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BeiratAktuell 61
BEIRATAKTUELL E n t s c h e i d e n d e I n f o r m a t i o n f ü r d e n V e r w a l t u n g s b e i r a t i m Wo h n u n g s e i g e n t u m E i n z e l p r e i s 8 , 5 5 ( i nk l . 7 % USt . )
UPDATE ZUR "NEUEN" BAULICHEN VERÄNDERUNG (Teil I)
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Novelle Heizkostenverordnung
Nutzungsverbot durch Beschluss?
Ausgabe: 61 Quartal IV-21
Impressum BEIRATaktuell erscheint seit 2006 viertel- jährlich und bietet entscheidende Infor- mation für Verwaltungsbeiräte imWoh- nungseigentum. Herausgeber /Verlag: Massimo Füllbeck Sachverständiger fürWohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 45475 Mülheim an der Ruhr
info@beirataktuell.de www.beirataktuell.de
Verantwortlich i. S. d. P.: Massimo Füllbeck
Massimo Füllbeck, Herausgeber
Redaktion: Massimo Füllbeck
Verehrte Leserinnen und Leser,
in den letzten Monaten erreichten uns verstärkt Anfragen zumThema der Bau- lichen Veränderung nach der WEG-Re- form 2020. Wir haben dies zum Anlass genommen, unseren langjährigen Autor Herrn RA Rüdiger Fritsch zu bitten, einen umfangreichen Artikel zu diesem noch jungen und komplexen Thema zu ver- fassen. DasThema ist derart umfangreich, dass wir zwei Teile veröffentlichenmüs- sen. Im ersten Teil geht es um die Bau- liche Veränderung, die ein Wohnungs- eigentümer durchführen möchte. Im zweiten Teil werden wir den Fokus auf mehrereWohnungseigentümer bzw. dieMehrheit derWohnungseigentümer richten. Darüber hinaus ist am 1.12.2020 die novellierte Heizkostenverordnung in Kraft treten, die für sämtliche Gebäude- eigentümer, Wohnungseigentümerge- meinschaften und natürlich Verwalter einige Veränderungen mit sich bringt. Eine anregende Lektüre, ein frohesWeih- nachtsfest sowie ein gesundes neues Jahr 2022 wünscht Ihnen
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Ihr Massimo Füllbeck
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››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Bauliche Veränderung - neu gedacht - Teil I Das neue Recht der baulichen Veränderung imWohnungseigentum
Von einer Darstellung der neuen Rege- lungen zum Individualanspruch auf Gestattung baulicher Veränderungen für Menschen mit einer Behinderung, für den Einbruchsschutz, das Laden elek- trisch betriebener Fahrzeuge und schnel- les Internet wird an dieser Stelle abge- sehen, da dies eine gesondert zu be- trachtende umfangreiche Spezialmate- rie darstellt. Grundsätzlich steht jedem Wohnungs- eigentümer gem. § 13 Abs. 1 WEG das Recht zu, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren, insbeson- dere dieses zu bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise zu nutzen sowie andere von Einwirkungen ausschließen. § 13 Abs. 1 WEG Rechte des Wohnungseigentümers aus dem Sondereigentum Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, insbesondere dieses bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen. 2. Bauliche Veränderungen am Son- dereigentum a) Erhaltungsmaßnahmen am Son- dereigentum Hieraus ergibt sich das Recht - und gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG auch die Pflicht- eines jeden Sondereigentümers, sein Sondereigentum so zu erhalten (d.h.
Durch das Inkrafttreten desWEMoG hat sich das Recht der baulichenVeränderun- gen imWohnungseigentum strukturell verändert. Ziel des Gesetzgebers ist es, die ener- getische und bautechnische Ertüchti- gung von Bestandsimmobilien zu er- leichtern sowie darüber hinaus die Durchführung von der Mehrheit der Eigentümer als sinnvoll angesehener baulicheVeränderungen zu ermöglichen. Zugunsten des einzelnenWohnungsei- gentümers ist zudem die Möglichkeit geschaffen worden, ihm individuelle baulicheVeränderungen leichter zu ge- statten. Verwalter, Verwaltungsbeiräte und Wohnungseigentümer sind gefor- dert, die neuen Regelungen anzuwen- den. Zwar sind etliche Probleme der Vergangenheit beseitigt worden, aus den geänderten gesetzlichen Bestim- mungen ergeben sich aber neue Zwei- felsfragen, denen hier nachgegangen und Hinweise für die praktische Anwen- dung der Neuregelungen gegebenwer- den sollen. 1. Überblick Neu ist insbesondere der Umstand, dass nun erstmals die Zulässigkeit baulicher Veränderungen am Sondereigentum geregelt ist (§ 13 Abs. 2 WEG). Das Recht der baulichenVeränderungen am Gemeinschaftseigentum ist nun in den §§ 20 und 21 WEG geregelt. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Interessenlagen, nämlich zwischen der vom einzelnen Eigentümer oder einer Gruppe einzelner Eigentümer gewünsch- ten (eigennützigen) baulichenVerände- rung und der von der überwiegenden Mehrheit der Eigentümer gewünschten (gemeinnützigen) baulichen Verände- rung.
