BeiratAktuell 58

Rechtsanwalt mit der Auslegung beauf- tragen. Dessen Gutachten bindet aller- dings ebensowenigwie ein„Auslegungs- beschluss“ der Eigentümer. Einfacher ist es, wenn die Eigentümer nach Aufklärung über die Rechtsproble- me bei der Anwendung der Gemein- schaftsordnung seitens des Verwalters, ihmqua Beschluss eineWeisung erteilen, wie eine konkrete Regelung der Gemein- schaftsordnung von ihm künftig ange- wendet werden soll. 5. Frage BEIRATaktuell: Bauliche Veränderungen können seit dem 1.12.2020 gemäß § 20 Abs. 1 WEG mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Die Kostentragung ergibt sich aus § 21 WEG. Viele Wohnungseigentümerge- meinschaften werden es sicherlich be- fremdlich finden, dass bauliche Verän- derungen – auch wennmöglicherweise feststeht, dass alleWohnungseigentümer an den Kosten zu beteiligen sind - nicht aus der Rücklage finanziert werden dür- fen.Welche praktischen Lösungen – ne- ben einer Sonderumlage – können die Verwalter der WEG für diesen Fall vor- schlagen? Die Erhaltungsrücklage darf grundsätz- lich nur für die Finanzierung von Erhal- tungsmaßnahmen (Instandsetzung, Instandhaltung) eingesetzt werden. An deren Kosten sind in der Regel alle Ei- gentümer nach einem festgelegten Verteilerschlüssel (oft Miteigentumsan- teile) beteiligt. § 21 WEG regelt dies im Grundsatz bei baulichenVeränderungen komplett an- ders. Wer mit „Ja“ abgestimmt hat, der zahlt auch mit (Ausnahmen: Amortisa- tion in ca. 10 Jahren; Vorliegen einer doppelt-qualifizierten Mehrheit für die Maßnahme). Neben der Sonderumlage als Nachtrag zum Wirtschaftsplan können die Woh- nungseigentümer auch die Mittel der Erhaltungsrücklage per Beschluss um- widmen und sie als Mittel für eine bau- liche Veränderung verwenden. Es muss Antwort Dr. Riecke:

dann nur eine „eiserne Reserve“ als Rücklage verbleiben. 6. Frage BEIRATaktuell: Seit dem 1.12.2020 unterscheidet man nur noch zwischen Erhaltungsmaßnah- men (§ 19 Abs. 1 WEG) und Baulicher Veränderung (§ 20 WEG). In der Literatur ist jetzt schon streitig, wohin die Modernisierende Instandset- zung (§ 20 Abs. 3WEG a. F.) eingeordnet werdenmuss.WelcheMeinung vertreten Sie zu diesem Thema? Wenn „Erhaltungsmaßnahmen“ - defi- niert in § 13 Abs.2WEG n.F. - nicht unter § 20 WEG n.F. fallen, dann ist die frühe- re modernisierende Instandsetzung gemäß § 22 Abs.3WEG a.F. auf den ersten Blick kein Fall der „baulichen Verände- rung“; der Gesetzgeber sieht dies jedoch anders (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 67; Abramenko, WEG-Reform 2020, § 4 Rn. 3). Das WEMoG hat die modernisierende Instandsetzung als eigene Kategorie aufgegeben. Erhaltung und bauliche Veränderung erfolgen (hier quasi zeit- gleich bzw.) in einem Zuge. Einfacher: Die Durchführung der baulichenVerän- derung schließt die Erhaltungsmaßnah- me logisch mit ein (Lehmann-Richter/ Wobst,WEG-Reform2020, § 12 Rn. 1293, 1295, 1296). Das überzeugt, obwohl die Absichten des Gesetzgebers auch klarer imGesetzeswortlaut ihren Niederschlag hätten finden können. 7. Frage BEIRATaktuell: Seit dem 1.12.2020 können Abwehran- sprüche (z. B. Unterlassung oder Besei- tigung) in Bezug auf das gemeinschaft- liche Eigentum nur noch von der WEG geltend gemacht werden. Abwehran- sprüche in Bezug auf das Sondereigen- tum nur der Wohnungseigentümer selbst. Gilt dies auch, wenn in der Haus- ordnung Ruhezeiten geregelt sind und ein Wohnungseigentümer oder Mieter Antwort Dr. Riecke:

Die Hausordnung ist rechtlich nur ein Bündel von Gebrauchsregelungen der Wohnungseigentümer. Verstößt ein Wohnungseigentümer gegen die durch die Hausordnung festgelegten Ruhezei- ten, kann er von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – soweit das ge- meinschaftliche Eigentum tangiert - ist als Störer belangt werden. Der einzelne sich gestört fühlendeWoh- nungseigentümer kann den Anspruch hingegen nur in Bezug auf eine konkre- te Störung seines Sondereigentums allein/selbst geltend machen. Der Mieter als Dritter ist an eine Haus- ordnung der Gemeinschaft der Woh- nungseigentümer nicht vertraglich gebunden. Selbst wenn seinMietvertrag auf diese Hausordnung verweist, gilt dies nur gegenüber dem vermietenden Eigentümer. Aber: Kein Mieter kann gegenüber der Gemeinschaft derWohnungseigentümer mehr Recht haben als sein vermietender Eigentümer! 8. Frage BEIRATaktuell: Gemäß § 27 Abs. 2 WEG können die Wohnungseigentümer die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters nach § 27Abs. 1WEGdurchBeschluss einschrän- ken oder erweitern. Die Literatur und Verwalterverbände haben bereits darauf reagiert und schlagen vor, dass die Auf- gaben und Befugnisse im Innenverhält- nis nur nochüber Organisationsbeschlüs- se in der Eigentümerversammlung ge- fasst werden sollen.Welcher Sinn steckt dahinter? Regelungen zu dieser Thematik imVer- waltervertrag können nicht in Bestands- kraft erwachsen, nach Ablauf der An- fechtungsfrist (1 Monat); Beschlussin- halte dagegen schon. Der Verwalterver- trag unterliegt auch noch Jahre später im Rahmen der konkreten Anwendung der AGB-Kontrolle. Die Gemeinschaft (Verband) gilt als regelmäßig Verbrau- cher, was eine schärfere Inhalts-Kontrol- le bedeutet. Antwort Dr. Riecke:

dagegen verstößt? Antwort Dr. Riecke:

BEIRATAKTUELL 58/ I-21

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