BeiratAktuell 56
BeiratAktuell 56
BEIRAT AKTUELL E n t s c h e i d e n d e I n f o r m a t i o n f ü r d e n V e r w a l t u n g s b e i r a t i m W o h n u n g s e i g e n t u m E i n z e l p r e i s 8 , 5 5 (inkl. 7 % USt.)
WEG-Verwaltung während der COVID-19 Pandemie
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Ausgabe: 56 Quartal III-20
Neuigkeiten zur Bauliche Veränderung
Sonderheft zur WEG-Reform 2020
WEG-Reform 2020 kurz vor Verabschiedung! Massimo Füllbeck
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Wie bereits im Editorial und den letzten Ausgaben erwähnt, wird es nicht mehr lange dauern, bis das neue Wohnungseigentumsgesetz in Kraft treten wird.
Für Verwaltungsbeiräte, Wohnungseigentümer, aber auch Verwalter, wird sich sehr viel verändern.
Betrachtet man den Gesetzesentwurf und die dazugehörige Begründung könnte man annehmen, dass das gesamte Wohnungseigentumsgesetz umgeschrieben wird. Die umfangreichen Veränderungen können in der üblichen Ausgabe des BEIRATaktuell nicht seriös dargestellt werden. Daher wird es zur WEG-Reform ein Sonderheft geben, welches Speziell für Verwaltungsbeiräte und Wohnungseigentümer konzipiert ist. Die neuen Gesetzesvorschriften mit Auswirkungen auf die Praxis werden ausführlich und verständlich vorgestellt. Zur besseren Übersicht erhalten Sie eine Gegenüberstellung von „altem WEG-Recht“ und „neuem WEG-Recht“. Bei Bedarf können vereinzelte und wichtige Kernfragen in einer komprimierten Wiedergabe der Gesetzesbegründung nachgelesen werden. Die Sonderausgabe bietet auch Raum, sich selbständig Notizen zu machen oder wichtige Gedanken zu notieren.
NEUE WEG soll – nach aktuellen Meldungen – zum 1.12.20 in Kraft treten!
ABONNENTEN VON BEIRATAKTUELL ERHALTEN 15 % RABATT!
Bestellungen unter: info@beirataktuell.de oder Fax: 0208-30276832
Hinweise zum Sonderheft WEG-Reform 2020 und den Preisen: • 1 x Sonderheft WEG-Reform 2020 = 15,00 € inkl. 5 % gesetzlicher USt. zzgl. Versand • PDF wird nur – kostenlos – zur Verfügung gestellt, wenn mindestens 1 x Sonderheft bestellt wurde • Liefertermin: Spätestens 1 Monat nach Inkrafttreten der WEG-Reform und nur so lange der Vorrat reicht! • Sollte wider Erwarten die Reform zum 1.1.2021 in Kraft treten, wird das Sonderheft trotzdem erscheinen!
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BEIRAT AKTUELL 56/III-20
Impressum BEIRATaktuell erscheint seit 2006 vier- teljährlich und bietet entscheidende In- formation für Verwaltungsbeiräte im Wohnungseigentum. Herausgeber/Verlag: Massimo Füllbeck Sachverständiger für Wohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 45475 Mülheim an der Ruhr
Editorial
info@beirataktuell.de www.beirataktuell.de
Verehrte Leserinnen und Leser,
Verantwortlich i.S.d.P.: Massimo Füllbeck
die Corona-Fallzahlen steigen in Deutsch- land wieder an. Herr Rechtsanwalt Fritsch hat dies zumAnlass genommen, dieAus- wirkungen der Corona-Pandemie auf die Verwaltung von Wohnungseigentümer- gemeinschaften zu untersuchen. In der Praxis ergeben sich für Verwalter, Ver- waltungsbeiräte undWohnungseigentümer eine Vielzahl von Fragen. Viele dieser Probleme und Rechtsfragen sind abschlie- ßend noch nicht geklärt und können daher in bestimmten Bereichen nur als Leitlinie gelten. Darüber hinaus ist dieWEG-Reformmo- mentan das zentrale Thema in der WEG- Verwaltung. Nach Meldungen verschie- dener Medien steht die Reform kurz vor der Verabschiedung und soll voraussicht- lich schon zum 1.12.2020 in Kraft treten. Ursprünglich war geplant, dass dieWEG- Reform noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden sollte. Doch nach der 1. Lesung und der Exper- tenanhörung im Bundestag ergab sich noch Gesprächs- und Änderungsbedarf. Trotzdem ist bereits durchgesickert, dass im Bereich der baulichen Maßnahmen, Aufgaben des Verwalters und der Einfüh- rung eines Sachkundenachweises für Verwalter eine Einigung erzielt werden konnte. Wir berichten selbstverständlich weiter. Bitte beachten Sie auch die Hin- weise in dieser Ausgabe zum Sonderheft: WEG-Reform 2020.
Redaktion: Massimo Füllbeck
Abonnenten-Betreuung: Massimo Füllbeck
Massimo Füllbeck, Herausgeber
Fon 0208 30276831 info@beirataktuell.de
Herr Rechtsanwalt Schulze beleuchtet in einer sehr ausführlichen Stellungnahme die Rechtsprechung des Bundesgerichts- hofs zu den sog. Schönheitsreparaturen und gibt wertvolle Tipps für die Praxis und den Umgang bei der Vermietung von Wohnungen. Herr Rechtsanwalt Eichhorn stellt eine wichtige BGH-Entscheidung vor, in wel- cher es um grundsätzliche Fragen zum Trittschall in der Eigentumswohnung geht. Besonders interessant und wichtig ist die vor kurzem veröffentlichte Entscheidung des BGH zum Thema „Bauliche Verän- derung“, die in der Praxis bei allen Be- teiligten zu vielen Fragen und Problemen führt. Diesen Problemen scheint der BGH – kurz vor der WEG-Reform – ein Ende zu setzen.
Grafische Umsetzung: Massimo Füllbeck
Bildnachweise: Titel: © REFORM/von Frank Täubel/ Datei-Nr. 19708970–stock.adobe.com Seite 5: MQ-Illustrations/Datei-Nr. 321072514–stock.adobe.com Seite 7: © zensus1807a/von Fiedels/Datei- Nr. 54338461–stock.adobe.com
Druck und Verarbeitung: D+L Printpartner GmbH
Auflage: 6.700 Stück
Preise: Einzelpreis Heft 8,55 EUR, im Jahresabo 10 EUR (4 Ausgaben, inkl. MwSt. ohne Versand), ab 20 Exemplaren Jahresabo 2,40 EUR (4 Ausgaben, exkl. MwSt. und Versand) Datenschutz: Informationen zum Datenschutz finden Sie auf www.beirataktuell.de Urheberrecht: Die veröffentlichtenArtikel sind urheber- rechtlich geschützt. Jede vom deutschen Urheberrecht nicht zugelasseneVerwertung bedarf der vorherigen schriftlichen Zu- stimmung des Herausgebers. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bear- beitung, Übersetzung, Einspeicherung, Verarbeitung bzw. Wiedergabe von Inhal- ten in Datenbanken oder anderen elektro- nischen Medien und Systemen. Die unerlaubteVervielfältigung oder Wei- tergabe einzelner Artikel oder mehrerer Seiten ist nicht gestattet und strafbar. Le- diglich die Herstellung von Kopien für den persönlichen, privaten und nicht kom- merziellen Gebrauch ist erlaubt.