instand zu halten und instand zu setzen), dass dadurch keinemder anderenWoh- nungseigentümer bezogen auf deren Sondereigentum oder das Gemein- schaftseigentum über das bei einem geordneten Zusammenleben unver- meidliche Maß hinaus ein Nachteil ent- steht. § 14 Abs. 2 WEG Pflichten des Wohnungseigentümers Jeder Wohnungseigentümer ist gegen- über den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht über das [bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß] hinaus zu beein- trächtigen; Auf welche Art undWeise die Erhaltung des Sondereigentums durchgeführt wird, ist alleine Sache des Sondereigentümers auf dessen eigene Kosten; diesbezüglich besteht weder eine Beschluss- noch eine Handlungskompetenz derWohnungsei- gentümergemeinschaft (vgl.: Hügel/ Elzer, WEG, 21. Aufl. 2021, § 14 Rn. 57). Da nach der neuen Rechtslage als bau- liche Veränderungen alle Maßnahmen angesehen werden, die über die bloße Instandhaltung (d.h. Pflege-, Schutz- und Wartungsmaßnahmen) und Instandset- zung (Reparatur oder Austausch), die auf die bloße Erhaltung des bestehenden Zustands gerichtet sind, hinausgehen, stellt sich die Frage, ob der Sonderei- gentümer auch berechtigt ist, nach Be- lieben bauliche Veränderungen an sei- b) Bauliche Veränderungen am Son- dereigentum
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gentum umbauen, was und wie er wol- le; eine Genehmigung benötige er nicht. Da sich die beschriebenen Baumaßnah- men ausschließlich auf das Sonderei- gentum beziehen, bedarf E einer Ge- stattung durch Beschluss der Eigentü- merversammlung gem. §§ 13 Abs. 2, 20 Abs. 1 WEG nicht, sofern er dabei die Grenzen seines Gebrauchsrechts gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG nicht durch ver- meidbare Störungen überschreitet. Bei baulichen Maßnahmen, die sich auf das Sondereigentum beschränken, ist mit Blick auf das freie Benutzungsrecht des Sondereigentümers gem. § 13 Abs. 1WEG grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die übrigen Eigentümer typische unvermeidbare und temporäre Störun- gen durch z.B. Baulärm oder den Trans- port und die Lagerung von Baumateri- alien als unvermeidbar hinzunehmen haben. Dauerhafte Störungen durch sich unge- bührlich lang hinziehende oder außer- halb der üblichen Bauzeiten durchge- führte Arbeiten am Sondereigentum müssen jedoch nicht hingenommen werden; hier ist einGestattungsbeschluss gem. §§ 13 Abs. 2, 20 Abs. 1WEG erfor- derlich (vgl.: Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform2020, § 11 Rn. 1223 ff.; 1230 ff ). bb) Bauliche Veränderungen im Sondereigentum am Gemein- schaftseigentum Vom oben dargestellten Fall der Aus- führung baulicher Veränderungen im räumlichen Bereich des Sondereigen- tums, die sich auf das Sondereigentum beschränken, ist der Fall strikt zu unter- scheiden, in demzwar Arbeiten im räum- lichen Bereich des Sondereigentums durchgeführt werden, diese aber (auch) das Gemeinschaftseigentum tangieren. Fall 2: Eigentümer E plant eine umfassende Renovierung seiner Wohnung, wobei auch eine Fußbodenheizung in den Est- rich imWohn-, Schlaf- und Badezimmer eingebaut werden soll. E meint, er könne in seinem Sonderei- gentum umbauen, was und wie er wol- le; eine Genehmigung benötige er nicht. Gem. § 5WEG stellen auch im räumlichen Bereich des Sondereigentums befindli-
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§ 20 Abs. 1 WEG Bauliche Veränderungen
nemSondereigentumvorzunehmen. Dies kann nämlich durchaus auch die Interes- sen der übrigen Eigentümer und der Ge- meinschaft berühren. aa) Bauliche Veränderungen nur am Sondereigentum Entgegen der früheren Gesetzesfassung, die diesbezüglich keine Regelung vorsah, bestimmt § 13 Abs. 2 WEG nun, dass der einzelne Wohnungseigentümer für bau- licheVeränderungen an seinemSonderei- gentumsehr wohl einer Gestattung durch Mehrheitsbeschluss der Eigentümerver- sammlung i.S.d. § 20 Abs. 1 WEG bedarf, dies allerdings nur dann, wenn hierdurch einemder anderenWohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusam- menleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. § 13 Abs. 2 WEG Rechte des Wohnungseigentümers aus dem Sondereigentum Für Maßnahmen, die über die ordnungs- mäßige Instandhaltung und Instandsetzung (Erhaltung) des Sondereigentums hinausgehen, gilt § 20 mit der Maßgabe entsprechend, dass es keiner Gestattung bedarf, soweit keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hin- aus ein Nachteil erwächst.
