BeiratAktuell 58

Die o.g. Bestimmungen zur Beschlussfä- higkeit sind im§ 25WEG n.F. nicht mehr enthalten, weshalb jede Eigentümer- versammlung grundsätzlich ohne Rück- sicht auf die Anzahl der anwesenden oder vertretenenWohnungseigentümer bzw. deren Stimmrechte stets be- schlussfähig ist. Allerdings ist auch hier die Auslegungs- regel des § 47 WEG mit Blick auf etwa vorgehende abweichende Vereinbarun- gen der Wohnungseigentümer in der Gemeinschaftsordnung zu beachten. Enthält die Gemeinschaftsordnung le- diglich eine Wiederholung des bislang geltenden Gesetzestextes (z.B.: „Die Versammlung ist nur beschlussfähig, wenn die erschienenen stimmberech- tigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile ver- treten.“), so ist dem kein Wille zu ent- nehmen, eine dauerhafte vom jeweiligen Stand des WEG abweichende Regelung zu treffen und es gilt die neu eingeführ- te jederzeitige Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung. Wird die Beschlussfähigkeit hingegen an besondere Voraussetzungen ge- knüpft (z.B.: „Die Versammlung ist nur beschlussfähig, wenn die erschienenen stimmberechtigtenWohnungseigentü- mer mehr als die 2/3 der Miteigentum- santeile vertreten.“), so gilt die Regelung der Gemeinschaftsordnung fort und verdrängt das neu geschaffene Recht. b) Erleichterte Formvorschriften für Voll- machten Nehmen Dritte an der Eigentümerver- sammlung teil, so ist der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Eigentümerver- sammlung zu beachten, wonach teil- nahmeberechtigt nur Wohnungsei- gentümer oder die von ihnen zulässi- gerweise bevollmächtigten Vertreter sind. Dabei war anerkannt, dass der Verwalter als Versammlungsleiter (auchohne Form- vereinbarung in der Gemeinschaftsord- nung) zur Sicherstellung der Nichtöf- fentlichkeit der Versammlung verpflich- tet war, den Nachweis des Bestehens der Vertretungsmacht durch Vorlage einer Original-Vollmachtsurkunde gem. §§ 174 S. 1, 180 S. 1 BGB zu verlangen. Dies führte in der Vergangenheit vielfach zu Streit, da die vorgelegten Vollmachts-

urkunden regelmäßig nicht den o.g. Formerfordernissen (Schriftform) ent- sprachen. Der Gesetzgeber hat durch die Neufas- sung des § 25 Abs. 3 WEG hier Abhilfe geschaffen, indem er angeordnet hat, dass ein Vollmachtsnachweis auch in Textform geführt werden kann, also auch als Fax oder per E-Mail bzw. in di- gitaler Form. Fraglich ist auch hier, wie mit abwei- chenden Regelungen der Gemein- schaftsordnung umzugehen ist. Enthält die Gemeinschaftsordnung die Regelung, dass das Bestehen der Voll- macht durch entsprechende Vollmachts- urkunde in Schriftform nachzuweisen sei, so gilt hier vertretener Auffassung nach gleichwohl das neue Recht. Zwar sehenmangels Regelung imWEG die Vorschriften des Vertretungsrechts des BGB (§§ 164 ff. BGB) keine beson- deren Formzwang für Vollmachten vor- aus, mit Blick auf die bisherige Recht- sprechung war es jedoch Rechtsstand, dass eine Vollmacht in Schriftformnach- gewiesen werdenmusste. Insofern ent- hält die Gemeinschaftsordnung, die Schriftform vorsieht, keine vom bishe- rigen Recht abweichende Regelung auf Dauer. Nach der früheren Gesetzeslage war ausschließlich vorgesehen, dass eine Eigentümerversammlung eine Präsenz- versammlung darstellt, also eine Zusam- menkunft körperlich anwesender na- türlicher Personen. Abweichende For- men der Zusammenkunft wurden nicht als Eigentümerversammlung imRechts- sinne angesehen, weshalb eine Be- schlussfassung rechtlich unwirksam, d.h. nichtig war. Gem. § 23 Abs. 1 S. 2 WEG n.F. besteht jedoch nunmehr Beschlusskompetenz, dies mit einfacher Mehrheit zu lockern, nicht aber aufzuheben. Auf dieser Grundlage kann beschlossen werden, dass einzelneWohnungseigen- tümer imWege elektronischer Kommu- nikation an der Versammlung teilneh- men und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise ausüben können. Die Beschlusskompetenz er- 3. Die teil-digitale Eigentümerver- sammlung

möglicht es aber nicht, die Präsenzver- sammlung insgesamt zugunsten einer reinen Online-Versammlung abzuschaf- fen. Das Recht jedesWohnungseigentümers, physisch an der Versammlung teilzuneh- men, steht damit nicht zur Disposition der Mehrheit. Zu einer solchen teil-virtuellen Eigen- tümerversammlung ist jedoch (mangels jeglicher Vorgaben des Gesetzgebers) zu regeln, wie eine solche Teilnahme der virtuellen Eigentümer oder deren Vertreter erfolgt, ob und wie Redebei- träge der virtuellen Eigentümer berück- sichtigt werden, wie ein Verlassen der Eigentümerversammlung festgestellt wird und wie Abstimmungen durchge- führt werden. Insbesondere über die konkret notwen- dige technische Ausgestaltung für die Online-Teilnahme müssen die Woh- nungseigentümer beschließen. Denn wenn sich die Gemeinschaft für die Eröffnung solcher Möglichkeiten entscheidet, so muss die Gemeinschaft auch die hierfür notwendigen Voraus- setzungen schaffen. Die notwendige Hard- und Software kann dabei von der Wohnungseigentü- mergemeinschaft angekauft oder ge- mietet werden.

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