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Massimo Füllbeck
Was erwartet Sie in der 56. Ausgabe des BEIRATaktuell? • Update: WEG-Reform 2020 von Massimo Füllbeck • WEG-Verwaltung während der COVID-19 Pandemie von RA Rüdiger Fritsch • Update: Schönheitsreparaturen (Wann muss eine Wohnung renoviert werden?) von RA Schulze • Probleme mit dem Trittschall im Wohnungseigentum von RA Eichhorn • Die Bauliche Veränderung – Kann man eine bauliche Veränderung überhaupt genehmigen? von RA Fritsch
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››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch WEG-Verwaltung während der COVID-19-Pandemie Was müssen Verwaltungsbeiräte und Eigentümer derzeit beachten?
Durch die Auswirkungen der Corona- Pandemie ergibt sich für Verwaltungsbei- räte undWohnungseigentümer eine Viel- zahl von Fragen, wie in der Verwaltungs- praxis mit der bestehenden Situation umzugehen ist. Beachten Sie bitte, dass viele Rechtsfragen zu den nachfolgend stichwortartig angesprochenen Problemen noch nicht abschließend geklärt sind und sich bekanntlich stets sehr kurzfristig Änderungen der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zum Umgang mit der Corona-Pandemie ergeben können. Die Eigentümerversammlung ist das zen- trale Organ der Wohnungseigentümerge- meinschaft, denn hier werden durch Dis- kussion und Beschlussfassung die we- sentlichen Entscheidungen zurVerwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ge- troffen. Insofern stellt sich für Beiräte und Eigentümer die Frage, ob derzeit die Abhaltung von Eigentümerversammlun- gen überhaupt möglich ist und wie gege- benenfalls mit Hinderungsgründen um- gegangen werden kann. 1. Interessenabwägung erforderlich Grundsätzlich ist dabei zu bedenken, dass bei der Entscheidung über die Frage, ob eine Eigentümerversammlung abgehalten werden muss, abgehalten werden kann oder hiervon abgesehen werden sollte, stets zwischen dem wohnungseigentums- rechtlichen Gebot der Abhaltung einer Versammlung pro Jahr, den pandemie- I. Abhaltung von Eigentümerversammlungen
bedingten öffentlich-rechtlichenAuflagen und den sich hieraus ergebenden fakti- schen Hindernissen und dem berechtigten Gesundheitsschutz-Bedürfnis des einzel- nen Eigentümers, des Verwalters und dessen Mitarbeitern abzuwägen ist. 2. Pflicht zur Abhaltung einer jährlichen Eigentümerversammlung Der Verwalter ist gem. § 24 Abs. 1 WEG als gesetzliches Organ der Wohnungsei- gentümergemeinschaft grundsätzlich alleine zu der nur seinem pflichtgemäßen Ermessen unterliegenden Entscheidung über die Einladung und Abhaltung von Eigentümerversammlungen befugt und daher auch berechtigt, in begründeten Fällen hiervon abzusehen bzw. bereits angesetzte Versammlungen abzusagen 1 . Die Regelung des § 24 Abs. 1 WEG be- sagt zwar nicht, dass die Eigentümerver- sammlung zwingend in der ersten Jah- reshälfte abzuhalten wäre, allerdings ist das grundsätzliche Ermessen des Verwal- ters, eine Eigentümerversammlung ein- zuberufen, dahingehend reduziert, als dass zumindest einmal im Kalenderjahr eine Eigentümerversammlung einzube- rufen ist 2 . Insofern besteht allein schon aufgrund der oben genannten gesetzlichen Bestimmung die Pflicht des Verwalters, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Eigentümerversammlung tatsächlich ein- zuberufen.
19-Pandemie zumindest zur Abhaltung einer Eigentümerversammlung im Jahre 2020 verpflichtet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für den Fall der schuldhaftenWeigerung des Ver- walters die Möglichkeit besteht, dass die Wohnungseigentümer denVerwalter gem. § 24 Abs. 2 WEG zur Einladung und Abhaltung einer Eigentümerversammlung zwingen können 3 und ebenso die Mög- lichkeit der ersatzweisen Einladungsbe- fugnis des Beirats gem. § 24Abs. 3WEG besteht 4 . Zudem kann die schuldhafte Nicht-Abhaltung der gesetzlich vorge- schriebenen einen Eigentümerversamm- lung pro Jahr einen wichtigen Grund für die Abberufung des Verwalters sowie für die außerordentliche Kündigung des Ver- waltervertrags darstellen 5 . 3. Gründe, die gegen die Abhaltung einer Präsenzversammlung sprechen können Problematisch an der Pflicht zurAbhaltung mindestens einer Eigentümerversammlung pro Kalenderjahr ist mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie der Umstand, dass das Wohnungseigentums- recht von einer Präsenzversammlung der Wohnungseigentümer ausgeht, d.h. von einer persönlichen Zusammenkunft der Wohnungseigentümer. Hierdurch wird indes zum einen der öffentlich-rechtliche Seuchenschutz tangiert sowie das grund- rechtlich garantierte Interesse eines Jeden auf Schutz seiner Gesundheit und kör- perlichen Unversehrtheit.
Mit Blick hierauf stellt sich die Frage, ob der Verwalter auch in Zeiten der COVID-
1 BGH, Urt. v. 10.6.2011 - V ZR 222/10, ZMR 2011, 892; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 24 Rn. 4. 2 Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 24 Rn. 3; Staudinger/Häublein, WEG (2018), § 24 Rn 44f.
3 OLG Celle, Beschl. v. 25.6.2003 - 4 W 64/03, MietRB 2003, 74. 4 LG München I, Urt. v. 28.6.2012 - 36 S 17241/11 WEG, ZMR 2012, 819.