Maßnahmen, die über die ordnungsmä- ßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Der Sinn dieser Regelung besteht darin, dass der einzelne Sondereigentümer potentiell störende Maßnahmen zuvor anzuzeigen und um Gestattung nach- zusuchen hat, bevor er mit solchen Maßnahmenbeginnt, sodass die übrigen Wohnungseigentümer im Vorfeld der informiert werden und darüber entschei- den können, ob sie bestimmte Störungen im Sinne eines gemeinschaftlichen Zu- sammenlebens tolerieren wollen, bevor späterer Streit um die Maßnahme ent- brennt. Fall 1: Eigentümer E plant eine umfassende Renovierung seinerWohnung durch den kompletten Austausch aller Bodenbe- läge durch Teppiche, den Neuverputz sowie die Tapezierung allerWände, den Einbau neuer Innentüren sowie die Neu- verfliesung von Küche und Bad nebst Einbau einer neuen Sanitärausstattung. E will all dies nach Feierabend und am Sonntag in Eigenleistung durchführen und kalkuliert eine Bauzeit von ca. 12 Monaten. Die benötigten Baumaterialien will er im Hausflur lagern. E meint, er könne in seinem Sonderei-
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che Anlagen, Einrichtungen und Bautei- le zwingendes Gemeinschaftseigentum dar, sofern diese demgemeinschaftlichen Gebrauch dienen, für den Bestand oder die Sicherheit des Gebäudes erforderlich sind bzw. solche, die nicht verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass anderes Sondereigentumoder das Gemeinschaftseigentumbeeinträch- tigt wird. Bei Eingriffen in den im zwingenden Gemeinschaftseigentum stehenden Est- rich sowie in die Funktion einer Zentral- heizungsanlage, wie bei der Installation einer Fußbodenheizung, kann ersichtlich anderes Sondereigentum und das Ge- meinschaftseigentum beeinträchtigt werden. Mangels entsprechender Regelung sah die zum früheren Recht ergangene Recht- sprechung hier gleichwohl keine Not- wendigkeit einer beschlussweisen Ge- stattung, sofern der Sondereigentümer nur nachweisen konnte, dass die Maß- nahme (z.B. unter Beachtung der stati- schen, brandschutz- und schallschutz- technischen Vorschriften) sach- und fachgerecht erfolgte (vgl.: BGH, Beschl. v. 21.12.2000 - V ZB 45/00, ZMR 2001, 289). Dies hat sich durch §§ 13 Abs. 2, 20 Abs. 1 WEG entscheidend geändert. § 13 Abs. 2 WEG bezieht sich ausdrück- lich nur auf bauliche Maßnahmen (aus- schließlich) amSondereigentum. Soweit durch bauliche Maßnahmen, mögen diese auch nur im räumlichen Bereich des Sondereigentums ausgeführt wer- den, gemeinschaftliches Eigentum (mit) betroffen ist, gelten die §§ 20, 21 WEG unmittelbar; d.h. es ist in jedem Falle die vorherige Einholung eines Gestattungs- beschlusses erforderlich (vgl.: Lehmann- Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, § 11 Rn. 1235). 3. Bauliche Veränderungen am Ge- meinschaftseigentum zugunsten Einzelner Aus § 20 Abs. 1 WEG folgt, dass als bau- liche Veränderung nunmehr alles gilt, was über die Erhaltung des gemein- schaftlichen Eigentums hinausgeht. a) Nicht-störende bauliche Verände- rungen Weiter folgt aus § 20 Abs. 1, dass jede
baulicheVeränderung eines Gestattungs- beschlusses der Eigentümerversamm- lung bedarf; fehlt ein solcher Beschluss, ist alleine schon deshalb die Baumaß- nahme rechtswidrig, auchwenn sie nicht nachteilig ist (vgl.: Skauradszun/Elzer/ Hinz/Riecke/Abramenko, Die WEG-Re- form 2020, § 5 Rn. 4 u. 37 [imWeiteren: SEHR/Bearbeiter]). Fall 3: Eigentümer E plant, da seine Dachge- schosswohnung bauzeitbedingt kaum gedämmt ist, eine Klimaanlage in der nicht einsehbaren Ecke seiner Loggia aufzustellen und möchte hierfür eine kleine Bohrung in der Außenwand vor- nehmen. Das Betriebsgeräusch des Klimageräts ist für andere nicht hörbar. E meint, er benötige hierfür keine Genehmigung. Entgegen der früheren Rechtslage (vgl.: OLGDüsseldorf, Beschl. v. 28.11.2006 - 3 Wx 197/06, ZMR 2007, 206), diemangels relevanter Beeinträchtigung eine Geneh- migung für entbehrlich hielt, bedarf der Eigentümer gem. § 20 Abs. 1WEG auch für bauliche Eingriffe in das Gemein- schaftseigentum, die unerheblich sind (Bohrung) und die anderen Eigentümer nicht berühren (weder sicht- noch hör- bar) einer Gestattung durchMehrheits- beschluss der Eigentümerversammlung. Eine ganz andere Frage ist die, ob nicht gem. § 20 Abs. 3WEG ein Rechtsanspruch des einzelnen Eigentümers dahingehend besteht, dass die übrigen Eigentümer den (in jedemFall zu stellenden) Gestat- tungsantrag positiv zu bescheiden ha- ben, denn aus § 20 Abs. 3 WEG folgt unausgesprochen, dass mangels rele- vanter Störung ein Rechtsanspruch auf Gestattung besteht (so im Fall 3). § 20 Abs. 3 WEG Bauliche Veränderungen Unbeschadet des Abs. 