BeiratAktuell-48

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Der Aufzug und der Erdgeschosseigentümer Muss der Erdgeschosseigentümer auch für den Aufzug bezahlen?

Das gemeinschaftliche Eigentum einer WEG-Anlage ist, so besagen es die Re- gelungen des § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG, von der Wohnungseigentümerge- meinschaft zu betreiben, instand zu halten und instand zu setzen. Dabei sind die hierfür entstehenden Betriebs-, Wartungs- und sonstigen Instandhaltungskosten sowie die Kosten der Instandsetzung grundsätz- lich von sämtlichenWohnungseigentümern zu tragen, entweder nach dem gesetzlichen Verteilerschlüssel des § 16 Abs. 2 WEG nach Miteigentumsanteilen oder nach einem etwa abweichend vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel. Vielfach fehlt den Eigentümern aber die rechte Einsicht in dieses Prinzip der gemeinschaftlichen Kostentragung. Dies vor allem dann, wenn gegen eine anteilige Kostenübernahme durch den einzelnenWohnungseigentümer eingewendet werden kann, dass er gar keinen realen Nutzen aus einer Anlage oder Einrichtung hat, da er diese – rein sachlich gesehen sogar zutreffend – über- haupt nicht nutzen kann bzw. sinnvoller Weise gar nicht nutzt. Ein Paradebeispiel stellt die im Gemeinschaftseigentum ste- hende Aufzugsanlage dar, die der Eigen- tümer der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung tatsächlich weder benötigt, noch benutzt. Mit einem solchen, die Aufzugs- anlage einerWohnungseigentümergemein- schaft betreffenden kniffligen Fall musste sich das Landgericht München I in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung be- schäftigen (LG München I, Urt. v. 11.10.2017 - 1 S 18504/16). 1. Der Fall Die Wohnungseigentumsanlage ist mit einem Aufzug ausgestattet, über den allerdings nur die Wohnungen der oberen Stockwerke erreicht werden können. Als die Aufzugsanlage defekt ist und mit er- heblichem Kostenaufwand instand gesetzt werden muss, ist Eigentümer E, Besitzer der Erdgeschosswohnung, der Auffassung, dass er an den Kosten der Aufzugsanlage nicht zu beteiligen sei, da er von dieser überhaupt keinen Nutzen habe. Schließlich fahre der Aufzug noch nicht einmal in den Keller. E macht zudem geltend, dass es in

der Gemeinschaftsordnung heißt: „Die Betriebs- und Instandhaltungskosten tech- nischer Anlagen, die ausschließlich ein- zelnen Eigentümern zugutekommen, ins- besondere die der Aufzüge, sind nur von diesen Eigentümern zu tragen.“ 2. Das Problem Es gilt der Grundsatz, dass es für die Frage, ob sich ein einzelnerWohnungseigentümer an den Kosten des Gemeinschaftseigentums zu beteiligen hat, überhaupt nicht darauf ankommt, ob eineAnlage oder Einrichtung des Gemeinschaftseigentums dem betref- fenden Eigentümer einen persönlichen Gebrauchs- oder Nutzungsvorteil bietet oder nicht. Handelt es sich, wie vorliegend bei der Aufzugsanlage des Objekts, um gesetzlich zwingendes Gemeinschaftsei- gentum, so muss jeder Wohnungseigentü- mer für die Kosten aufkommen. Was gilt aber, wenn die Gemeinschaftsordnung eine abweichende Regelung trifft? Und wie ist die vorliegende Regelung, die ausdrücklich nur von den Betriebs- und Instandhaltungs- kosten spricht, auszulegen, wenn es um die Reparatur desAufzugs, also um dessen Instandsetzung geht? Das Landgericht München I bestätigt zunächst den Grundsatz, dass es für die Kostentragungspflicht nicht darauf an- kommt, ob der Erdgeschosseigentümer den Aufzug nutzen kann oder nicht. Al- lerdings besagt aufgrund der Wendung „zugutekommen“ die Regelung der Ge- meinschaftsordnung, dass es im vorlie- genden Ausnahmefall durchaus darauf ankommen soll, ob der Erdgeschosseigen- tümer durch den Aufzug einen Nutzungs- vorteil genießt oder nicht. Dabei stellt das Landgericht fest, dass aufgrund der Tat- sache, dass der Aufzug noch nicht einmal den Keller anfährt (in dem der Eigentümer einen Kellerraum besitzt), kein Gebrauchs- vorteil für den Erdgeschosseigentümer erkennbar ist. 3. Die Entscheidung des Landgerichts

weiter die Frage, ob mit der Formulierung der Gemeinschaftsordnung, wonach die „Betriebs- und Instandhaltungskosten“ nicht zu tragen seien, auch eine Freistellung des Erdgeschosseigentümers von den Re- paraturkosten des Aufzugs gemeint sein kann. Schließlich trennt das WEG in § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG die Begriffe der In- standhaltung und der Instandsetzung. Nach der juristischen Begriffsdefinition werden mit Betriebs- und Instandhaltungskosten nur die Strom-, Reinigungs-, Pflege- und Wartungskosten eines Aufzugs erfasst, während Reparaturen zur Behebung einer Funktionsstörung als Instandsetzung an- gesehen werden. Das Landgericht München I weist zutreffend darauf hin, dass Rege- lungen der Gemeinschaftsordnung, welche von dem Grundsatz der gemeinsamen Kostentragung aller Eigentümer abweichen wollen, eindeutig gefasst sein müssen. Verbleiben nicht aufklärbare Zweifel, so verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG. Sieht demnach die Gemeinschaftsordnung vor, dass (nur) die Betriebs- und Instandhaltungskosten der Aufzüge von den Eigentümern zu tragen sind, denen der Aufzug „zugutekommt“, so sind die Betriebs- und Instandhaltungs- kosten den Eigentümern der Erdgeschos- seinheiten nicht anzulasten, sofern der Aufzug nicht auch in den Keller fährt. Die Instandsetzungskosten sind allerdings, da nicht ausdrücklich benannt, von sämtlichen Eigentümern, also auch auf den Erdge- schosseigentümern, zu tragen. 4. Fazit Die Entscheidung des Landgerichts Mün- chen I ist zutreffend und fährt eine erfreu- lich klare Linie. Bestimmungen der Ge- meinschaftsordnung, die eineAbweichung von den gesetzlichen Grundregeln herbei- führen sollen, sind sprachlich genau zu formulieren. Erweist sich der Inhalt einer in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Vereinbarung als unklar, werden die ge- setzlichen Regelungen insoweit nicht wirk- sam abgeändert und es verbleibt ersatz- weise bei der Kostentragung sämtlicher Wohnungseigentümer.

Gleichwohl lässt es das Landgericht hier- bei nicht bewenden, denn es stellt sich

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BEIRAT AKTUELL 48/III-18

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