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auf die einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Zahlungen grundsätzlich betragsmäßig bestimmt sein müssen. Allerdings sei der Grundsatz der inhalt lichen Bestimmtheit nicht zu überspan nen. Sind die einzelnen Wohnungseigentü mer in der Lage, den auf sie entfallenden Einzelbetrag anhand objektiv eindeuti ger Kriterien ohne Weiteres (d.h. ohne komplizierte Rechenoperationen) selbst zu errechnen, reicht dies für die Be stimmtheit des Sonderumlagebeschlus ses aus. Dabei nimmt der BGH an, dass es jedem Eigentümer unschwer möglich ist, an hand der genannten Gesamtsumme, dividiert durch die Gesamtmiteigentum santeile, multipliziert mit dem eigenen Miteigentumsanteil, den auf ihn entfal lenden anteiligen Zahlbetrag selbst zu errechnen (vgl.: BGH, Urt. v. 23.2.2024 – V ZR 132/23). 3. Das Problem der „still schweigenden“ Änderung der Kostenverteilung Den Wohnungseigentümern steht gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG auch die Kompetenz zu, durch einfachen Mehrheitsbeschluss auch im Einzelfall die in der Gemein schaftsordnung vereinbarten Kosten verteilerschlüssel zu ändern (so auch anlässlich der Erhebung einer Sonder umlage). Dies ist im vorliegenden Fall zwar an sich geschehen, denn im Zuge der Be schlussfassung über die Erhebung der Sonderumlage ist auch ein abweichen der Umlageschlüssel benannt worden. Es stellt sich aber die Frage, ob es für die Änderung der Kostenverteilung aus reicht, diese quasi „nebenbei“ im Zuge der Beschlussfassung über die Erhebung der Sonderumlage (oder im Zuge eines Beschluss zur Durchführung einer Er
haltungsmaßnahme) zu regeln oder ob es hierfür nicht eines gesonderten Be schlusses bedarf. 4. Die Lösung des BGH Schon zur Rechtslage vor Inkrafttreten des WEMoG hat der BGH die Auffassung vertreten, dass ein Beschluss über eine Änderung der Kostenverteilung nicht „stillschweigend“ dadurch zustande kommt, dass in einem einen anderen Sachverhalt betreffenden Beschluss ein abweichender Kostenverteilerschlüssel enthalten ist. Wird z.B. Beschluss zum Wirtschaftsplan gefasst und enthält dieser einen abwei chenden Kostenverteilerschlüssel, so ist in dem Beschluss zum Wirtschaftsplan nicht gleichzeitig zu entnehmen, dass im Zuge dessen quasi„stillschweigend“ auch die Billigung des abweichenden Umlageschlüssels enthalten ist (vgl.: BGH, Urt. v. 8.6.2018 – V ZR 195/17). Dies ergibt sich nach neuer Rechtslage auch schon daraus, dass nicht mehr der Wirtschaftsplan als solcher„genehmigt“ wird, sondern nur die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Hausgeldvorschüsse. Demgemäß setzt, auch bei Bestehen einer entsprechenden Beschlusskom petenz, eine wirksame Änderung des bisher geltenden Verteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss voraus, dass aus dem Beschluss konkret hervorgeht, dass die Wohnungseigentümer das Be wusstsein hatten, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung für künfti ge Abrechnungen zu beschließen. Nur so ist die erforderliche Transparenz gewährleistet und die Neuregelung der Kostenverteilung insbesondere für einen Sonderrechtsnachfolger durch Einsicht in die Beschluss-Sammlung klar er sichtlich. Die im Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage enthaltene Angabe
eines abweichenden Umlageschlüssels stellt somit keinen tauglichen Beschluss über die Änderung des Verteilerschlüs sels i.S.d. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG dar. Die Änderung des Kostenverteilerschlüs sel bedarf einer gesonderten Be schlussfassung vor dem Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage; sog. „Vorschaltbeschluss“ (vgl.: BGH, Urt. v. 19.7.2024 - V ZR 139/23). 5. Fazit Auch wenn der BGH die Auffassung ver tritt, dass jeder Wohnungseigentümer in der Lage ist, bei einer nach Miteigen tumsanteilen erhobenen Sonderumlage den auf ihn entfallenden Anteil selbst zu berechnen, sollte gleichwohl zumin dest eine Aufstellung der Zahlbeträge vorgelegt und als Anlage zum Protokoll genommen werden. Denn fraglich kann sein (insbesondere bei Mehrhausanlagen mit komplexen Verteilerschlüsseln), ab welchem Grad der Kompliziertheit des Rechenvorgangs die Rechtsprechung noch von einer „einfachen“ Berechnungsmöglichkeit ausgeht. Zu beachten ist, dass Beschlüsse über die Veränderung eines Kostenverteiler schlüssels nun nicht mehr in den Be schluss über die Maßnahme selbst (z.B. Erhaltungsmaßnahme, Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung)„eingearbeitet“ wer den sollten, sondern als „Vorschaltbe schluss“ zuvor gesondert zu behandeln sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es gem. § 23 Abs. 3 WEG zur Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich ist, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist. Der Beschluss über die Änderung eines Verteilerschlüssels sollte daher vorsichts halber stets in der Einladung zur Eigen tümerversammlung als gesonderter TOP
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BEIRATAKTUELL 72/III-24
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