BeiratAktuell 58

Sofern also imhier angegebenen Beispiel die imZeitpunkt der Errichtung der Ge- meinschaftsordnung geltende Fassung des WEG als Landungsfrist zwei Wochen vorsah, so handelt es sich beim dem Text der Gemeinschaftsordnung, die ebenfalls zwei Wochen vorsieht, nicht um eine Regelung, die eine dauerhaft vom Gesetz abweichende Regelung treffen wollte, sondern um eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes. Im Ergebnis gilt in solchen Fällen die neugeregelte Ladungsfrist von grund- sätzlich mindestens drei Wochen. 2. Formalien der Eigentümerver- sammlung In einer Eigentümerversammlung ge- fasste Beschlüsse sind nur wirksambzw. rechtmäßig, wenn bestimmte Formalien eingehalten werden. Da hierzu in der Vergangenheit eine Vielzahl gerichtlicher Auseinanderset- zungen zu verzeichnen war, hat es sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt, mit der Neuregelung des Wohnungsei- gentumsrechts auch einige der bisheri- gen formalen „Klippen“ der Abhaltung von Eigentümerversammlungen zu entschärfen. a) Fortfall der Beschlussfähigkeit Nach dembislang geltenden Recht mus- ste zur Beginn der Eigentümerversamm- lung (sowie auchwährend der Versamm- lung für jeden einzelnen Tagesordnungs- punkt) geprüft werden, ob überhaupt die gem. § 25 Abs. 3 WEG a.F. notwen- dige sog. Beschlussfähigkeit vorhanden war. Diese war nur gegeben, wenn in der Versammlung durch die anwesenden oder vertretenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehr als die Hälf- te der Miteigentumsanteile vertreten war. Wurden gleichwohl Beschlüsse gefasst, so waren diese ohne weiteres rechtswidrig und anfechtbar. In der Praxis kames bei entsprechendem Desinteresse der Wohnungseigentümer regelmäßig dazu, dass Eigentümerver- sammlungenmangels Beschlussfähigkeit nicht durchgeführt werden und zu einer sog. Wiederholungsversammlungeingeladen werdenmusste, die dann ohne Rücksicht auf die Anzahl der erschienenen oder vertretenen Stimmrechte beschlussfähig war.

Foto: rechte - AdobeStock_11839941 lich durch Beschluss ein Wohnungsei- gentümer zur ersatzweisen Einberufung einer Eigentümerversammlung ermäch- tigt werden darf. Diesen Beschluss sollten dieWohnungs- eigentümer nicht erst dann ins Auge fassen, wenn es schon zu spät ist. Rein vorsorglich kann und sollte ein solcher Beschluss als „Vorratsbeschluss“ getrof- fen werden. c) Die Ladungsfrist Nach dem bisherigen Rechtsstand be- trug die Ladungsfrist zur Eigentümer- versammlung, sofern nicht ein Fall be- sonderer Dringlichkeit vorliegt, minde- stens zwei Wochen. Gemäß der Neufassung des § 24 Abs. 3 WEG ist nun mit einer Frist von minde- stens drei Wochen, abgesehen von Fäl- len besonderer Dringlichkeit, zu laden. Nach demWillen des Gesetzgebers soll dadurch dieMöglichkeit der Wohnungs- eigentümer verbessert werden, sich auf die Versammlung vorzubereiten. In der Praxis wird sich nun häufig die Frage stellen, ob die neue Ladungsfrist von drei Wochen auch tatsächlich An- wendung findet, denn in der absoluten Mehrzahl aller Fälle enthält die Gemein- schaftsordnung der betreffendenWoh- nungseigentümergemeinschaft eine abweichende Regelung, wonach die Ladungsfrist zur Eigentümerversamm- lung auf ein oder zwei Wochen festge- legt wird.

Formalien der Einladung und Abhaltung von Eigentümerversammlungen grund- sätzlich abdingbar sind, also insbeson- dere durch Vereinbarung im Rahmen der Gemeinschaftsordnung abweichend vomGesetz abgeändert werden können und die geänderten Vorschriften dann Vorrang vor den gesetzlichen Regelun- gen haben. Hierzu regelt § 47 WEG, dass Vereinba- rungen, die vor dem1.12.2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschrif- tendieses Gesetzes abweichen, die durch das WEMoG geändert wurden, einer Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1.12.2020 an geltenden Fassung nicht entgegenstehen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wil- le ergibt, was allerdings im Regelfall nicht anzunehmen sei. Übersetzt heißt dies, dass aus der vom heutigen Gesetzestext (3 Wochen La- dungsfrist) abweichenden Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung (hier: 2 Wochen) hervorgehenmuss, dass damit eine vom damaligen Gesetzestext ab- weichende Regelung getroffen werden sollte. In aller Regel wiederholen aber die Be- stimmungen der Gemeinschaftsordnung nur den zur Zeit ihrer Errichtung ohne- hin geltenden Gesetzesstand. Ist dies der Fall, so kann gem. § 47 WEG nicht angenommen werden, dass eine dau- erhafte abweichende Regelung für die betreffende Wohnungseigentümerge- meinschaft unabhängig davon, was jeweils das Gesetz regelt, getroffen werden sollte.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Vorschriften u.a. zu den

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