BeiratAktuell-49

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch VG Media reloaded Können mit der VG Media geschlossene Lizenzverträge gekündigt werden?

Die VG Media (Gesellschaft zur Verwer- tung der Urheber- und Leistungsschutz- rechte von Sendeunternehmen und Pres- severlegern mbH) forderte in der Vergan- genheit u.a. von Wohnungseigentümer- gemeinschaften, welche via Satellit empfangene TV- und Radio-Programme über ein hausinternes Kabelverteilnetz an dieWohnungsnutzer weitergeben, den Abschluss eines Lizenzvertrags. Dies mit der Begründung, dass die Woh- nungseigentümergemeinschaft durch die Weiterleitung der Programme über das hauseigene Kabelnetz an die einzelnen Wohnungsnutzer das Kabelweiterleitungs- recht der o.g. Verwertungsgesellschaft gem. § 20bAbs. 1 S. 1 UrhG inAnspruch nehme, da es sich um eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Programminhalte i.S.d. § 15Abs. 3 UrhG handele. Ob die daraufhin mit der VG Media ge- schlossenen Lizenzverträge wirksam oder kündbar sind und ob gezahlte Beträge zurückgefordert werden können, hat das AG Charlottenburg in einer aktuellen Entscheidung geprüft (AG Charlottenburg, Urt. v. 1.2.2018 - 218 C 288/17). Während sich in I. und II. Instanz das LG München I (Urt. v. 20.3.2013 – 21 O 16054/12) und das OLG München (Urt. v. 11.9.2014 – 6 U 2619/14) noch damit auseinandersetzen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine die Öffentlichkeit der Wiedergabe ausschließende „beson- dere persönliche Verbundenheit“ der Hausbewohner gem. § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG vorlag (und dies verneint hatten), 1. Der Stand der Rechtsprechung zur Lizenzpflicht

griff der BGH auf die einschlägigen EU- Richtlinien zurück.

nen Lizenzvertrags ist nicht gegeben. Zwar ist die WEG einem Irrtum unterle- gen, dabei handelt es sich aber mit Blick auf eine Fehleinschätzung der Rechtslage um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Darüber hinaus ist auch eineAnfechtbar- keit wegen einer Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nicht herzuleiten. Auch ist durch die später bekannt gewordene anderslau- tende Rechtsprechung dem Lizenzvertrag nicht nachträglich die Geschäftsgrundla- ge entzogen worden. c) Kündigung des Lizenzvertrags Eine Kündigung des Lizenzvertrags ist indes wegen des bestehenden Kündigungs- rechts aus § 313Abs. 3 S. 2 BGB möglich und zu empfehlen. Dem stehen die von der VG Media in ihren Lizenzverträgen verwendeten All- gemeinen Geschäftsbedingungen nicht entgegen, da eine Kündigung für den Lizenznehmer u.a. nur dann möglich sein soll, wenn der Lizenznehmer nachweist, dass die in diesem Vertrag geregelten Nutzungen eingestellt werden. Entspre- chendes gilt für die Kündigungsmöglich- keit zur Vermeidung der jährlichen Ver- tragsverlängerung. d) Keine Rückerstattung bereits geleisteter Zahlungen Soweit nur eine Kündigung des Lizenzver- trags (also nur mitWirkung für die Zukunft) möglich ist, sindAnsprüche auf Erstattung bereits „rechtsgrundlos“ geleisteter Lizenz- gebühren nicht gegeben.

In diesen wird nämlich eine „besondere persönliche Verbundenheit“ nicht gefor- dert. Zur Verneinung einer öffentlichen Wiedergabe eines urheberrechtlich ge- schützten Werkes reicht es aus, dass des- senWiedergabe auf „besondere Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten Grup- pe“ angehören. Demgemäß verneinte der BGH im entschiedenen Fall eine Pflicht zumAbschluss eines geforderten Lizenz- vertrags (vgl.: BGH, Urt. v. 17.9.2015 – I ZR 228/14). Ist bereits eine Lizenzvereinbarung mit der VG Media abgeschlossen, so stellt sich die Frage, ob der Vertragsschluss widerrufen werden kann bzw. unwirksam ist oder der Lizenzvertrag zumindest ge- kündigt werden kann. Fraglich ist weiter, ob bereits gezahlte Lizenzgebühren zu- rückgefordert werden können. a) Widerruf des Vertragsschlusses Wurde eine Lizenzvereinbarung mit der VG Media nach dem 13.6.2014 abge- schlossen, so kann die Wohnungseigen- tümergemeinschaft, da sie alsVerbraucher anzusehen ist, den Lizenzvertrag als Fernabsatzvertrag i.S.d. §§ 355, 356, 310, 312c, 312g BGB widerrufen. Erfolgte keine Belehrung über dasWiderrufsrecht, beträgt die Widerrufsfrist 1 Jahr und 2 Wochen ab Vertragsschluss. 2. Die Folgen für bereits abge­ schlossene Lizenzverträge

b) Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vertrags

Die Möglichkeit einer Anfechtung eines mit der VG Media bereits abgeschlosse-

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BEIRAT AKTUELL 49/IV-18

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