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geord- neten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, ein-
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verstanden sind. b) Störende bauliche Veränderun- gen mit Einverständnis Ferner besteht gem. § 20 Abs. 3 WEG ein Rechtsanspruch auf positive Be- schlussfassung, wenn diejenigen Eigen- tümer, die beeinträchtigt sind, einver- standen sind. Fall 4: Eigentümer E plant, da seine Dachge- schosswohnung bauzeitbedingt kaum gedämmt ist, eine Klimaanlage in der nicht einsehbaren Ecke seiner Loggia aufzustellen und möchte hierfür eine kleine Bohrung in der Außenwand vor- nehmen. Das Betriebsgeräusch des Klimageräts ist nur für den unmittelba- ren Nachbarn N hörbar. N sagt dem E aber zu, dass er nichts gegen das Kli- magerät hat. Die Erklärung des Einverständnisses durch den potentiell benachteiligten Eigentümer ist eine (formfrei abzuge- bende) rechtsgeschäftsähnliche Hand- lung, die den Gestattungsanspruch erst auslöst und daher zu Protokoll der Ver- sammlung genommen werden muss. Sie kann aber auch schlicht dadurch abgegeben werden, indem der betrof- fene Eigentümer zum Beschlussantrag mit„Ja“ stimmt (vgl.: Lehmann-Richter/ Wobst,WEG-Reform2020, § 11 Rn. 1203 ff., 1210, 1242 ff.). Aus § 20 Abs. 3 folgt, dass bei einer bau- lichen Veränderung, die eine Störung bewirkt, die über die Duldungspflicht des § 14 Abs. 2 Nr. 2 WEG (Beeinträch- tigung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus) hinausgeht und für die kein Ein- verständnis der übrigen benachteiligten Eigentümer vorliegt, kein Rechtsan- spruch auf Gestattung besteht. Fall 5: Eigentümer E plant, da seine Dachge- schosswohnung bauzeitbedingt kaum gedämmt ist, eine Klimaanlage an der c) Störende bauliche Veränderun- gen ohne Einverständnis
d) Störende bauliche Veränderun- gen mit Gestattung durch Beschluss Eine der wesentlichen Neuerungen des neuen Rechts stellt der Umstand dar, dass die übrigenWohnungseigentümer, obgleich hierzu nicht verpflichtet, gleich- wohl auch störende bauliche Verände- rungen des Gemeinschaftseigentums durch einfachen Mehrheitsbeschluss gestatten können. Fall 6: Eigentümer E möchte oberhalb des zu seiner Wohnung gehörenden Balkons an der Hausfassade eine farbige Marki- se anbringen. Als der von E gestellte Gestattungsantrag mehrheitlich positiv beschieden wird, erhebt Eigentümer K Anfechtungsklage gegen den Gestattungsbeschluss, weil er nicht bereit ist, eine solche„Verschan- delung“ des optischen Erscheinungsbilds der Wohnanlage hinzunehmen. Obgleich der Antrag auf Gestattung einer störenden baulichenVeränderung gem. § 20 Abs. 3 WEG schon mangels Anspruch auf positive Beschlussfassung abgelehnt werden kann, wenn auch nur ein Eigentümer über das in § 14 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt ist (Beeinträchti- gung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus), kann aber gleichwohl der Ge- stattungsantrag auch positiv beschieden werden, wofür sich die übrigen Eigen- tümer gem. § 20 Abs. 1 WEG mehrheit- lich entscheiden können (weil sie ganz einfach nett sind oder später selbst auch einmal eine Markise anbringen wollen). In diesem Fall gilt dann für die Beurtei- lung der Frage, ob der Gestattungsbe- schluss rechtmäßig ist, die sehr viel niedrigere Schwelle des § 20 Abs. 4WEG. § 20 Abs. 4 WEG Bauliche Veränderungen Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten
