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››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Änderung von Kostenverteilerschlüsseln Welcher ist der „gerechte“ Verteilerschlüssel?

2. Grundsätzlich weites Entscheidungsermessen Nach dem Willen des Gesetzgebers des WEMoG soll die Gestaltung von Kosten verteilerschlüsseln möglichst flexibel zu handhaben sein. Deren Änderung durch einfachen Mehr heitsbeschluss gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG bedarf daher grundsätzlich weder eines sachlichen Grundes noch des Umstands, dass der zu ändernde bisherige Vertei lerschlüssel unbrauchbar, unpraktikabel oder unbillig gewesen wäre. Daher sind an die Auswahl eines ange messenen Kostenverteilungsschlüssels nicht zu strenge Anforderungen zu stel len. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG räumt den Wohnungseigentümern somit einen denkbar weiten Gestaltungsspielraum bei der Änderung von Kostenverteiler schlüsseln ein, der lediglich durch das Willkürverbot begrenzt wird. Dessen Grenzen werden nicht über schritten, wenn ein Verteilermaßstab gewählt wird, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Woh nungseigentümer angemessen ist und nicht zu einer ungerechtfertigten Be nachteiligung Einzelner führt. In diesem Rahmen ist auch eine etwaige Mehrbe lastung hinzunehmen (vgl.: BGH, Urt. v. 20.10.2020 - V ZR 282/19). 3. Das Problem Trotz des weiten Entscheidungsermes sens der Wohnungseigentümer muss ein Beschluss gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG, wie jeder Beschluss, den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspre chen.

Die mit § 16 Abs. 2 S. 2 WEG geschaffe ne Möglichkeit, durch einfachen Mehr heitsbeschluss die Umlageschlüssel für die Kosten der Verwaltung und Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu ändern, erfreut sich bei Wohnungsei gentümer großer Beliebtheit. Dabei führt jede Änderung eines Umla geschlüssels zwangsläufig dazu, dass einzelne Eigentümer mehr und andere weniger belastet werden. So kann es nicht verwundern, dass sich die Gerichte derzeit mit einer Vielzahl von Streitigkeiten rund um Änderungen der Kostenverteilung zu befassen haben. Dabei wird in der Rechtsprechung der zeit lebhaft darüber diskutiert, wann ein neu gewählter Umlageschlüssel als an gemessen anzusehen ist. 1. Der Fall Die Eigentümerversammlung der GdWE X-Str. beschließt, dass die Kosten • der Erhaltung des Gemeinschaftsei gentums, • der Versicherungen, • der Gartenpflege und Gebäudereini gung, • des Hausmeisters, • des Aufzugs, • der Straßenreinigung und des Win terdienstes anstelle des vereinbarten Umlageschlüs sel nach Miteigentumsanteilen mit Wir kung ab dem 1.1.2025 nach der Anzahl der Sondereigentumseinheiten umge legt werden. Eigentümer Sparsam ist entsetzt, da er nun rd. 4 % mehr zahlen muss und erhebt Anfechtungsklage.

In diesem Zusammenhang ist nun frag lich, wann konkret ein abweichender Verteilerschlüssel den Interessen der Gemeinschaft und den der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und wann insbesondere von einer un gerechtfertigten Benachteiligung Ein zelner auszugehen ist. 4. Das Kriterium der „Kostengerechtigkeit“ Das LG München I vertritt hierzu die Auffassung, dass ein Wechsel vom Ver teilerschlüssel „Miteigentumsanteile“ auf das„Objektprinzip“ (Kostenverteilung nach Anzahl der Einheiten) für eine Viel zahl von Kostenarten rechtswidrig sei. Eine Änderung des Verteilerschlüssels insbesondere für Erhaltungs- und Ver sicherungskosten vom Maßstab Mitei gentumsanteile auf das Objektprinzip führe weder zu einer transparenteren Kostenverteilung, noch werde der Ver waltungsaufwand reduziert oder ein Anreiz zur Kosteneinsparung erzeugt. Die Höhe der für Erhaltungsmaßnahmen und Versicherungen aufzuwendenden Kosten werde maßgeblich durch die Größe der einzelnen Sondereigentums einheiten beeinflusst, da sich mit zu nehmender Größe die zuzurechnende Fläche des Gemeinschaftseigentums und mit zunehmender Bewohnerzahl die Einwirkungsmöglichkeit auf dieses erhöht. Der Wechsel zur Kostenumlage nach dem Objektprinzip führe daher nicht zu einer der Kostenverteilung nach Mitei gentumsanteilen gleichwertigen Ko stengerechtigkeit. Auch bei einer Kosten mehrbelastung von nur 4% liege eine

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