5 Bärmann/Becker, WEG, 14. Auflage 2018, § 26 Rn 243; Riecke/Schmid, WEG, 5. Aufl. 2019, § 24 Rn 1; § 26 Rn 37.
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Nach den obigen Ausführungen kann somit nicht von einem schuldhaften Ver- säumnis des Verwalters gesprochen wer- den, wenn dieser von der Einberufung und Durchführung einer Eigentümerver- sammlung pro Kalenderjahr absieht, so- fern dieAbhaltung einer Eigentümerver- sammlung • nach den aktuellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Infektionsschutz nicht zulässig, • nach den aktuellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Infektionsschutz nicht zumutbar, • oder als unnötig bzw. als bloße Förme- lei anzusehen ist. a) Öffentlich-rechtliche Zulässigkeit Nachdem zu Zeiten des sog. Lock-Down während der ersten Corona-Welle die Abhaltung u.a. von Eigentümerversamm- lungen öffentlich-rechtlich schlichtweg verboten war, sind zwischenzeitlich weit- gehende Lockerungen in Kraft getreten, wonach die Abhaltung von Eigentümer- versammlungen zumindest eingeschränkt möglich ist. Da die jeweiligen Corona-Schutz-Verord- nungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Beschränkungen für Veranstaltungen vorsehen und sich diese Bestimmungen oftmals binnen weniger Tage ändern, wird dringend geraten, sich jeweils tagesaktuell zu informieren 6 . aa) Divergierende Verordnungen der Bundesländer
Insbesondere ist zu beobachten, dass zwi- schen den einzelnen Bundesländern zum Teil erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Reichweiter der gestatteten Locke- rungen des Hygiene- und Infektionsschut- zes bestehen. So werden z.B. derzeit in Nordrhein- Westfalen kaum noch durchgreifende Anforderungen an den Gesundheitsschutz der Teilnehmer von Veranstaltungen wie Eigentümerversammlungen gestellt, wäh- rend in Bayern noch durchaus seuchen- schutzbedingte Einschränkungen gelten. Gem. § 13 Abs. (1) S.1 u. 2 CoronaSch- VONRW sind Eigentümerversammlungen bis 300 Teilnehmern ohne weiteres zu- lässig, sofern geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Gewährleistung eines Mindest- abstands von 1,5 Metern (auch in Warte- schlangen) zwischen Personen, die nicht zum gleichen Haushalt gehören, sicher- gestellt sind. Wenn die Teilnehmer wäh- rend der Veranstaltung oder Versammlung auf festen Plätzen sitzen, kann für die Sitzplätze sogar auf das Erfordernis eines Mindestabstands von 1,5 Metern verzich- tet und durch die Sicherstellung der be- sonderen Rückverfolgbarkeit ersetzt werden, wobei auch nur außerhalb des Sitzplatzes eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen ist 7 . Demgegenüber regelt § 5 Abs. (2) der aktuellen Bayerischen Infektionsschutz- maßnahmenverordnung (BayIfSMV), dass Eigentümerversammlungen (als Veran-
staltungen, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbarenTeilnehmerkreis besucht werden und die nicht öffentlich sind), nur bis zu einer Anzahl von maxi- mal 100 Teilnehmern in geschlossenen Räumen sowie nur dann gestattet sind, wenn zusätzlich der Veranstalter ein Schutz- und Hygienekonzept ausgearbei- tet hat und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorlegen kann. Gem. § 5 Abs. (2) S. 3 BayIfSMV muss der Veranstalter kein Schutz- und Hygie- nekonzept ausarbeiten und vorlegen, wenn die Eigentümerversammlung in einem gastronomischen Betrieb stattfindet und der Betreiber der Gastronomie ein den Vorschriften des § 13Abs. (4) BayIfSMV genügendes Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines von den Staats- ministerien für Wirtschaft, Landesent- wicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege bekannt gemachten Rahmen- konzepts für die Gastronomie ausarbeitet und auf Verlangen der zuständigen Kreis- verwaltungsbehörde vorlegen kann 8 . Hier vertretener Auffassung nach sollten insbesondere mit Blick auf das berech- tigte Interesse vor allem älterer oder zu sog. „Risikogruppen“ angehörendenWoh- nungseigentümer unter Berücksichtigung der besonderen landesrechtlichen Bestim- mungen folgende Hygiene- und Infekti- onsschutzmaßnahmen bei der Durchfüh- bb) Allgemeine Voraussetzungen und Risiken
6 Vergleiche die jeweiligen Web-Seiten der Landesregie- rungen der Bundesländer.
7 Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO NRW) in der 10., ab dem 15.7.2020 bis 11.08.2020 gültigen Fassung.
8 Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverord- nung (6. BayIfSMV) v. 19.6.2020 i.d.F. vom 28.7.2020, in Kraft bis 16.8.2020.
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rung einer Eigentümerversammlung eingehalten werden:
• Sicherstellung der Hygiene und Zutritts- steuerung der Toiletten (immer nur 1 Person), • Sicherstellung des Infektionsschutzes der Mitarbeiter der Verwaltung. Mit Blick auf die obigen Ausführungen ist festzustellen, dass der Umfang der zu erfüllenden Anforderungen an die seu- chenhygienische Zulässigkeit einer Ei- gentümerversammlung zwar von reinen regionalen Zufälligkeiten sowie von der Größe und der Zusammensetzung der Gemeinschaft abhängig ist, in der Regel aber die Abhaltung einer Eigentümer- versammlung rechtlich möglich sein dürfte. In faktischer Hinsicht ist dabei zu berück- sichtigen, dass Eigentümerversammlun- gen grundsätzlich am Ort der Wohnanla- ge durchzuführen sind und daher im Einzelfall zu prüfen ist, ob in der politi- schen Gemeinde der Wohnungseigentü- mergemeinschaft überhaupt den öffent- lich-rechtlichenVorschriften entsprechen- de hinreichend groß dimensionierte Räumlichkeiten bzw. entsprechende ga- stronomische Einrichtungen vorhanden und zudemmit dem ggfls. zu erstellenden Schutz- und Hygienekonzept ausgestattet sind, damit überhaupt eine Versammlung durchgeführt werden kann. Auch ist zu berücksichtigen, dass grund- sätzlich der Verwalter als „Veranstalter“ der Eigentümerversammlung für die Ein- haltung sämtlicher Hygiene- und Gesund- heitsschutzvorschriften verantwortlich und für Verstöße haftbar ist. 12 Bärmann/Merle, WEG, 14. Auflage 2018, § 24 Rn 15; Staudinger/Häublein, WEG (2018) § 24 Rn 59. 13 BGH, Urt. v. 6.7.2018 - V ZR 221/17, ZMR 2019, 55. 14 Nicht-Beschluss: BayObLG, Beschl. v. 21.11.2002 - 2Z BR 89/01, ZMR 2002, 138; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.11.2002 - 3 W 179/02, ZMR 2004, 60; OLG Schles- wig, Urt. v. 5.9.2001 – 9 U 103/00, ZWE 2002, 138; AG
Hier vertretener Auffassung nach ist der Verwalter jedoch weder persönlich zur Erstellung eines Schutz- und Hygieneko- nzepts noch zur Tragung der besonderen Kosten der Fremderstellung bzw. der be- sonderen Kosten der Abhaltung einer Eigentümerversammlung in hierfür ge- eigneten Räumlichkeiten verpflichtet, da es sich hierbei um besondere Kosten der Verwaltung der Wohnungseigentümerge- meinschaft handelt, für welche die Woh- nungseigentümer gemeinschaftlich auf- zukommen haben 9 . b) Zumutbarkeit Gerade bei größeren Wohnungseigentü- mergemeinschaften stellt sich mit Blick auf das oben Gesagte die Frage, ob un- geachtet der Möglichkeit der Abhaltung einer Eigentümerversammlung unter Beachtung der jeweils geltenden öffent- lich-rechtlichen Vorschriften es auch tatsächlich zumutbar sein kann, die hier- mit entstehenden gesundheitlichen sowie Haftungsrisiken und die u.U. nicht un- erheblichen Kosten auf sich zu nehmen. Dabei ist indes hier vertretener Auffas- sung nach festzustellen, dass für den einzelnenWohnungseigentümer sich mit Blick auf die aus § 24 Abs. 1 WEG re- sultierende Pflicht zur Abhaltung zumin- dest einer Eigentümerversammlung pro Jahr keine Unzumutbarkeit derAbhaltung einer Eigentümerversammlung begrün- den lässt, sofern sämtliche öffentlich- rechtlichenVorschriften beachtet werden. Wenn der für den Gesundheits- und ins- besondere Infektionsschutz zuständige jeweilige Landesverordnungsgeber kei-
• Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen Personen, die nicht dem gleichen Haushalt angehören, gg- fls. auch durch geeignete Trennvorrich- tungen, • Steuerung des Zutritts zur Vermeidung einer Schlangenbildung (Kennzeichnun- gen auf dem Boden empfohlen), • Pflicht zur Einnahme fester zuzuwei- sender Sitzplätze mit entsprechender Positionierung der Tische bzw. der Be- stuhlung, wobei bei Geltung der 1,5-Me- ter-Abstandsregel, je nach Berechnungs- methode (Kreisfläche oder Quadrat), pro Person von einem Mindestabstand in jeder Richtung zwischen 7 und 9 qm auszugehen ist, • Bekanntgabe der einzuhaltenden Regeln durch Aushänge, • mit Blick auf die jeweils maximal zu- lässige Personenzahl ist hinsichtlich der Wahl der Größe des Veranstaltungs- orts grundsätzlich davon auszugehen, dass sämtliche Eigentümer erscheinen, • Zurverfügungstellung von Handdesin- fektionsmitteln, • Desinfektion der Kontaktflächen vor und nach der Versammlung, • Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit (dürfte durch die Anwesenheitsliste si- cher gestellt sein), • Verpflichtung zumTragen einer Mund- Nasen-Bedeckung aufgrund des Haus- rechts ungeachtet landesrechtlicher Bestimmungen (die ggfls. beim Platz- nehmen amTisch abgenommen werden darf), 9 Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 24 Rn. 119. 10 AG Dortmund, Urt. v. 28.5.2020 - 514 C 84/20, demn. in ZMR. 11 Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Auflage 2019, § 24 Rn 2; a. A. Staudinger/Häublein, WEG (2018), § 24 Rn 42.
