BEIRATaktuell_62

››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Bauliche Veränderung - neu gedacht - Teil II Das neue Recht der baulichen Veränderung imWohnungseigentum

4. Bauliche Veränderungen am Ge- meinschaftseigentum zugunsten Mehrerer Besonderheiten ergeben sich, wenn mehrere Eigentümer gemeinschaftlich eine baulicheVeränderung vornehmen wollen, da hier die Frage der anteiligen Kostentragung und der gemeinschaft- lichen Nutzung besonders zu bedenken ist. Fall 9: DieWohnanlage besitzt keine Abstell- möglichkeiten für Fahrräder vor dem Hauseingang und der Fahrradkeller ist ständig überbelegt. Die Eigentümer A, B und C stellen da- her den Antrag, auf eigene Kosten einen Fahrradständer mit drei Abstell- möglichkeiten rechts neben demHau- seingang installieren zu dürfen. Die Kostenwollen Sie gerne alleine tragen, und zwar zu je 1/3-Anteil; ebenso wol- len Sie festlegen, dass A die linke, B die mittlere und C die rechte Abstellmög- lichkeit des Fahrradständers nutzen dürfen. Bevor Verwalter V zur Abstimmung schreitet, schärft er den übrigenWoh- nungseigentümern, die alle nichts gegen die Maßnahme einzuwenden haben, sofern sie denn nicht mitbe- zahlenmüssen, ein, sich unbedingt bei der Abstimmung zu enthalten. a) Beschluss zur Tragung der Kosten und Nutzungen WirdmehrerenWohnungseigentümern dieVornahme einer baulichenVerände- rung des Gemeinschaftseigentums gem. § 20 Abs. 1WEG gestattet, so bestimmt § 21 Abs. 3WEG, dass diejenigen Eigen-

tümer, die eine bauliche Veränderung beschließen, alleine die Kosten der Maß- nahme zu tragen haben, allerdings auch alleine die Nutzung beanspruchen dür- fen, wobei hierfür als Maßstab die Grö- ße der Miteigentumsanteile dient. § 21 WEG – Nutzungen und Kosten bei baulichen Veränderungen (3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten bauli- chen Veränderungen haben die Woh- nungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach demVerhältnis ihrer Antei- le (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1. Hieraus folgt, dass jeder, der mit „JA“ stimmt, die Kosten der Maßnahmen mitzutragen hat. Daher ist denjenigen Eigentümern, die nichts gegen dieMaß- nahme einzuwenden haben, anzuraten sich zu enthalten, weshalbmit den„Ja“- Stimmen der Antragsteller der Mehr- heitsbeschluss zustande kommt und nur die Antragsteller die Kosten zu tra- gen haben. Mit Blick hierauf sind (um spätere Unsicherheit darüber, wer wie abgestimmt hat) die Stimmergebnisse (das Festhalten der Ja-Stimmen reicht aus) namentlich festzuhalten (vgl.: Leh- mann-Richter/Wobst,WEG-Reform2020, § 11 Rn. 1005, 1060 u. 1110; SEHR/Ab- ramenko, dieWEG-Reform 2020, § 5 Rn. 107). Da eine Kostenbeteiligung sowie eine Nutzung nach Miteigentumsanteilen regelmäßig als nicht sinnvoll angesehen werden dürfte, bestimmt die Regelung des § 21 Abs. 5 S. 1 WEG, dass mit ein- fachemMehrheitsbeschluss eine Ände- rung herbeigeführt werden kann.

Dabei darf aufgrund § 21 Abs. 3 S. 2WEG nicht vergessen werden, auch die Nut- zung ausdrücklich durch Beschluss zu regeln. § 21 WEG – Nutzungen und Kosten bei baulichen Veränderungen (5) Satz 1: Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. b) Das Trittbrettfahrer-Problem Soll mehreren Wohnungseigentümern dieVornahme einer baulichenVerände- rung des Gemeinschaftseigentums gem. § 20 Abs. 1 WEG gestattet werden, so ist im Vorfeld nicht sicher, ob die Ab- stimmung tatsächlich auch so erfolgen wird, wie im Vorfeld zwischen den an- tragstellenden Eigentümernbesprochen. Fall 10: Die Wohnanlage besitzt kein Vordach amHauseingang. Die Eigentümer A, B und C stellen daher den Antrag, auf eigene Kosten ein solches installieren zu dürfen. Die Kosten wollen Sie gerne alleine tragen, und zwar zu je 1/3-An- teil. Als es zu Abstimmung kommt, stimmen A und B mit „Ja“, C enthält sich aber der Stimme. Da § 21 Abs. 3WEG bestimmt, dass die- jenigen Eigentümer, diemit„Ja“ stimmen, alleine die Kosten zu tragen haben, müssten nun A und B das Vordach allei- ne bezahlen. Dabei können Sie es dem C nicht ver- bieten, das Vordach zu nutzen, da dieser den Hauseingang zwingend mitbenut-

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