Fassade neben seinem Schlafzimmer- fenster zu befestigen. Das Klimagerät ist für jedermann sichtbar und dessen Betriebsgeräusch ist gut vernehmbar. Als der von E gestellte Gestattungsantrag abgelehnt wird, verklagt E die Gemein- schaft auf Zustimmung, da seine Woh- nung sonst im Sommer nicht nutzbar sei. Ein„Nachteil“ für die übrigen Eigentümer im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2WEG, d.h. eine über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehende Störung, ist bei jeder nicht ganz unerheblichen Beeinträchti- gung, die konkret und objektiv seinmuss, gegeben. Entscheidend ist, ob sich nach der Ver- kehrsanschauung einWohnungseigen- tümer in der entsprechenden Lage ver- ständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann, wobei die Schwelle für die Annah- me einer Beeinträchtigung niedrig an- zusetzen ist (vgl.: AGHamburg-St. Georg, Urt. v. 25.6.2021 – 980a C 5/21, ZMR 2021, 772). Der Anbau eines Klimageräts an die Fassade stellt somit eine benachteili- gende bauliche Veränderung dar, weil eine optischeVeränderung der Fassade in nicht nur unerheblichem Ausmaß erfolgt. Dies müssen die übrigen Woh- nungseigentümer gem. § 20 Abs. 3WEG nicht genehmigen. Dass die Wohnung sich aufheizt, ergibt sich aus der Natur der Sache und war dem Eigentümer E im Fall 5 beim Erwerb des Wohnungs- eigentums bekannt (vgl.: LG Frankfurt, Beschl. v. 20.4.2021 – 2-13 S 133/20, ZMR 2021, 760). Gleichwohl durchgeführte ungeneh- migte baulicheVeränderungen werden zwar Bestandteil des gemeinschaftlichen Eigentums, die Kosten und Folgekosten trägt jedoch der „Schwarzbauer“, der zudemeinemBeseitigungsanspruch der Gemeinschaft gem. § 9b Abs. 2 WEG, § 1004 BGB ausgesetzt ist.
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oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden. Anders als bei der Frage, ob ein Rechts- anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung besteht (was schon bei der Benachteiligung eines einzigen anderen Eigentümers mangels dessen Einver- ständnis ausgeschlossen ist), beurteilt sich die Frage, ob der Beschluss, der eine bauliche Veränderung gestattet, recht- mäßig ist, nach dem Maßstab des § 20 Abs. 4 WEG. Entscheidend ist also nur die Frage, ob entweder eine grundlegende Umgestal- tung der Wohnanlage vorliegt oder ob ein Eigentümer gegenüber den anderen Eigentümern unbillig benachteiligt ist. aa) Grundlegende Umgestaltung Entgegen der früheren Rechtslage, die auf eine „Änderung der Eigenart der Wohnanlage“ abstellte und regelmäßig zu dem Ergebnis kam, dass eine solche vorlag, soll nach der Gesetzesbegrün- dung der Begriff der „grundlegenden Umgestaltung“ nur noch massive, zu einer völligenVeränderung der Gesamt- anlage führenden Eingriffe umfassen. Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage soll daher, anders als nach dem bisherigen Recht, nicht schon bei Veränderung des „optischen Gesamt- eindrucks“ vorliegen; bloße architekto- nische Disharmonien zählen nicht dazu. Demnach sollen (es kommt aber immer
auf den konkreten Einzelfall an) z.B. der zusätzliche Einbau eines Dachflächen- fensters, der Ausbau des Dachgeschos- ses, die Errichtung von Dachgauben, Vorstellbalkonen oder der An- oder Einbau von Aufzügen nicht schon per se eine grundlegende Umgestaltung ausmachen, wenn das „Gepräge der Wohnanlage“ nicht so grundlegend ver- ändert wird, dass ein„anderes“ Gebäu- de entsteht (vgl.: Lehmann-Richter/ Wobst,WEG-Reform2020, § 11 Rn. 1008 ff., 1155; SEHR/Abramenko, § 5 Rn. 64 ff.). Im Fall Nr. 6 dürfte also nicht anzuneh- men sein, dass das bloße Anbringen einer Markise eine grundlegende Um- gestaltung der Wohnanlage bedeutet; insoweit wäre der Gestattungsbeschluss nicht angreifbar. bb) Unbillige Benachteiligung eines einzelnen Wohnungseigentümers Eine unbillige Benachteiligung setzt voraus, dass der betreffende Eigentümer individuell in einer wohnungseigen- tumsrechtlich relevanten Rechtsposition stärker als die übrigen Eigentümer be- einträchtigt wird (vgl.: Lehmann-Richter/ Wobst,WEG-Reform2020, § 11 Rn. 1016 ff.; SEHR/Abramenko, Die WEG-Reform 2020, § 5 Rn. 66 ff.). Eine Benachteiligung soll daher bereits ausscheiden, wenn alle Eigentümer glei- chermaßen von den Folgen der bauli- chen Veränderung betroffen sind (wie hier im Fall Nr. 6: die Markise ist für je- dermann sichtbar).