Hamburg-Wandsbek, Urt. v. 15.12.2015 - 750 C 22/15, ZMR 2016, 316; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 23 Rn. 65; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 23 Rn. 135 ff.
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ne Bedenken gegen die Abhaltung von Eigentümerversammlungen (unter Auf- lagen) hat, kann auch dem jeweiligen Wohnungseigentümer (auch wenn er einer sog. Risikogruppe angehört) eine Teilnahme zugemutet werden, zumal es keine Pflicht zum persönlichen Erschei- nen gibt und sich der Wohnungseigen- tümer vertreten lassen kann 10 . Umgekehrt dürfte die Frage der Höhe der Kosten mit Blick auf die aus § 24 Abs. 1 WEG resultierende Pflicht zur Abhaltung zu- mindest einer Eigentümerversammlung pro Jahr auch keine Unzumutbarkeit für die übrigen Wohnungseigentümer be- gründen. c) Fehlende Notwendigkeit Hier vertretener Auffassung nach kann jedoch zu berücksichtigen sein, dass die Nicht-Abhaltung der zwar gesetzlich jähr- lich vorgesehenen, letztlich aber im Ein- zelfall objektiv nicht erforderlichen Ei- gentümerversammlung dem Verwalter nicht zumVorwurf gemacht werden kann. Die Einberufung einer objektiv nicht er- forderlichen Eigentümerversammlung verstößt nach einer hierzu vertretenen Rechtsauffassung (der hier gefolgt wird) nämlich gegen die dem Verwalter (und auch den übrigenWohnungseigentümern) obliegende Pflicht zum Schutz der Eigen- tümergemeinschaft vor unnötigen Ver- waltungskostenaufwand 11 . Dabei ist hier vertretenerAuffassung nach insbesondere zu berücksichtigen, ob tat- sächlich und welche gewichtigen Tages- ordnungspunkte einer Beschlussfassung bedürfen sowie ob diese den entstehenden
erheblichen Kostenaufwand für die Durch- führung der Eigentümerversammlung rechtfertigen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Aufforderung zur Abhaltung ei- ner Eigentümerversammlung rechtsmiss- bräuchlich sein kann, wenn tatsächlich keinerlei relevante Beschlussgegenstände zur Entscheidungsfindung anstehen 12 . 4. Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass, sofern die öffentlich-rechtlichenAuflagen erfüllt werden können, grundsätzlich von einer Pflicht desVerwalters zurAbhaltung einer Eigentümerversammlung (im Jahre 2020) auszugehen ist, sofern nicht die vorstehend behandeltenAusnahmen ein- greifen. Das oben gefundene rechtliche Ergebnis wird indes in der Praxis regel- mäßig nicht überzeugen. Abgesehen von den faktischen Problemen, die die Suche nach geeignetenVeranstal- tungsräumen mit sich bringt, werden die hohen Kosten der CoronakonformenAb- haltung einer Eigentümerversammlung von denWohnungseigentümern regelmä- ßig nicht akzeptiert. 5. Alternative Lösungsmöglichkeiten Daher entspricht es einem dringenden Bedürfnis der Praxis, Verwaltern, Beirä- ten und Wohnungseigentümern flexible und praxisorientierte Lösungen anzu- bieten. a) Schriftliches Beschlussverfahren So kann zunächst daran gedacht werden, die Beschlussfassung in der Eigentümer- versammlung durch das sog. schriftliche 16 Rechtswidrigkeit: LG Hamburg, Urt. v. 12.7.2017 - 318 S 31/16, ZMR 2017, 828; LG Karlsruhe, Urt. v. 7.7.2017 - 7 S 74/16, ZWE 2017, 362; AG Hamburg-Barmbek, Beschl. v. 16.3.2007 - 881 II 34/06, ZMR 2009, 406; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, Rn. 116.
Umlaufbeschluss-Verfahren gem. § 23 Abs. 3 WEG zu ersetzen.
aa) Nachteile des schriftlichen Beschlussverfahrens
Nachteilig ist am schriftlichen Beschlus- sverfahren, dass sämtliche Eigentümer (auch vom Stimmrecht ausgeschlossene) mitwirken und dem Beschluss in Schrift- form (d.h., schriftliche Urkunde mit Ori- ginalunterschrift; E-Mail, Fax oder digi- tale Übermittlung reichen nicht aus) zustimmen müssen, der für seine Wirk- samkeit auch der (schriftlichen) Verkün- dung bedarf 13 , weshalb dies rechtssicher in der Praxis nur bei kleinen oder sehr homogenen (und anfechtungsfreien) Ge- meinschaften gelingen wird. Abzuraten ist hier vertretener Auffassung nach von der positivenVerkündung eines schriftlichen Umlaufbeschlusses durch denVerwalter, wenn die gesetzlich erfor- derliche allseitige schriftliche Zustimmung nicht vorliegt, da höchstrichterlich nicht entschieden und in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, ob überhaupt ein Beschluss zustande kommt (sog. Nicht- Beschluss) 14 , der Beschluss nichtig 15 oder (nur) rechtswidrig und anfechtbar ist 16 . Dies insbesondere wegen der für den Verwalter fatalen Haftungsfolgen der Verkündung und Durchführung eines überhaupt nicht gefassten oder nichtigen Beschlusses sowie aufgrund der denVer- walter unabhängig von § 49Abs. 2WEG treffenden Schadensersatzpflicht für die Verkündung ersichtlich rechtswidriger Beschlüsse 17 .
15 Nichtigkeit: LG München I, Urt. v. 18.7.2013 - 36 S 20429/12 WEG, ZMR 2014, 53.
17 BGH, Urt. v. 8.2.2019 - V ZR 153/18, ZMR 2019, 696; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 23 Rn. 180 f.
