BeiratAktuell 58
››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ WEG-Reform 2020 Interview mit Dr. Olaf Riecke (Herausgeber ZMR)
1. Frage BEIRATaktuell: Bekanntlich ist zum 1.12.2020 das neue Wohnungseigentumsgesetz in Kraft getreten. Welche wesentlichen Ände- rungen sind demGesetzgeber gelungen und welche könnte man unter die Ka- tegorie „fragwürdig“ einordnen? Positiv: Der Verband (= die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) ist jetzt in vollem Umfang rechtsfähig, d.h. sie kann eige- ne und fremde Rechte der Wohnungs- eigentümer in Bezug auf das gemein- schaftliche Eigentumwahrnehmen. Der Verwalter ist quasi Geschäftsführer die- ses der juristischen Person (etwa GmbH) angenäherten Verbands. Abstimmungen sind vereinfacht worden. Für die Beschlusskompetenz genügt immer die einfache Mehrheit. Sog. Zit- terbeschlüsse darf und soll der Verwal- ter als Versammlungsleiter verkünden. Auch die Eigentümerversammlungwird mittelbar positiv verändert. Einfache Vollmachten in Textform (whatsApp, email etc.) genügen. Die Originalvollmacht kann nicht mehr verlangt werden. Beschlussfähigkeit ist in der Regel immer zu bejahen, wenn nicht eine Alt-Vereinbarung noch wirk- sam bleibt, die Abweichendes regelt. Das Recht der baulichen Veränderung wurde flexibler gestaltet. Es droht nicht mehr die„Versteinerung“ desWohnungs- eigentums durch faktisch früher oft erforderliche Einstimmigkeit bei Bau- maßnahmen außerhalb der Instandset- zung/Erhaltung. Das neue WEG reduziert durch neue Beschlussgegenstände (Vorschüsse bzw. Nachschüsse zur Kostentragung) basie- rend aufWirtschaftsplan und Jahresab- rechnung die Erfolgsaussichten von Beschlussanfechtungsklagen. Antwort Dr. Riecke:
Negativ: Es sollen sich 10%der ca. 500.000WEGs ohne Verwalter sein bzw. sich selbst verwalten. Meist Doppelhaushälften oder Kleinanlagen mit 3-15 Einheiten/ Sondereigentume. Für diese Gruppe enthält das neueWEG keine ausreichen- den Regelungen. 2. Frage BEIRATaktuell: Was meint der Gesetzgeber, wenn er in § 29 Abs. 2 S. 1 WEG schreibt: „Der Ver- waltungsbeirat unterstützt und über- wacht den Verwalter bei der Durchfüh- rung seiner Aufgaben.“ Während der Verwalter den Beirat weder kontrolliert noch überwacht, besteht umgekehrt eine entsprechende Pflicht des Beirats (§ 29 Abs. 2 S. 1 WEG n.F.). Hierbei handelt es sich allerdings nur umeine symbolische und unnötige Ge- setzgebung (so auch Hügel/Elzer, WEG 3. Aufl. § 29 Rn.42). § 29 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 WEG verleiht den Verwaltungsbeiräten nicht das Recht, sich die Kompetenzen des Ver- walters anzueignen; der Beirat darf sich insbesondere nicht in das operative Geschäft einmischen. Er hat nur dieMitwohnungseigentümer zu informieren und auf Beschlüsse hin- zuwirken. Eine Abmahnung gegenüber dem Verwalter darf er allerdings ohne Beschluss aussprechen. Welchen Umfang die Pflicht des Beirats zur „Überwachung“ nach § 29 Abs. 2. S. 1 WEG n.F. hat und wodurch sie ausge- füllt wird, beantwortet die Neuregelung und die Begründung des Gesetzes indes nicht ausdrücklich. Eine Ausweitung des konkreten Pflichtenkreises des Beirats in Form von aktiver Kontroll- und Über- wachungstätigkeit könnte sich ergeben, Antwort Dr. Riecke:
wenn der Beirat Kenntnis von früheren Pflichtverletzungen des Verwalters hat und deswegen Schaden für die Gemein- schaft droht. 3. Frage BEIRATaktuell: Die wichtigsten Aufgaben des Verwal- tungsbeirates besteht darin, den Wirt- schaftsplan und die Jahresabrechnung zu überprüfen. Der seit dem 1.12.2020 zu erstellendeVermögensbericht ist nicht Bestandteil der Jahresabrechnung und nach demGesetz nicht von der Prüfung durch den Verwaltungsbeirat umfasst. Handelt es sich hier um einen redaktio- nellen Fehler des Gesetzgebers? Nein. DieWohnungseigentümer können ja zusätzliche Pflichten des Beirats ver- einbaren (selten) oder beschließen (in den meisten Fällen) bis hin zu einem richtigen Katalog im Beiratsvertrag. Der Gesetzgeber wollte das Organ„Bei- rat“ nicht mit einem zu hohen Pflichten- programm versehen. Das Amt sollte attraktiv sein/werden. Die Kontrolle des Vermögensberichts macht Sinn. Wer früher denVermögensstatus als Teil der Abrechnung ansah, wird dies heute eher bejahen. Weisungen an den Beirat können qua Beschluss erfolgen. 4. Frage BEIRATaktuell: Wie sollen Verwalter und Verwaltungs- beiräte sich verhalten, wenn das neue Wohnungseigentumsgesetz von den Vereinbarungen in der Gemeinschafts- ordnung abweicht (z. B. bei der Einla- dungsfrist etc.)? Der Verwalter ist in der Regel kein Jurist, kann die WEG dann einen Rechtsanwalt mit der Auslegung beauftragen. Welcher Weg wäre hier gangbar aus Ihrer Sicht? Antwort Dr. Riecke:
Natürlich kann dieWEG (Verband) einen
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BEIRATAKTUELL 58/ I-21
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