BeiratAktuell-50

››› Mietrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Kein Widerrufsrecht des Mieters bei Mieterhöhung! Die Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhung bedarf keiner Widerrufsbelehrung

Einem Verbraucher, der mit einem Un- ternehmer einen Fernabsatzvertrag ab- schließt, steht gem. §§ 312c, 312g, 355 BGB ein freies Widerrufsrecht binnen einer Frist von 14 Tagen ab Vertrags- schluss zu. Fernabsatzverträge sind dabei Verträge, die zwischen einem Unterneh- mer und einemVerbraucher geschlossen werden und eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zumGegenstand haben, wobei für dieVertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich sog. Fernkommunikationsmittel verwendet werden (also Briefe, Telefonanrufe, Te- lefax, E-Mail, SMS etc.). Wird der Ver- braucher nicht gem. §§ 355, 356 BGB i.V.m.Art. 246, 246a EGBGB regelgerecht über das ihm zustehendeWiderrufsrecht belehrt, verlängert sich dieWiderrufsfrist von 2 Wochen um 1 Jahr. Ob dies ohne weiteres auf das Wohnraummietrecht anwendbar ist, hat der BGH in einer ak- tuellen Entscheidung geklärt (BGH, Urt. v. 17.10.2018 - VIII ZR 94/17). 1. Der Fall Vermieter V bittet Wohnungsmieter M schriftlich um dessen Zustimmung zu einer (berechtigten) Anpassung der Mie- te an die ortsübliche Vergleichsmiete. M erteilt die Zustimmung und zahlt zunächst die erhöhte Miete. Bald darauf erklärt er denWiderruf der Zustimmung zur Mieterhöhung und fordert die ge- zahlten Erhöhungsbeträge unter Hinweis auf eine fehlende Widerrufsbelehrung zurück. 2. Das Problem Der Mieter vonWohnraum ist typischer- weise Verbraucher, weshalb das Wider- rufsrecht auf einen mit einem Unterneh- mer geschlossenen Mietvertrag gem. § 312Abs. 4 BGB grundsätzlich anwend- bar ist. Unternehmer ist jede natürliche oder juristische Person oder eine rechts- fähige Personengesellschaft, die bei Ab- schluss eines Rechtsgeschäfts in Aus- übung ihrer gewerblichen oder selbstän- digen beruflichenTätigkeit handelt. Beim Abschluss eines Wohnraummietvertrags handeln alsoVermietungsgesellschaften,

Genossenschaften, private Großvermie- ter, etc., typischerweise als Unternehmer im Sinne des Verbraucherschutzrechts. Hinzu kommt, dass die Zustimmung zur Mieterhöhung in aller Regel im Sinne eines Fernabsatzgeschäfts durch Brief- wechsel zustande kommt. Nach dem reinen Gesetzeswortlaut müsste der Ver- mieter also den Mieter über ein diesem zustehendes Widerrufsrecht belehren. Dies ist in der Vergangenheit indes flä- chendeckend nicht erfolgt. Dies würde dazu führen, dass vonWohnungsmietern abgegebene Zustimmungserklärungen zur Anpassung der Miethöhe an die orts- übliche Vergleichsmiete noch binnen einem 1 Jahr und 2 Wochen frei wider- rufbar wären, weshalb die zwischenzeit- lich entrichtete erhöhte Miete vom Ver- mieter zurückzuzahlen wäre. Fraglich ist daher, ob die Regelungen des Verbrau- cherwiderrufs hier tatsächlich anwendbar sind. 3. Die Entscheidung des BGH Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Rechtsmeinung (vgl.: LG Berlin, Urt. v. 10.3.2017 - 63 S 248/16) ist der BGH der Auffassung, dass der Verbraucherwiderruf nicht auf die Zustimmung des Wohnraummieters zur Anpassung der Miethöhe an die orts- übliche Vergleichsmiete anwendbar ist. Der Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB erstreckt das Widerrufsrecht zwar auf „Verträge über die Vermietung von Wohnraum“. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist jedoch nach Mei- nung des BGH dahingehend einschrän- kend auszulegen, dass ein Widerrufs- recht des Mieters bei einer Zustim- mungserklärung zu einer vom Vermie- ter verlangten Erhöhung der Miete nach den §§ 558 ff. BGB nicht gegeben ist. Dies folge aus dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Ver- gleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufs- recht des Verbrauchers bei Fernabsatz- verträgen.

Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einerWohnung soll Fehlentschei- dungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise beste- henden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden. Dieser Zielsetzung des Gesetzes tragen, so der BGH, bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete indes die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters bereits uneingeschränkt Rechnung. Ge- mäß § 558a Abs. 1 BGB ist das (in Text- form zu erklärende) Mieterhöhungsver- langen vom Vermieter zu begründen. Damit wird demMieter bereits die Mög- lichkeit gegeben, die sachliche Berech- tigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Schon dadurch kann der Mieter seinen rechtsgeschäftlichen Wil- len ohne ein Informationsdefizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden. Außerdem räumt das Gesetz dadurch, dass derVermieter frühestens nachAblauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang des Mieterhöhungsverlangens Klage auf Erteilung der Zustimmung gegen den Mieter erheben kann (vgl.: § 558b Abs. 2 BGB), dem Mieter eine angemessene Überlegungsfrist ein, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob und gegebe- nenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimmt. Somit ist bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der verbraucher- schützenden Regelungen für Vertragsab- schlüsse im Fernabsatz erfüllt und eine Widerrufsbelehrung mangels bestehen- dem Widerrufsrecht des Mieters nicht erfolgen muss.

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BEIRAT AKTUELL 50/I-19

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