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bb) Vorteile des schriftlichen Beschlussverfahrens
[zumindest einer Person (Eigentümer oder Bevollmächtigter) aus] 19 .
gleichwohl eine Eigentümerversammlung abgehalten werden, etwa weil wichtige bzw. dringliche Entscheidungen getrof- fen werden müssen, die nicht auf den Verwalter delegiert werden können, wie etwa über unaufschiebbare Instandset- zungsmaßnahmen, so empfiehlt sich die Abhaltung einer sog. Ein-Mann-Ver- sammlung bzw. einer „Vertreter-Ver- sammlung“ mit ggfls. „abgespeckter“ Tagesordnung. Der Verwalter kann hierzu denVersamm- lungsort in seine Geschäftsräume verlegen und die Tagesordnung auf die wichtigsten Punkte zusammenkürzen. Dabei sollte er im Rahmen der Einladung ausdrücklich kommunizieren, dass mit Blick auf das derzeit bestehende Versammlungsverbot bzw. das bestehende Infektionsrisiko drin- gend darum gebeten wird, vom persönli- chen ErscheinenAbstand zu nehmen und stattdessen dem Verwalter (oder notfalls gebündelt dem Beiratsvorsitzenden oder
Interessant am schriftlichen Beschlus- sverfahren ist indes, dass dieses nicht zwingend vomVerwalter initiiert werden muss, vielmehr kann jeder Wohnungsei- gentümer (auch der Vertreter eines Ei- gentümers) das Verfahren einleiten, die Zustimmungserklärungen der Eigentümer entgegennehmen und das Beschlusser- gebnis verkünden 18 . b) Virtuelle Eigentümerversammlung Von virtuellen Versammlungen, z. B. per Telefon-, Videokonferenz oder Chat, ist mangels ausdrücklicher Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung (in der Praxis die absolute Ausnahme) dringend abzu- raten, da hierfür (noch) kein rechtlicher Rahmen geschaffen wurde, es sich also im Rechtssinne nicht umVersammlungen handelt. DasWEG nach derzeitigem Stand geht in jedem Fall von der persönlichen Anwesenheit der Wohnungseigentümer 18 LG Karlsruhe, Urt. v. 7.7.2017 - 7 S 74/16, ZWE 2017, 362; Riecke/Schmid/Drabek, WEG, 5. Aufl. 2019, § 23 Rn. 43 ff. 19 AG Königstein, Beschl. v. 16.11.2007 - 27 C 955/07, NZM 2008, 171.
Auch teilweise virtuelle Versammlungen (bei persönlicheAnwesenheit von Eigen- tümern unter „Zuschaltung“ weiterer Teilnehmer) sind dementsprechend, ins- besondere wegen desVerstoßes gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit, nicht rechts- sicher. Dergestalt gefasste Beschlüsse dürften zwar nicht nichtig, aber in jedem Fall rechtswidrig und anfechtbar sein 20 . Ungeachtet dessen ist es aber zulässig, wenn die abwesenden Eigentümer mit ihrem Vertreter in der (Ein-Mann-)Ver- sammlung per SMS, E-Mail oder auf sonstige Weise digitalen Kontakt halten und z.B. Anweisungen erteilen. c) Das Mittel der Wahl: Die „Ein-Mann-Versammlung“ [Vertreter-Versammlung] Soll trotz der bestehenden Hindernisse
20 Hügel/Elzer, WEG, 2.Aufl. 2018, § 23 Rn. 17; Jennißen/ Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 23 Rn. 27..
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- Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Schwerpunkt: Wohnungseigentums- und Mietrecht sowie Makler- und Bauträgerrecht - Praktiker, Fachautor und Referent namhafter Tagungsveranstaltungen www.krall-kalkum.de RA Rüdiger Fritsch
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einer anderen zur Vertretung bereiten und befugten Person) eine formgültige Voll- macht, gegebenenfalls mit Weisungen zur Abstimmung, zu erteilen. Die sog. „Ein- Mann-Versammlung“ der bereits inVoll- zug gesetzten (auch werdenden) Woh- nungseigentümergemeinschaft ist von der Rechtsprechung als zulässig anerkannt, da es grundsätzlich keine Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Versamm- lung gibt, zumal jeder Wohnungseigen- tümer mittels Vollmacht und gegebenen- falls erteilter Weisung Einfluss auf die Beschlussfassung nehmen kann 21 . Erteilt die Mehrheit der Eigentümer eine Voll- macht, ist eine solche Versammlung in aller Regel auch beschlussfähig. So kann der Verwalter die Versammlung imAusnahmefall auch ohneAnwesenheit weiterer Personen durchführen und wirk- sam Beschlüsse verkünden. Das Protokoll sollte er dann den Eigentümern aber zeit- nah übermitteln.
Mit Blick auf den Umstand, dass der be- wussteAusschluss eines Eigentümers von der Teilnahme an der Versammlung zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse füh- ren kann, sollte es aber vermieden werden, in der Einladung ein Verbot der persön- lichen Teilnahme an der Versammlung auszusprechen 22 . Erscheinen trotz des vorstehend vorge- schlagenen Hinweises gleichwohl so vie- le Eigentümer persönlich, dass die öffent- lich-rechtlichen Auflagen nicht (weiter) erfüllt werden können, so ist der Verwal- ter berechtigt und verpflichtet, die Ver- sammlung abzusagen bzw. abzubrechen 23 . Entscheidungen, die im Kreise der Ei- gentümer umstritten sind oder besonderer Erörterung bedürfen, wie z. B. eine nicht sofort umzusetzende größere Instandset- zungsmaßnahme, sollten aber nicht im Rahmen einer „Ein-Mann-Versammlung“ getroffen werden 24 .
21 OLG München, Beschl. v. 11.12.2007 – 34 Wx 14/07, ZMR 2008, 409; OLG Hamm, Beschl. v. 3.6.2008 – I-15 Wx 15/08, ZMR 2009, 217; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 23 Rn. 30.
22 BGH, Urt. v. 5.7.2012 - V ZR 241/12, ZMR 2013, 975. 23 BGH, Urt. v. 10.6.2011 - V ZR 222/10, ZMR 2011, 892; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 24 Rn. 4. 24 BT-Drs. 19/18110, S. 31.
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- Fachanwalt für Miet-, Wohnungseigentums-, Immobilien- und privates Baurecht, Hamburg RA Lenard Schulze
- Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Essen RA Klaus Eichhorn
Weiterhin wirkten an dieser Ausgabe mit: Massimo Füllbeck
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››› Mietrecht ‹‹‹ von RA Lenard Schulze Update: Schönheitsreparaturen (Wann muss die Wohnung renoviert werden?)
