BeiratAktuell-50
››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Das Burkini-Verbot im Schwimmbad Gebrauchsregelungen und deren Grenzen
Das Zusammenleben in einem Mehrfa- milienhaus stellt an dessen Bewohner, zumal, wenn es sich um eine Wohnungs- eigentümergemeinschaft handelt, etliche Herausforderungen. Nicht nur, dass Ei- gentümer unterschiedlicher Gegenrationen miteinander auszukommen haben, vielfach sind die Lebenseinstellungen und die demgemäß die Auffassung darüber, was erlaubt ist oder nicht, äußerst unterschied- lich. Daher besteht großes Interesse der Eigentümer daran, verbindliche Regelung aufzustellen. Vielfach werden daher Haus- ordnungen vereinbart oder beschlossen. Da diese jedoch nur allgemeine Regelun- gen enthalten, werden Einzelfälle, die auch kaum vorhersehbar sind, hiervon nicht erfasst. Es stellt sich daher die Fra- ge, ob und wie dieWohnungseigentümer auf solche Sachverhalte reagieren können und in welchem Umfang verbindliche Verhaltensmaßregeln aufgestellt werden können. Reichweite und Grenzen solcher Beschlüsse sollen hier anhand von drei beispielhaften Fällen, die kürzlich ent- scheiden wurden, aufgezeigt werden. Da das frisch renovierte Treppenhaus der Wohnungseigentumsanlage bereits nach kurzer Zeit mit den Reifenabdrücken durch das Treppenhaus transportierter Fahhräder „verziert“ ist und der jeweiligeVerursacher nicht zu ermitteln ist, beschließt die Ei- gentümerversammlung, dass Fahrräder zukünftig nur noch im dem dafür vorge- sehenen Fahrradabstellraum im Keller, auf dem jeweiligen Tiefgaragenabstell- platz, im eigenen Keller oder auf dem dafür vorgesehenen Fahrradabstellplatz im Außenbereich abgestellt werden dür- fen. Ein Transport von Fahrrädern durch das Treppenhaus wird ausdrücklich un- tersagt. Miteigentümer K ist passionierter 1. Transportverbot für Fahrräder im Treppenhaus
Fahrradfahrer und transportiert sein teu- res Mountainbike jeden Tag abends durch das Treppenhaus in seine Wohnung und morgens wieder hinunter. K fühlt sich als Fahrradfahrer diskriminiert, denn der Transport von Kinderwagen und Rolla- toren durch das Treppenhaus wurde schließlich nicht verboten. a) Als Grundsatz gilt, dass jeder Wohnungs- eigentümer berechtigt ist, mit den seinem Sondereigentum nach Belieben zu ver- fahren, insbesondere dies zu bewohnen, zu vermieten, verpachten oder in sonsti- ger Weise nutzen und andere von Einwir- kungen ausschließen (vgl.: § 13 Abs. 1 WEG). Zudem ist jeder Wohnungseigen- tümer zumMitgebrauch des gemeinschaft- lichen Eigentums berechtigt (vgl.: § 13 Abs. 2 S. 1 WEG). Dieses (Mit-)Benut- zungsrecht besteht indes nicht schranken- los und ist begrenzt durch die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer und der Dritter (vgl.: § 13 Abs. 1 WEG). Das Recht zur Mitbenutzung des Gemein- schaftseigentums besteht zudem nur, soweit gem. §§ 14, 15 WEG keine wei- teren Grenzen gezogen werden. Hierzu regelt § 14 Nr. 1 WEG, dass der Woh- nungseigentümer von seinem Sonderei- gentum nur in derWeise Gebrauch machen darf, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben un- vermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Zudem regelt § 15 Abs. 2 WEG, dass soweit nicht schon Gebrauchs- und Nut- zungsregelungen im Rahmen der Gemein- schaftsordnung vereinbart sind, dieWoh- nungseigentümer durch Stimmenmehrheit über einen der Beschaffenheit der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile
und des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden ordnungsmäßigen Ge- brauch beschließen (sog. Gebrauchs- und Benutzungsregelungen). b) Mit Blick hierauf besteht ohne weiteres Beschlusskompetenz der Wohnungsei- gentümer, die Benutzung des Treppen- hauses in Bezug auf den Transport von Fahrrädern zu regeln. Dabei steht ihnen ein weites Entscheidungsermessen im Rahmen des Selbstorganisationsrechts der Gemeinschaft zu. Die getroffene Re- gelung dient auch nachvollziehbarer Wei- se dem Schutz des ordnungsmäßen Zu- stands des Treppenhauses (vgl.: LG München I, Urt. v. 23.11.2017 – 36 S 3100/17 WEG, ZWE 2018, 176). c) Die getroffene Regelung entspricht dabei auch den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung und ist rechtmäßig. Insbe- sondere liegt nach Auffassung des LG München I auch keine unzulässige Privi- legierung von Nutzern mit Kinderwagen oder Rollatoren vor. Denn diese Gegen- stände sind nötig, damit die jeweiligen Nutzer ihre Wohnungen überhaupt errei- chen können. Im Gegensatz dazu stellt die Unterbringung eines Fahrrads in der eigenenWohnung kein wesentliches Ele- ment der Wohnungsnutzung dar, zumal für ausreichend anderweitige Unterbrin- gungsmöglichkeiten gesorgt ist (vgl.: LG München I, Urt. v. 23.11.2017 – 36 S 3100/17 WEG, ZWE 2018, 176). 2. Abschließbare Fenstergriffe im Treppenhaus Eigentümerin E und Eigentümer Q liegen im Dauerstreit über die Frage, ob, wann und wie lange Q die Fenster imTreppen- haus offen halten darf. E meint, dass Q
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BEIRAT AKTUELL 50/I-19
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