billig sein, d.h. dem betroffenen Eigen- tümer muss ein Sonderopfer zugemutet werden, dass seine Rechte unter Abwä- gung der entstehenden Vorteile unan- gemessen stark beschneidet. Dies wäre u.U. imFall Nr. 6 anzunehmen, wenn z.B. durch die gestattete Markise der unmit- telbar benachbarte Balkon des Klägers unzumutbar verschattet würde. Bei der Beschlussfassung über die Ge- stattung baulicher Veränderungen sind allerdings einige Besonderheiten zu beachten, damit diese den berechtigten Interessen der Wohnungseigentümer- gemeinschaft und der Verwaltung Rech- nung trägt und auch rechtmäßig ist. Für den Versammlungsleiter einer Ei- gentümerversammlung, inwelcher über die Genehmigung einer baulichen Ver- änderung des Gemeinschaftseigentums Beschluss gefasst werden soll (typischer- weise dieVerwaltung), ergibt sichwegen der denkbaren Haftung für die Verkün- dung eines nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechenden Gestat- tungsbeschlusses die Notwendigkeit, vor einer Beschlussfassung über die Maßnahme selbst einen Geschäftsord- nungsbeschluss herbeizuführen. Da (wie oben ausgeführt) auch stören- de baulicheVeränderungenmit einfacher Mehrheit genehmigt werden können, ist der Versammlungsleiter zur Erteilung von Hinweisen und zur Anmeldung von BedenkengegendieOrdnungsmäßigkeit e) Besonderheiten des Gestattungs- beschlusses aa) Notwendigkeit eines Vorschalt- Geschäftsordnungsbeschlusses
Die Benachteiligung muss zudem un-
Unsere Autoren
- Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Schwerpunkt: Wohnungseigentums- und Mietrecht sowie Makler- und Bauträgerrecht - Praktiker, Fachautor und Referent namhafter Tagungsveranstaltungen www.krall-kalkum.de RA Rüdiger Fritsch
Dr. Olaf Riecke
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• Schriftleiter ZMR • Richter am Amtsgericht Hamburg-Blankenese a. D. • Schwerpunkt: Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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unbillig benachteiligt sein kann • und daher eine Beschlussfassung mit der Anfechtungsklage angegrif- fen werden kann, was zu einem entsprechenden Prozess- und Ko- stenrisiko führen kann, wird der Be- schlussfassung zuTOP […] folgender Geschäftsordnungsbeschluss voran- gestellt: Die Eigentümerversammlung beschließt, dieVerwaltung anzuweisen, die nachfol- gend zu TOP […] gefassten Beschlüsse, sofern diesemit der einfachen Stimmen- mehrheit gefasst werden, als zustande gekommen zu verkünden. bb) Das Wahlrecht der Wohnungsei- gentümerversammlung Zu beachten ist, dass die Bestimmung des § 20 Abs. 1WEG der Eigentümerver- sammlung ein Wahlrecht einräumt, in welcher Form eine Genehmigung der baulichen Veränderung erfolgt. § 20 Abs. 1WEG sieht nämlich zwei ver- schiedene Formen der Genehmigung vor: • Die Eigentümerversammlung ge- stattet demAntragsteller die Durch- führung der beabsichtigenMaßnah- me in Eigenregie oder • die Eigentümerversammlung be- schließt, dieMaßnahme selbst durch die Wohnungseigentümergemein- schaft durchzuführen.