Der Bundesgerichtshof verkündete am 8. Juli 2020 zwei Urteile, VIII ZR 163/18 undVIII ZR 270/18. Über sie wurde auch in der Presse, dies aber teilweise missver- ständlich, berichtet. 1. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichts- hofs ist unter anderem für Wohnraum- mietrecht zuständig und entschied, dass ein Mieter, dem bei Mietbeginn eine unrenovierte Wohnung überlassen wur- de, auf den die Durchführung von Schön- heitsreparaturen nicht wirksam abge- wälzt wurde, vomVermieter die Durch- führung von Schönheitsreparaturen verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszu- standes eintrat. Allerdings muss er sich in diesem Fall an den hierfür anfallenden Kosten beteiligen, wobei im Regelfall von einer hälftigen Kostenbeteiligung auszugehen ist. In den vom Bundesgerichtshof beurteilten Fällen handelte es sich umMieter, die 1992 bzw. 2002 ihreWohnungen unrenoviert anmie- teten. In beiden Fällen war den Mietern die Durchführung der Schönheitsrepara- turen im Formularmietvertrag übertragen worden. Der Bundesgerichtshof bestätigte in bei- den Urteilen, dass die formularmäßige Schönheitsreparaturklausel unwirksam ist, wenn dem Mieter die Wohnung un- renoviert überlassen wird. Dies begründet er damit, dass durch die Regelung vom gesetzlichen Leitbild, § 535 I 2 BGB, abgewichen wird und der Mieter dafür keinen angemessenen finan- ziellen Ausgleich erhält. § 535 I 2 BGB lautet: „Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während
der Mietzeit in diesemZustand zu erhalten.“
Wenn keine Besonderheiten vorliegen, soll dies eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten. Dies hat zur Folge, dass für den Fall, dass der Mieter die Vornahme von Schönheitsreparaturen durch den Vermieter fordert, der Vermieter eine Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden kann. Verlangt ein Mieter von dem Vermieter, wenn dieser sich in Verzug befindet, die Zahlung eines Kostenvorschusses, führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten. Wir halten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für dogmatisch problematisch, auch argu- mentativ für schwierig, weil ein Mieter, der eineWohnung unrenoviert übernimmt, diesen Zustand als vertragsgemäß akzep- tiert, damit auch, daß sich der unreno- vierteAnfangszustand weiter verschlech- tert, weil dies zwangsläufig ist, es der Mieter auch durch sein Wohnverhalten beeinflusst. Es könnte argumentiert werden, dass ein Anspruch des Mieters nur bestehen darf, wenn mindestens Substanzschäden vor- zubeugen ist. Die Urteile sollten aber pragmatisch behandelt werden: Die deutschen Mietgerichte werden sich an den Entscheidungen des BGH orien- tieren, so dass Wohnungen einem Mieter entweder bei Mietbeginn stets frisch re- noviert überlassen werden sollten oder, wenn dazu keine Bereitschaft oder keine Möglichkeit besteht, sollte dem Mieter bei Mietbeginn ein angemessener Aus- gleich gewährt werden, der ihn so stellt, als hätte der Vermieter ihm eine renovier- te Wohnung überlassen. Letzteres wird in der Praxis nicht möglich sein: Der Mieter soll Miete zahlen, kein Geld erhalten.
Von dieser Verpflichtung, „sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhal- ten“ wird in nahezu sämtlichen deutschen Wohnraummietverträgen abgewichen, indem der Mieter stets zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet wird. Da die Klausel bei der Überlassung einer unrenoviertenWohnung unwirksam ist, tritt an ihre Stelle die vorstehend zi- tierte, gesetzlich normierte, Erhaltungs- pflicht des Vermieters, die aber nur dar- in bestehen kann, den Zustand der Woh- nung herzustellen, in dem sie sich im Zeitpunkt ihrer Überlassung an den Mieter befand. Der Mieter hatte sich bei Anmietung da- mit abgefunden, dass ihm die Wohnung unrenoviert überlassen wird. In diesem Zustand hatte er sie besichtigt und ange- mietet. Die Wiederherstellung des (ver- tragsgemäßen)Anfangszustandes, nämlich einer unrenovierten Wohnung, wird in der Regel nicht praktikabel, jedenfalls nicht sinnvoll sein und nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien liegen. Vielmehr kann die Durchführung von Schönheitsreparaturen nur sach- und in- teressengerecht sein, wenn die Wohnung in einem frisch renovierten Zustand ver- setzt wird. Dadurch werden aber auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor Über- lassung der Wohnung an den Mieter be- seitigt, so dass der Mieter die Wohnung in einem besseren Zustand erhielte, als er vertragsgemäß war, „unrenoviert“. Dies führt dazu, dass sich der Mieter an den Kosten der Renovierung angemessen zu beteiligen hat. Zusammengefasst entschied der Bundes- gerichtshof, dass der Mieter zwar vom Vermieter eine „frische“ Renovierung ver- langen kann, sich aber angemessen an den erforderlichen Kosten zu beteiligen hat.
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2. In keinem Fall sollte darauf vertraut wer- den, dass eine etwa zwischen dem frühe- ren und dem neuen Mieter getroffene Renovierungsvereinbarung wirksam ist. Der Bundesgerichtshof entschied bereits in seinem Urteil vom 22. August 2018, VIII ZR 277/16, „dass die Wirkungen eines Schuldverhältnisses grundsätzlich auf die daran beteiligten Parteien be- schränkt sind…“ Dies bedeutet, dass sich der Vermieter, weil er an der Vereinbarung zwischen dem Vormieter und dem Mieter nicht beteiligt war, sich auf diese nicht berufen kann. Es kommt vielmehr auf die tatsäch- lichen Umstände an, nämlich, ob die Wohnung tatsächlich bei Mietbeginn re- noviert oder unrenoviert übergeben wur- de. Eine zwischen einem Vormieter und dem neuen Mieter getroffeneVereinbarung wäre nur relevant, wenn sich der Vermie- ter ausdrücklich an ihr beteiligt. Wir raten von derartigenVereinbarungen aus Grün- den der Rechtsklarheit ab. 3. Auch dann, wenn eineWohnung bei Miet- beginn renoviert übergeben wird, raten wir, Abgeltungsklauseln, nach denen sich der Mieter für den Fall verpflichtet, dass Schönheitsreparaturen bei seinemAuszug noch nicht fällig sind, Renovierungsin-
tervalle zeitanteilig zu entschädigen, nicht zu vereinbaren. Der Bundesgerichtshof hielt früher derartige Regelungen für wirksam, ging aber dazu über, diese Re- gelungen für unwirksam zu halten und begründet denWechsel seiner Rechtspre- chung damit, dass höchstrichterlicher Rechtsprechung kein Vertrauensschutz zuzubilligen sei. Sie sei kein Gesetzestext, würde daher keine vergleichbare Rechts- bindung erzeugen. Er argumentiert nach dem Motto „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Der Bundesgerichtshof gab mit seinem Urteil vom 18. März 2015, VIII ZR 242/13 bewusst seine frühere Rechtsprechung auf und entschied, dass Quotenabgel- tungsklauseln unwirksam, weil unange- messen, sind. Sie würden von dem Mie- ter bei Vertragsschluss verlangen, zur Ermittlung der auf ihn im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zukommenden Ko- stenbelastung mehrfach hypothetische Betrachtungen anzustellen, was eine si- chere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen würde. Von derVereinbarung von Quotenklauseln, zum Beispiel „Sind bei Beendigung des Mietverhältnisses einzelne oder sämtliche Schönheitsreparaturen noch nicht fällig, so hat der Mieter die zu erwartenden Ko- sten zeitanteilig an den Vermieter im
allgemeinen nach folgender Maßgabe (Quote) zu bezahlen: Liegen die letzten Schönheitsreparaturen gerechnet ab Über- gabe der Mietsache während der Mietzeit bei den Nassräumen (Küchen, Bädern und Duschen) länger als ein Jahr zurück, so zahlt der Mieter 33% der Kosten, lie- gen sie länger als zwei Jahre zurück, 66,66 %...“ ist daher abzusehen. Häufig wird sich ein Mieter an seine ver- traglich vereinbarten Zusagen halten, nicht darüber nachdenken, ob ihn verpflichten- de Regelungen unwirksam sind. Im Streit- fall kann es aber erhebliche Probleme geben, weil nahezu sämtliche deutschen Mietverträge von der gesetzlichen Rege- lung abweichen, indem sich der Mieter verpflichtet, auf seine Kosten, die Schön- heitsreparaturen in den Mieträumen aus- zuführen beziehungsweise ausführen zu lassen. Wenn daher, auch bei der Überlassung von renoviertenWohnungen, unwirksame Klauseln vereinbart werden, gelten nicht sie, sondern das Gesetz, damit die Reno- vierungspflicht des Vermieters.
