BeiratAktuell 56

››› Mietrecht ‹‹‹ von RA Lenard Schulze Update: Schönheitsreparaturen (Wann muss die Wohnung renoviert werden?)

Der Bundesgerichtshof verkündete am 8. Juli 2020 zwei Urteile, VIII ZR 163/18 undVIII ZR 270/18. Über sie wurde auch in der Presse, dies aber teilweise missver- ständlich, berichtet. 1. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichts- hofs ist unter anderem für Wohnraum- mietrecht zuständig und entschied, dass ein Mieter, dem bei Mietbeginn eine unrenovierte Wohnung überlassen wur- de, auf den die Durchführung von Schön- heitsreparaturen nicht wirksam abge- wälzt wurde, vomVermieter die Durch- führung von Schönheitsreparaturen verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszu- standes eintrat. Allerdings muss er sich in diesem Fall an den hierfür anfallenden Kosten beteiligen, wobei im Regelfall von einer hälftigen Kostenbeteiligung auszugehen ist. In den vom Bundesgerichtshof beurteilten Fällen handelte es sich umMieter, die 1992 bzw. 2002 ihreWohnungen unrenoviert anmie- teten. In beiden Fällen war den Mietern die Durchführung der Schönheitsrepara- turen im Formularmietvertrag übertragen worden. Der Bundesgerichtshof bestätigte in bei- den Urteilen, dass die formularmäßige Schönheitsreparaturklausel unwirksam ist, wenn dem Mieter die Wohnung un- renoviert überlassen wird. Dies begründet er damit, dass durch die Regelung vom gesetzlichen Leitbild, § 535 I 2 BGB, abgewichen wird und der Mieter dafür keinen angemessenen finan- ziellen Ausgleich erhält. § 535 I 2 BGB lautet: „Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während

der Mietzeit in diesemZustand zu erhalten.“

Wenn keine Besonderheiten vorliegen, soll dies eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten. Dies hat zur Folge, dass für den Fall, dass der Mieter die Vornahme von Schönheitsreparaturen durch den Vermieter fordert, der Vermieter eine Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden kann. Verlangt ein Mieter von dem Vermieter, wenn dieser sich in Verzug befindet, die Zahlung eines Kostenvorschusses, führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten. Wir halten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für dogmatisch problematisch, auch argu- mentativ für schwierig, weil ein Mieter, der eineWohnung unrenoviert übernimmt, diesen Zustand als vertragsgemäß akzep- tiert, damit auch, daß sich der unreno- vierteAnfangszustand weiter verschlech- tert, weil dies zwangsläufig ist, es der Mieter auch durch sein Wohnverhalten beeinflusst. Es könnte argumentiert werden, dass ein Anspruch des Mieters nur bestehen darf, wenn mindestens Substanzschäden vor- zubeugen ist. Die Urteile sollten aber pragmatisch behandelt werden: Die deutschen Mietgerichte werden sich an den Entscheidungen des BGH orien- tieren, so dass Wohnungen einem Mieter entweder bei Mietbeginn stets frisch re- noviert überlassen werden sollten oder, wenn dazu keine Bereitschaft oder keine Möglichkeit besteht, sollte dem Mieter bei Mietbeginn ein angemessener Aus- gleich gewährt werden, der ihn so stellt, als hätte der Vermieter ihm eine renovier- te Wohnung überlassen. Letzteres wird in der Praxis nicht möglich sein: Der Mieter soll Miete zahlen, kein Geld erhalten.

Von dieser Verpflichtung, „sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhal- ten“ wird in nahezu sämtlichen deutschen Wohnraummietverträgen abgewichen, indem der Mieter stets zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet wird. Da die Klausel bei der Überlassung einer unrenoviertenWohnung unwirksam ist, tritt an ihre Stelle die vorstehend zi- tierte, gesetzlich normierte, Erhaltungs- pflicht des Vermieters, die aber nur dar- in bestehen kann, den Zustand der Woh- nung herzustellen, in dem sie sich im Zeitpunkt ihrer Überlassung an den Mieter befand. Der Mieter hatte sich bei Anmietung da- mit abgefunden, dass ihm die Wohnung unrenoviert überlassen wird. In diesem Zustand hatte er sie besichtigt und ange- mietet. Die Wiederherstellung des (ver- tragsgemäßen)Anfangszustandes, nämlich einer unrenovierten Wohnung, wird in der Regel nicht praktikabel, jedenfalls nicht sinnvoll sein und nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien liegen. Vielmehr kann die Durchführung von Schönheitsreparaturen nur sach- und in- teressengerecht sein, wenn die Wohnung in einem frisch renovierten Zustand ver- setzt wird. Dadurch werden aber auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor Über- lassung der Wohnung an den Mieter be- seitigt, so dass der Mieter die Wohnung in einem besseren Zustand erhielte, als er vertragsgemäß war, „unrenoviert“. Dies führt dazu, dass sich der Mieter an den Kosten der Renovierung angemessen zu beteiligen hat. Zusammengefasst entschied der Bundes- gerichtshof, dass der Mieter zwar vom Vermieter eine „frische“ Renovierung ver- langen kann, sich aber angemessen an den erforderlichen Kosten zu beteiligen hat.

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BEIRAT AKTUELL 56/III-20

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