Die erste Variante dürfte bei der Durch- führung baulicher Veränderungen, die keine besonderen technischen Schwie- rigkeiten aufweisen, regelmäßig gewählt werden. Denkbar ist es aber auch, dass insbe- sondere bei technisch anspruchsvollen Maßnahmen, die Gemeinschaft die Sa- che in die Hand nimmt, um im Interes- se aller Beteiligten für eine sach- und fachgerechte Ausführung zu sorgen (natürlich auf Kosten des Antragstellers, siehe nachfolgend). Fall 7: Eigentümer E (Hobby-Funker) beantragt, dass man es ihmgestattenmöge, neben der bestehenden Satellitenempfangs- anlage auf demDach des Gebäudes eine kleine, kaum sichtbare Kurzwellenan- tennenanlage sach- und fachgerecht zu installieren. Die übrigen Eigentümer haben nichts dagegen, beschließen aber, dass die Maßnahme durch dieWohnungseigen- tümergemeinschaft unter Beauftragung des für die Gemeinschaft seit Jahren tätigen Elektromeisters Mdurchgeführt werden soll, wobei die entstehenden Kosten demE imRahmen der Jahresab- rechnung belastet werden. Selbst wenn ein Rechtsanspruch auf positive Beschlussfassung gem. § 20 Abs. 3 WEG gegeben sein sollte, so be- steht mit Blick auf das Wahlrecht der Eigentümerversammlung nur ein An- spruch auf das „ob“ der baulichen Ver- änderung, über das „wie“ entscheiden die Eigentümer nach billigemErmessen. Die Entscheidungsmacht derWohnungs- eigentümer ist dabei natürlich nicht schrankenlos, sondern wird durch die Vorgaben ordnungsmäßiger Verwaltung beschränkt.
eines Beschlusses gem. § 20 Abs. 1WEG verpflichtet (vgl.: BGH, Urt. v. 29.5.2020 – V ZR 141/19, ZMR 2020, 770). Denn typischerweise kann der Verwalter (der Versammlungsleiter) nicht sicher beurteilen, ob und unter welchen Vor- aussetzungen ein Gestattungsbeschluss nach § 20 Abs. 1WEG tatsächlich recht- mäßig ist oder ob eine Ablehnung einen Anspruch auf Gestattung verletzt. So kann imVorhinein kaum jemals sicher festgestellt werden, ob und welche Ei- gentümer nachteilig betroffen sind, ob gegebenenfalls nicht doch eine relevan- te Umgestaltung derWohnanlage oder die unbillige Beeinträchtigung eines einzelnen Wohnungseigentümers vor- liegt. Hierzu hat der Bundesgerichtshof aus- drücklich entschieden, dass dem Ver- sammlungsleiter das Recht zusteht, von der Eigentümerversammlung die Fas- sung eines vorherigen Geschäftsord- nungsbeschlusses zu verlangen, durch welchen diese denVersammlungsleiter von den bestehenden Unwägbarkeiten und Risiken freistellt (vgl.: BGH, Urt. v. 29.5.2020 –V ZR 141/19, ZMR 2020, 770). Formulierungsvorschlag für einem Ge- schäftsordnungsbeschluss: Mit Blick auf die durch die Verwaltung mitgeteilten Bedenkenhinweise zum beabsichtigen Beschluss zu TOP […], wonach vomVerwalter nicht sicher fest- gestellt werden kann, • ob durch die zu gestattende bauliche Veränderung nicht doch Eigentümer nachteilig betroffen sein können, die ihre Zustimmung nicht erteilt haben, • ob durch die zu gestattende bauliche Veränderung nicht doch eine grund- legende Umgestaltung des Objekts bewirkt bzw. • ob ein nicht zustimmender Eigentü- mer nicht doch gegenüber anderen
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Maßnahmen, die über die ordnungsmä- ßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.
