BEIRATaktuell_68

››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Änderung der Kostenverteilung nach neuem Recht? - Teil 2 Zur Reichweite und Grenzen der Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 2 S. 2 WEG

4. Rechtsanspruch des einzelnen Eigentümers auf Änderung der Kos tenverteilung Da die Regelungskompetenz des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG (trotz aller vorstehend geschilderten Einschränkungen) den Wohnungseigentümern ein denkbar weites Entscheidungsermessen bei der Umgestaltung von Kostenverteiler schlüsseln eröffnet, ist weiter zu betrach ten, unter welchen Voraussetzungen sich hieraus ein Rechtsanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Änderung der Kostenumlage -notfalls gegen denWillen der Mehrheit derWoh nungseigentümer- ergeben kann. Praxis-Beispiel Eigentümer E gehört eine freistehende Garage (Teileigentum), die keinenWas seranschluss besitzt. Die Kaltwasserko sten werden aber nach Miteigentums anteilen auf sämtliche Eigentümer um gelegt. E meint, er sei von den Wasser kosten freizustellen und ficht die ihnmit Kaltwasserkosten anteilig belastende Jahresabrechnung an. a) Grundsatz der Vorbefassung der Eigentümerversammlung Aus der Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG kann sich im Um kehrschluss auch ein Anspruch auf Än derung eines Umlageschlüssels ergeben. Indes muss nach dem Grundsatz der Vorbefassung der Eigentümerversamm lung, der schließlich die Ausübung der Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 2 S. 2WEG zusteht, zunächst ein Antrag auf Beschlussfassung in der Eigentümerver sammlung über die gewünschte Ände rung der Kostenverteilung gestellt wer den. Geschieht dies nicht (es sei denn, nach den Umständen des Einzelfalls

wäre ein Beschlussantrag von vornher ein ersichtlich aussichtslos), fehlt der Anfechtung der Jahresabrechnung das Rechtsschutzinteresse (vgl.: AG Stuttgart, Urt. v. 27.5.2022 - 59 C 172/22WEG, IMR 2023, 24). Der Anspruch auf Änderung eines Ver teilerschlüssels muss somit zuvor erfolg los geltend gemacht worden sein; so lange hierüber nicht entschieden ist, verbleibt es bei dem vereinbarten oder beschlossenen Umlageschlüssel. Der Richtigkeit der unveränderten Ko stenverteilung im Rahmen der Jahres abrechnung kann daher nicht einrede weise entgegengehalten werden, es bestehe ein Anspruch auf Abänderung (vgl.: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 6.5.2015 – 14 S 4480/14, ZMR 2015, 805; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.8.2006 – 20 W 214/06, IMR 2017, 1003). b) Änderungsanspruch nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 WEG Kommt ein Beschluss über eine abwei chende Kostenverteilung nicht zustan de oder ist der Antrag von vornherein ersichtlich aussichtslos, kann ein Rechts schutzbedürfnis für eine Klage auf Ab änderung eines Verteilungsschlüssels bestehen. Der einzelneWohnungseigentümer kann einen ablehnenden Beschluss anfechten und zugleich Beschlussersetzungsklage erheben (§ 44 Abs. 1 WEG). Praxis-Beispiel Eigentümer E gehört eine freistehende Garage (Teileigentum), die keinenWas seranschluss besitzt. Die Kaltwasserkostenwerden aber nach

Miteigentumsanteilen auf sämtliche Eigentümer umgelegt. oder E beantragt in der Eigentümerversamm lung, dass beschlossen werden möge, die Kostenverteilung dahingehend zu ändern, dass er von der Tragung der Kaltwasserkosten ausgenommen wird. Als der Beschlussantrag mehrheitlich abgelehnt wird, erhebt E Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die aus § 16 Abs. 2 S. 1WEG resultieren de Verpflichtung des einzelnen Woh nungseigentümers, sich an den Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen, grundsätzlich nicht davon abhängig ist, ob der betreffende Eigen tümer hieraus einen besonderenNutzen, Gebrauchs- oder sonstigen persönlichen Vorteil zieht oder nicht (vgl.: LG Frankfurt, Urt. v. 27.4.2017 - 2-13 S 168/16, ZWE 2016, 315). Dass gem. § 16 Abs. 2 S. 2WEG Beschlus skompetenz derWohnungseigentümer zur Änderung der Kostenverteilung be steht, ist nicht automatisch gleichbe deutendmit einemAnspruch des einzel nen Wohnungseigentümers auf eine entsprechende Beschlussfassung. Den Wohnungseigentümern ist bei Ände rungen des Umlageschlüssels einweiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dabei hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass Mehrbelastungen einzelnerWohnungseigentümer entste hen, die imEinzelfall hinzunehmen sind (vgl.: BGH, Urt. v. 16.9.2022 –V ZR 69/21, NZM 2022, 974).

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