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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Klaus Eichhorn Probleme mit dem Trittschall im Wohnungseigentum
Tauscht der Eigentümer den Boden- belag eines Altbaus z.B. gegen Fliesen aus, ergeben sich oft Probleme mit dem Bewohner der darunter gelegenen Wohnung wegen des Trittschalls. Dann stellt sich oft die Frage, welche Anfor- derungen einzuhalten sind. Im Wohnungseigentum sind nach dem BGH (Urteil v. 01.06.2012 –V ZR 195/11) grundsätzlich die zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Schutzwerte zu beachten. Allein der Austausch des Bo- denbelags reicht nicht aus, die im Zeit- punkt des Umbaus geltende Ausgabe der DIN 4109 heranzuziehen. Im Einzelfall kann sich durch besondere Regelungen zum Schallschutz in der Teilungserklärung oder andere prägende Umstände wie eine von Beginn an vorgesehene besondere Ausstattung oder eine bauliche Verände- rung des Gebäudes anderes ergeben. Darüber hinaus besteht kein allgemeiner Anspruch, einen vorhandenen Trittschall- schutz zu erhalten, der die Mindestanfor- derungen übersteigt. Jetzt musste der BGH (Urteil vom 26.06.2020 – V ZR 173/19) einen Fall entscheiden, in dem ein Haus 1962 er- richtet und 1995 in Wohnungseigentum umgewandelt wurde. Der Eigentümer der Wohnung im 2. Obergeschoss verlangte von dem Eigentümer der Dachge-
schosswohnung, in seiner vermieteten Wohnung Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bo- denbelag mit einem "Trittschallverbesse- rungsmaß" verlegen zu lassen. Seitdem dessen Mieter 2008 einenTeppich entfernt und Fliesen verlegt habe, sei deutlich, dass die Wohnungstrenndecke nicht den Anforderungen der DIN 4109 in der im Jahr 1995 geltenden Fassung genüge. Der BGH gibt dem Kläger recht, da er durch die Entfernung des Teppichs einen Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG hat. Der Schallschutz richte sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegrif- fen werde. Das gelte auch dann, wenn die Trittschalldämmung mangelhaft sei und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanfor- derungen entspräche. Wird der Mangel erst durch denAustausch des Bodenbelags erkennbar, weil die Trittschalldämmung unzureichend sei, ändere dies nichts an dem vom Wohnungseigentümer nach Austausch des Bodenbelags einzuhalten- den Schallschutz. Auch wenn dieser in erster Linie durch die im Gemeinschafts- eigentum stehenden Bauteile gewährlei- stet werde, ändere sich hierdurch nichts an den Pflichten derWohnungseigentümer
bezüglich des Schallschutzes bei einer Änderung des Bodenbelags. Maßgeblich sei die DIN 4109 in der Ausgabe von 1989, weil das Dachgeschoss 1995 aus- gebaut worden sei. Unwesentlich sei, dass der Kläger den Trittschall nur wegen eines Mangels der Wohnungstrenndecke höre. Vielmehr müsse der störende Eigentümer auf Ver- langen seineWohnung immer verändern. Allerdings kann er von der Gemeinschaft eine Ertüchtigung der Wohnungstrenn- decke verlangen. Praxistipp 1. Sehen Sie sich die schriftlichen Grund- lagen der Teilungserklärung im Woh- nungseigentum an. 2. Ergeben sich hieraus keine Besonder- heiten, ist im Regelfall die DIN 4109 zum Zeitpunkt der Errichtung des Ge- bäudes einzuhalten. Nur auf Grund spezieller Besonderheiten des Einzel- falls wie z.B. einer umfassenden Sa- nierung etc. können sich hiervon Ab- weichungen ergeben. 3. WelcheAusgabe der DIN-Norm konkret zu beachten ist, wäre zu prüfen und kann durchaus umstritten sein. Im Er- gebnis erscheint es sinnvoller, vorsorg- lich in eine gute Trittschalldämmung
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zu investieren als in einen nachfolgen- den Streit darum, welche Anforderun- gen hierbei einzuhalten sind.
nahme geltenden Anforderungen an den Schallschutz einzuhalten sind, bestimmt sich nach dem Gewicht des Eingriffs in die Gebäudesubstanz. Nur grundlegende Um- oder Ausbauten wie etwa ein Dachgeschossausbau be- gründen eine Pflicht zur Beachtung der aktuellen technischen Anforderungen an den Schallschutz; dagegen kann bei Sa- nierungsmaßnahmen, die der üblichen Instandsetzung oder (gegebenenfalls zu- gleich) der Modernisierung des Sonderei- gentums dienen, ein verbessertes Schall- schutzniveau im Grundsatz nicht bean- sprucht werden (Fortführung von Senat, NJW 2012, 2725 Rn. 11; NJW 2015, 1442 = ZfIR 2015, 391 Rn. 7).
Weitere interessante Entscheidungen zur Trittschall- dämmung im Sondereigentum
BGH, Urteil vom 01.06.2012, V ZR 195/11
Der DIN 4109 kommt ein erhebliches Gewicht zu, soweit es um die Bestimmung dessen geht, was dieWohnungseigentümer an Beeinträchtigungen durch Luft-und Trittschall zu dulden haben. Der zu ge- währende Schallschutz richtet sich grund- sätzlich nach den im Zeitpunkt der Er- richtung des Gebäudes geltenden Schutz- werten. Der Umstand, dass ein vorhan- dener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt wird, rechtfertigt nicht die Heran- ziehung der zur Zeit der Durchführung der Maßnahme geltenden Ausgabe der DIN 4109. Es gibt keinen allgemeinen Anspruch auf Beibehaltung eines vorhan- denen, die Mindestanforderungen über- schreitenden Trittschallschutzes.
BGH, Urteil vom 16.3.2018, V ZR 276/17
Ob nach einer Baumaßnahme im Bereich des Sondereigentums, bei der auch in das gemeinschaftliche Eigentum eingriffen worden ist, die im Zeitpunkt der Baumaß-
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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Die bauliche Veränderung Kann man bauliche Veränderungen überhaupt genehmigen?
