wird, so etwa, wenn ein Wohnungseigentümer einen Keller zu Wohnzwecken nutzt (BGH v. 28.01.2022 – V ZR 86/21). Anders wäre dies nur in den, sicherlich kaum noch vorhandenen Fällen, in de nen ein Wohnungseigentümer vor In krafttreten derWEG-Reform, mithin vor dem01.12.2020 bereits Klage imeigenen Namen erhoben hatte. Hier soll die Pro zessführungsbefugnis in einer analogen Anwendung des § 48 Abs. 5WEG solan ge fortgelten, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft derWohnungseigen tümer zur Kenntnis gebracht wird (BGH v. 07.05.2021 – V ZR 299/19). Eine ausschließliche Prozessführungs befugnis derWohnungseigentümerge meinschaft sei auch dann anzunehmen, wenn dieWohnungseigentümergemein schaft lediglich aus zwei Eigentümern besteht und zudemverwalterlos ist. Auch in dieser Konstellation kann ausschließ lich die Gemeinschaft gegen den stö renden Eigentümer (hier auf Rückbau einer ungenehmigten baulichenVerän derung) klagen. Dem einzelnen Eigen tümer fehlt die Prozessführungsbefug nis (LG Frankfurt a. M. v. 11.02.2021 – 2-13 S 46/20). Für den sich gestört fühlenden Eigen tümer bedeutet dies, dass er ohne die Mitwirkung der Gemeinschaft derWoh nungseigentümer nicht gegen den Stö rer vorgehen kann. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss daher einen positiven Beschluss fassen, ge richtlich eine Unterlassung einer Störung oder Beseitigung einer baulichen Ver änderung durchsetzen zu wollen. Noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist die Frage, welche rechtlichen b. Rechte der sich gestört fühlen den Eigentümer
BEIRATAKTUELL 65/ IV-22
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