BeiratAktuell 56

ne Bedenken gegen die Abhaltung von Eigentümerversammlungen (unter Auf- lagen) hat, kann auch dem jeweiligen Wohnungseigentümer (auch wenn er einer sog. Risikogruppe angehört) eine Teilnahme zugemutet werden, zumal es keine Pflicht zum persönlichen Erschei- nen gibt und sich der Wohnungseigen- tümer vertreten lassen kann 10 . Umgekehrt dürfte die Frage der Höhe der Kosten mit Blick auf die aus § 24 Abs. 1 WEG resultierende Pflicht zur Abhaltung zu- mindest einer Eigentümerversammlung pro Jahr auch keine Unzumutbarkeit für die übrigen Wohnungseigentümer be- gründen. c) Fehlende Notwendigkeit Hier vertretener Auffassung nach kann jedoch zu berücksichtigen sein, dass die Nicht-Abhaltung der zwar gesetzlich jähr- lich vorgesehenen, letztlich aber im Ein- zelfall objektiv nicht erforderlichen Ei- gentümerversammlung dem Verwalter nicht zumVorwurf gemacht werden kann. Die Einberufung einer objektiv nicht er- forderlichen Eigentümerversammlung verstößt nach einer hierzu vertretenen Rechtsauffassung (der hier gefolgt wird) nämlich gegen die dem Verwalter (und auch den übrigenWohnungseigentümern) obliegende Pflicht zum Schutz der Eigen- tümergemeinschaft vor unnötigen Ver- waltungskostenaufwand 11 . Dabei ist hier vertretenerAuffassung nach insbesondere zu berücksichtigen, ob tat- sächlich und welche gewichtigen Tages- ordnungspunkte einer Beschlussfassung bedürfen sowie ob diese den entstehenden

erheblichen Kostenaufwand für die Durch- führung der Eigentümerversammlung rechtfertigen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Aufforderung zur Abhaltung ei- ner Eigentümerversammlung rechtsmiss- bräuchlich sein kann, wenn tatsächlich keinerlei relevante Beschlussgegenstände zur Entscheidungsfindung anstehen 12 . 4. Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass, sofern die öffentlich-rechtlichenAuflagen erfüllt werden können, grundsätzlich von einer Pflicht desVerwalters zurAbhaltung einer Eigentümerversammlung (im Jahre 2020) auszugehen ist, sofern nicht die vorstehend behandeltenAusnahmen ein- greifen. Das oben gefundene rechtliche Ergebnis wird indes in der Praxis regel- mäßig nicht überzeugen. Abgesehen von den faktischen Problemen, die die Suche nach geeignetenVeranstal- tungsräumen mit sich bringt, werden die hohen Kosten der CoronakonformenAb- haltung einer Eigentümerversammlung von denWohnungseigentümern regelmä- ßig nicht akzeptiert. 5. Alternative Lösungsmöglichkeiten Daher entspricht es einem dringenden Bedürfnis der Praxis, Verwaltern, Beirä- ten und Wohnungseigentümern flexible und praxisorientierte Lösungen anzu- bieten. a) Schriftliches Beschlussverfahren So kann zunächst daran gedacht werden, die Beschlussfassung in der Eigentümer- versammlung durch das sog. schriftliche 16 Rechtswidrigkeit: LG Hamburg, Urt. v. 12.7.2017 - 318 S 31/16, ZMR 2017, 828; LG Karlsruhe, Urt. v. 7.7.2017 - 7 S 74/16, ZWE 2017, 362; AG Hamburg-Barmbek, Beschl. v. 16.3.2007 - 881 II 34/06, ZMR 2009, 406; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, Rn. 116.

Umlaufbeschluss-Verfahren gem. § 23 Abs. 3 WEG zu ersetzen.

aa) Nachteile des schriftlichen Beschlussverfahrens

Nachteilig ist am schriftlichen Beschlus- sverfahren, dass sämtliche Eigentümer (auch vom Stimmrecht ausgeschlossene) mitwirken und dem Beschluss in Schrift- form (d.h., schriftliche Urkunde mit Ori- ginalunterschrift; E-Mail, Fax oder digi- tale Übermittlung reichen nicht aus) zustimmen müssen, der für seine Wirk- samkeit auch der (schriftlichen) Verkün- dung bedarf 13 , weshalb dies rechtssicher in der Praxis nur bei kleinen oder sehr homogenen (und anfechtungsfreien) Ge- meinschaften gelingen wird. Abzuraten ist hier vertretener Auffassung nach von der positivenVerkündung eines schriftlichen Umlaufbeschlusses durch denVerwalter, wenn die gesetzlich erfor- derliche allseitige schriftliche Zustimmung nicht vorliegt, da höchstrichterlich nicht entschieden und in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob überhaupt ein Beschluss zustande kommt (sog. Nicht- Beschluss) 14 , der Beschluss nichtig 15 oder (nur) rechtswidrig und anfechtbar ist 16 . Dies insbesondere wegen der für den Verwalter fatalen Haftungsfolgen der Verkündung und Durchführung eines überhaupt nicht gefassten oder nichtigen Beschlusses sowie aufgrund der denVer- walter unabhängig von § 49Abs. 2WEG treffenden Schadensersatzpflicht für die Verkündung ersichtlich rechtswidriger Beschlüsse 17 .

15 Nichtigkeit: LG München I, Urt. v. 18.7.2013 - 36 S 20429/12 WEG, ZMR 2014, 53.

17 BGH, Urt. v. 8.2.2019 - V ZR 153/18, ZMR 2019, 696; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 23 Rn. 180 f.

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BEIRAT AKTUELL 56/III-20

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