1. Der Fall Teileigentümer T beantragt, dass ihm die Eigentümerversammlung diverse nicht unerhebliche Umbaumaßnahmen im Be- reich des von ihm als Bestandteil der Wohnungseigentümergemeinschaft be- triebenen Einkaufszentrums genehmigt. Dabei wird auch das gemeinschaftliche Eigentum nicht unerheblich umgestaltet. Die Wohnungseigentümerin W wendet ein, dass sie hierdurch benachteiligt wird und stimmt gegen die Maßnahme. Sämt- liche übrigen anwesenden Eigentümer stimmen für die Maßnahme. Verwalter V verkündet den Beschluss als zustande gekommen. W erhebt hiergegen Beschlus- sanfechtungsklage, woraufhin der be- schluss über die Genehmigung der bau- lichen Veränderung für ungültig erklärt wird. Verwalter V soll nun die Prozes- skosten bezahlen.
2. Das Problem Der Wortlaut der gesetzlichen Bestim- mung des § 22 Abs. 1 WEG über die Genehmigung baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums gibt gleich mehrere Rätsel auf. So kann gemäß § 22 Abs. 1 WEG eine bauliche Veränderung durch einfachen Mehrheitsbeschluss ge- nehmigt werden, zugleich soll aber die Zustimmung aller hierdurch benachtei- ligten Wohnungseigentümer vorliegen. Ungeklärt war bislang, ob hieraus etwa folgt, dass, wenn sämtliche Eigentümer nachteilig betroffen sein könnten, ein Beschluss nur allstimmig gefasst werden kann, mit der Folge, dass nur in einer (in der Praxis so gut wie niemals vorkom- menden) Vollversammlung aller Eigen- tümer abgestimmt werden kann? Darf der Verwalter dann überhaupt einen Be- schluss als zustande gekommen verkün-
Bestellung: Jahresabo für nur 10 EUR (inkl. MwSt. und excl. Versand) Bitte senden Sie das leserlich ausgefüllte Formular per Post oder Fax an: 02 08. 30 27 68 -32 Massimo Füllbeck Sachverständiger für Wohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 · 45475 Mülheim an der Ruhr Die vielfach vonWohnungseigentümern an den Verwalter herangetragene Bitte, dieser möge doch in die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung einen Beschlussantrag über die Geneh- migung einer baulichen Veränderung aufnehmen, führte bislang regelmäßig zu einem gesundheitlich bedenklichen Anstieg des Blutdrucks des Verwalters. Handelte es sich nämlich um einen pro- fessionellen Verwalter, so wusste dieser, dass er sich damit auf juristisch erheblich vermintes Terrain begab, denn fast alle praxisrelevanten Streitfragen rund um die Genehmigung baulicher Veränderun- gen am gemeinschaftlichen Eigentum waren höchstrichterlich ungeklärt. Dan- kenswerter Weise hat nun der Bundesge- richtshof die drängendsten Fragen geklärt (vgl.: BGH, Urt. v. 29.5.2020 - V ZR 141/19). Ja, hiermit bestellen wir die Zeitschrift BEIRATaktuell im Jahresabo für nur 10 Euro (inkl. MwSt. und excl. Versand). Bitte senden Sie uns ____ Exemplar(e) zum nächsten Erscheinungs- termin zu. BEIRATaktuell umfasst 16 DIN-A4-Seiten mit den Themen: Technik, WEG-Recht, Mietrecht und Wirtschaft; erscheint 4 x im Jahr und kostet somit pro Einzelheft nur 2,50 Euro! WICHTIG: Das Abonnement ist für ein Kalender- jahr gültig und verlängert sich automatisch um ein weiteres Kalenderjahr, wenn es nicht fristgerecht 3 Monate vor Ablauf gekündigt wird. Die Rechnungsstellung erfolgt jährlich im Voraus.
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den, wenn dieser zwar mit großer Mehr- heit gefasst wurde, es sich aber nicht um eine Vollversammlung handelt? Zudem stellt sich die Frage, wer dann überhaupt im Vorfeld der Beschlussfassung prüft, ob und gegebenenfalls welche Eigentümer möglicherweise benachteiligt und daher zustimmungspflichtig sind und welche gegebenenfalls nicht? Aufgrund der be- stehenden Rechtsunsicherheit und dem sich hieraus ergebenden Haftungsrisiko wurdeVerwaltern daher empfohlen, jeden nicht mit 100% aller möglichen Stimmen gefassten Beschluss über die Genehmi- gung baulicher Veränderungen als abge- lehnt zu verkünden. Demnach war die Genehmigung bauliche Veränderungen rechtlich de facto nicht mehr möglich. 3. Die Entscheidung des BGH Der BGH entscheidet zunächst, dass es Sache des Verwalters ist, imVorfeld einer Beschlussfassung über die Genehmigung einer baulichenVeränderung des Gemein- schaftseigentums zu prüfen, ob und ge- gebenenfalls welche Eigentümer benach- teiligt und daher zustimmungspflichtig sind. Dass dies in der Praxis vom Ver- walter schlichtweg nicht geleistet werden kann, hat der BGH zwar ignoriert, lässt es aber mit den diesbezüglichen Bemü- hungen des Verwalters bewenden. Infor- miert dieser die Eigentümer im Vorfeld der Beschlussfassung über das Ergebnis
seiner Prüfung und weist auf seine dies- bezüglichen Bedenken hin, so haftet er nur für offensichtliche Fehleinschätzungen der Sach- und Rechtslage. Ferner entscheidet der BGH, dass der Beschluss über die Genehmigung einer baulichen Veränderung gem. § 22 Abs. 1 WEG mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann. Dass daneben die Zustim- mung derjenigen Eigentümer vorliegen soll, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden, wirkt sich nicht auf die Zuläs- sigkeit eines Mehrheitsbeschlusses aus. Das Zustimmungserfordernis ist keine Beschlussvoraussetzung, sondern nur Maßstab zur Beurteilung der Frage, ob der Beschluss ordnungsmäßiger Verwal- tung entspricht. Der Verwalter ist somit berechtigt, auch einen nicht mit 100% aller Stimmen gefassten Beschluss als zustande gekommen zu verkünden. Ist der Verwalter der Auffassung, dass eine nach § 22 Abs. 1 WEG notwendige Zustimmung fehlt, kann er, statt das Zu- standekommen des entsprechenden Be- schlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer imWege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen. Er ist hingegen nicht ohne Weiteres be- rechtigt, einen Negativbeschluss, d.h. die Ablehnung des Beschlussantrags mangels
Vorliegen von 100% JA-Stimmen, zu verkünden.
4. Auswirkungen auf die Praxis Die Entscheidung des BGH ist zu begrü- ßen, denn sie bringt endlich die lang er- sehnte Sicherheit in Bezug auf das Ab- stimmungsverfahren bei der Genehmigung baulicher Veränderungen. Nachteilig ist indes, dass der BGH die Tatsache voll- kommen ignoriert hat, dass der Verwalter von der ihm imVorfeld der Beschlussfas- sung abverlangten Prüfung, welche Ei- gentümer benachteiligt sein könnten oder nicht, vollkommen überfordert wird. Zum Beispiel: Muss der Verwalter im Vorfeld einer Ei- gentümerversammlung, in der es um die Genehmigung einer baulichen Verände- rung geht, prophylaktisch Lärmschutz- messungen veranlassen (die zudem nur auf der Grundlage von Simulationen durchgeführt werden können), um die Frage beantworten zu können, ob und welche Eigentümer nach der Vornahme der baulichen Veränderung eventuell durch Schall-Immissionen beeinträchtigt sein könnten?Wer zahlt die entstehenden Kosten?
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