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Sonder- oder Gemeinschaftseigentum? Zur Abgrenzung des Sondereigentums vom gemeinschaftlichen Eigentum imWohnungseigentum
1. Die Frage aller Fragen Wird die Frage danach gestellt, was Sonder- oder Gemeinschaftseigentum ist, so wird inWahrheit eine ganz ande re, viel entscheidendere Frage gestellt. Nämlich die, wer im Kreise der Woh nungseigentümer für den Betrieb und die Erhaltung eines Bauteils, einer An lage oder Einrichtung des Gebäudes oder der Grundstücksfläche verantwort lich ist bzw. wer die Kosten hierfür auf zubringen hat. Handelt es sich umgemeinschaftliches Eigentum, ist die Gemeinschaft derWoh nungseigentümer (der neuen Diktion des BGH folgend abgekürzt: „GdWE“) verantwortlich, da diese gem. § 18 Abs. 1WEG für die gesamte Verwaltung des Gemeinschaftseigentums zuständig ist. Über Verwaltungsmaßnahmen das Ge meinschaftseigentum betreffend ent scheidenwiederumdieWohnungseigen tümer in der Eigentümerversammlung gem. § 19 Abs. 1WEG durch Beschluss. Die für den Betrieb und die Erhaltung (früher: Instandhaltung und Instandset zung) des gemeinschaftlichen Eigen tums anfallenden Kosten haben grund sätzlich sämtlicheWohnungseigentümer gemeinschaftlich zu tragen. Dies man gels Vereinbarung besonderer Kosten verteilerschlüssel oder abweichender Beschlüsse grundsätzlich nach dem Verhältnis der im Grundbuch eingetra genen Miteigentumsanteile (vgl.: § 16 Abs. 2 S. 1 WEG. Handelt es sich hingegen umSonderei gentum, so ist der jeweilige Sonderei gentümer alleine und auf eigene Kosten u.a. für dessen Unterhaltung verant wortlich. Dass mit Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020 die frühere Be stimmung des § 14 Nr. 1 WEG a.F. weg
gefallen ist, die dies ausdrücklich anord nete, ist dabei gleichgültig. Nach der zu Recht hierzu vertretenen Auffassung enthält die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 1WEG n.F., wonach der Sondereigentü mer verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was die übrigen Sondereigentümer über das unvermeidbare Maß hinaus beein trächtigt, stillschweigend die Verpflich tung zur Unterhaltung des Sonderei gentums auf eigene Kosten (vgl.: Hügel/ Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 14 Rn. 57). Tatsächlich ist die Abgrenzung des Son dereigentums vomgemeinschaftlichen Eigentum auch für Juristen mit Tücken verbunden. So musste sogar das Bun desverfassungsgericht bemüht werden, umeine amtsgerichtliche Fehlentschei dung zu korrigieren (vgl.: BVerfG, Beschl. v. 28.7.2014 – 1 BvR 1925/13, ZMR 2014, 960). 2. Warum ist die Unterscheidung oftmals so schwierig? a) Die sachenrechtlichen Grundsät ze der §§ 93, 94 BGB Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass Wohnungseigentum in der Syste matik des deutschen Immobilienrechts gem. §§ 93, 94 BGB eigentlich nicht vorgesehen ist. Gem. § 93 BGB können Gegenstände, die so zu einer einheitlichen Sache zu sammengefügt werden, dass diese nicht wieder voneinander getrennt werden können, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein (wesentliche Bestandteile). Auf die Errichtung eines Gebäudes be zogen bedeutet dies, dass das Eigentum an den zu dessen Herstellung eingefüg ten Bauteilen vomBauunternehmer bzw. aa) Das Gebäude als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks
Lieferanten auf denGebäudeeigentümer übergeht. Das Gebäude selbst wirdwiederumgem. § 94 BGB zumwesentlichen Bestandteil des Grundstücks, auf dem es errichtet wird. Aus diesen elementaren Grund sätzen folgt, dass nach deutschemRecht (in anderen Rechtsord-nungen ist dies abweichend geregelt) der Eigentümer des Grundstücks kraft Gesetzes grund sätzlich gleichzeitig auch der Eigentümer des darauf errichteten Gebäudes ist. bb) Das Problem: Eigentümermehr heiten an Gebäuden mit mehreren Wohnungen Hieraus ergibt sich für den Fall, dass mehrere Personen ein Grundstück z.B. mit einemdarauf zu errichtendenMehr familienwohnhaus erwerben, das Pro blem, dass die einzelnen Erwerber grund sätzlich nicht Allein-Eigentümer einer bestimmtenWohnung werden können. Aus den §§ 93, 94 BGB folgt nämlich, da mehrere Erwerber anteilig Miteigentü mer des Grundstücks werden, dass an jeder Wohnung ebenso nur anteiliges Miteigentum aller Erwerber entsteht. Ein Ergebnis, dass den einzelnen Immo bilienkäufer, der eigentlich nur eine Wohnung „für sich alleine“ erwerben und nutzenmöchte, verständlicherwei se abschreckt. b) Die Lösung: Miteigentum und Sondereigentum nach dem WEG DiesenMissstand versucht nun dasWoh nungseigentumsgesetz zu beheben, indem es das zwingend gemeinschaft liche Eigentum am Grundstück vom Eigentum an einer einzelnenWohnung (oder Gewerbeeinheit) abkoppelt.
BEIRATAKTUELL 66/ I-23
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