BeiratAktuell 53

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Videoüberwachung in WEG-Anlagen Nicht nur eine Frage des Datenschutzes – Teil II

b) Verpflichtungs- oder Beschlusser- setzungsklage Gegebenenfalls kann der betroffene Ei- gentümer, sofern die Gemeinschaft sich einer Befassung mit der Thematik über- haupt verweigert, Verpflichtungsklage erheben, gerichtet auf Verurteilung der übrigen Eigentümer zur Zustimmung zu der begehrten Maßnahme (vgl.: Jennißen/ Heinemann, WEG, 6. Aufl. 2019, § 21 Rn. 46). Verweigern die übrigen Eigentümer sich nach der gebotenenAnrufung der Eigen- tümerversammlung hingegen einer posi- tiven Beschlussfassung, ist eineVerpflich- tungsklage unzulässig. Vielmehr ist gegen einen ergangenen ablehnenden Beschluss Anfechtungsklage zu erheben, die zwecks Herbeiführung eines positiven Ergebnis- ses mit der Beschlussersetzungsklage gem. § 21Abs. 8WEG zu verknüpfen ist (vgl.: LG München I, Urt. v. 24.3.2016 – 36 S 12134/15, ZMR 2016, 802; Hügel/ Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 21 Rn. 36 m.w.N.). Zur Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs gehört indes, dass die vom betreffenden einzelnen Eigentümer begehrte Maßnah- me die einzige ist, welche ordnungsmä- ßiger Verwaltung entspricht; d.h. dass das grundsätzlich freie Entscheidungsermes- sen der übrigen Wohnungseigentümer diesbezüglich „auf Null“ reduziert sein muss (vgl.: BGH, Urt. v. 2.10.2015 – V ZR 5/15, NZM 2015, 937; BGH, Urt. v. 13.07.2012 – V ZR 94/11, NJW 2012, 2955; Jennißen/Heinemann, WEG, 6. Auflage 2019, § 21 Rn. 43). c) Durchsetzungshindernisse Mit Blick auf die in Teil I gemachten Ausführungen, wonach die Einrichtung einer Videoüberwachungsanlage unter grundrechtlichen, wohnungseigentums- rechtlichen und datenschutzrechtlichen Aspekten stets nur „das letzte Mittel“ des

Im ersten, in der letztenAusgabe erschie- nenen Teil I wurde der Frage nachgegan- gen, unter welchenVoraussetzungen und unter Beachtung welcher Rechtmäßig- keitsanforderungen dieWohnungseigen- tümergemeinschaft eine Videoüberwa- chung der Anlage ins Leben rufen bzw. gestalten kann. Im hier vorliegenden zweiten Teil soll untersucht werden, ob und unter welchen Maßgaben der einzelneWohnungseigen- tümer berechtigt ist, eine Videoüberwa- chung durchzuführen. Das Bedürfnis hiernach kann zum einen dadurch entstehen, dass die Wohnungs- eigentümergemeinschaft von entsprechen- den Maßnahmen absieht oder ausschließ- lich das Sondereigentum bzw. das Son- dernutzungsrecht des einzelnen Woh- nungseigentümers betroffen ist. Kann zum Schutz des Eigentums oder anderer Rechtsgüter die Einrichtung einer Videoüberwachungsanlage für den Be- reich des Gemeinschaftseigentums erwo- gen werden, bliebt die Wohnungseigen- tümergemeinschaft insoweit jedoch un- tätig oder lehnt entsprechende Maßnah- men ab, stellt sich die Frage, ob der einzelne Wohnungseigentümer eine Vi- deoüberwachung gleichwohl (gegebenen- falls gegen den Willen der übrigen Woh- nungseigentümer) durchsetzen kann. Gem. § 21 Abs. 4, Abs. 3 WEG steht jedemWohnungseigentümer ein indivi- duell durchsetzbarer Rechtsanspruch auf die Durchführung solcher Maßnahmen zu (d.h. auf positive Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung), die ordnungsmäßiger Verwaltung entspre- chen. 1. Anspruch auf Videoüberwachung durch die Gemeinschaft? a) Der Anspruch auf ordnungsmäßi- ge Verwaltung

Schutzes von Eigentum oder anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang darstellt, dürfte ein Anspruch auf Videoüberwa- chung in den seltensten Fällen durchsetz- bar sein, da die übrigenWohnungseigen- tümer stets im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit andere, weniger einschneidende Maßnahmen erwägen und auch mit Blick auf die hohen Rechtmä- ßigkeitsanforderungen sowie die einher- gehenden nicht unerheblichen Kosten von einerVideoüberwachungAbstand nehmen können. Für die Gestaltungsklage gem. § 21 Abs. 8 WEG ist zu beachten, dass konkrete Maßnahmen nur dann gerichtlich ange- ordnet bzw. bereits gefasste Beschlüsse nur dann durch eine anderslautende Re- gelung des Gerichts ersetzt werden, wenn dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes zwingend notwendig ist (vgl.: BGH, Urt. v. 26.2.2016 – V ZR 250/14, NZM 2016, 523). Daran dürfte es regelmäßig fehlen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass, sofern das Ergebnis der richterlichen Ermessen- sausübung darin bestehen soll, anstelle der hierzu berufenen Wohnungseigentü- mer die Durchführung einer konkreten Verwaltungsmaßnahme anzuordnen, sämt- liche die notwendigen Entscheidungs- grundlagen so beizubringen sind, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, nach billigem Ermessen so zu entscheiden, wie es an sich Sache der Eigentümer ge- wesen wäre. Gerade wenn es um die Durchführung einer konkret begehrtenVerwaltungsmaß- nahme geht, wie hier um die Durchführung einer Videoüberwachung, für welche eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beden- ken sind und insbesondere ein Daten- schutzunternehmen zu beauftragen ist, so

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BEIRAT AKTUELL 53/IV-19

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