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cc) Das Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit Insbesondere Beschlüsse über die Ge- stattung baulicher Veränderungenmüs- sen inhaltlich bestimmt sein, d.h., dass aus dem Beschlusstext selbst (oder aus in Bezug genommenen Unterlagen, die demBeschlussprotokoll beizufügen sind) sich eine genaue Beschreibung der kon- kreten bauliche Veränderung ergeben muss (vgl.: BGH, Urt. v. 8.4.2016 – V ZR 104/15, ZMR 2016, 638; LG Bremen, Urt. v. 7.10.2016 - 4 S 250/15, ZMR 2017, 83; SEHR/Abramenko, DieWEG-Reform2020, § 5 Rn. 45 ff.). Fall 8: Die Eigentümerversammlung beschließt, es dem Eigentümer E zu gestatten, im Bereich seiner Dachgeschosswohnung ein Dachflächenfenster selbst und auf eigene Kosten einzubauen. Eigentümer K ist damit nicht einverstan- den und erhebt Beschlussanfechtungs- klage. Im vorliegenden Fall Nr. 8 bleibt voll- kommen unklar, was für ein Fenster (Ausmaße, Form, Farbe, Material) an welcher Stelle eingebaut werden soll. Da es dem Beschluss an der notwendi- gen Bestimmtheit mangelt, ist er rechts- widrig und wird auf die Anfechtung des K hin für ungültig erklärt werden (vgl.: BGH, Urt. v. 15.1.2010 –V ZR 72/09, ZMR 2010, 378). Zudem sind die der Entschei- dungsfindung der Eigentümerversamm- lung dienenden Unterlagen (wie z.B. Angebote, Prospekte, Planzeichnungen, etc.) denWohnungseigentümern recht- zeitig vor der Eigentümerversammlung mit der Einladung (d.h. innerhalb der Ladungsfrist) zur Verfügung zu stellen (vgl.: LG Düsseldorf v. 22.10.2014 - 25 S 34/14, ZMR 2016, 795). Formulierungsvorschlag zu einem Ge- stattungsbeschluss zu Fall 8:
ee) Möglichkeit der Grundsatzbe- schlussfassung Die Schaffung der o.g. Beurteilungs- und Beschlussvoraussetzungen ist dabei kei- neswegs Sache der Verwaltung, sondern Aufgabe des antragstellenden Eigentü- mers selbst. Mit Blick auf die vorstehend dargestell- ten Notwendigkeiten dürfte daher zu bezweifeln sein, dass in der Praxis der jeweils antragstellende Wohnungsei- gentümer die für eine konkrete Beschlus- sassung im Zeitpunkt der Eigentümer- versammlung notwendigen Informatio- nen und Unterlagen rechtzeitig vorlegt. Besteht der betreffende Eigentümer gleichwohl auf einer (ihm ggfls. zuste- henden) positiven Beschlussfassung, so kann zur Streitvermeidung (da ansonsten nur eine Beschlussablehnung in Frage kommt) ein sog. Grundsatzbeschluss über die Gestattung der begehrtenMaß- nahme als solcher gefasst werden, des- sen inhaltliche Ausgestaltung dann einer konkretisierenden 2. Beschlussfassung in einer weiteren Eigentümerversamm- lung vorbehalten bleibt, zu der der be- treffende Eigentümer die ihm anheim- gestellten Voraussetzungen erfüllen muss. § 23 Abs. 3 WEG Wohnungseigentümerversammlung Auch ohne Versammlung ist ein Beschluss gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebe- nen Stimmen genügt.
Die Eigentümerversammlung beschließt, es dem jeweiligen Eigentümer der im Dachgeschoss gelegenenWohneinheit Nr. 13 zu gestatten, im Bereich seiner Dachgeschosswohnung ein Dachflä- chenfenster selbst und auf eigene Kosten durch die Fa. Dachbauer GmbH einzu- bauen zu lassen. Die konkrete Lage, Maße, Material, Form und Farbe des einzubauenden Dachflä- chenfensters ergeben sich aus demden Eigentümernmit der Einladung zur Ver- fügung gestellten Angebot der Fa. Dach- bauer GmbH vom17.11.2021, Angebots- Nr.: 4711, sowie aus dem Prospekt der Fa. Fensterschön und der Planzeichnung vom 17.11.2021, die als Anlage zum Protokoll dieser Versammlung genom- menwerden. Die Arbeiten sollen ab dem 23.11.2021 ausgeführt werden und bin- nen 10 Tagen abgeschlossen sein. Im Rahmen des sog. Direktionsrechts der Eigentümergemeinschaft liegt es auch, Gestattungsbeschlüsse mit Auf- lagen zu versehen, umdie berechtigten Interessen aller Wohnungseigentümer zu wahren. So kann erforderlichenfalls die Gestat- tung an die Erfüllung von Auflagen und Bedingungen geknüpft werden, wie • Vorgaben zur konkreten Gestaltung bei grundsätzlicher Gestattung, • Auflage der Ausführung durch ein Fachunternehmen, • Erbringung von Fachunternehmer- bescheinigungen, • Erbringung des Nachweises techni- scher Unbedenklichkeit (Schall-, Brand-schutz, Statik), • Nachweis der versicherungsrechtli- chen Unbedenklichkeit, • Nachweis des Abschlusses einer be- sonderen Versicherung. dd) Möglichkeit der Gestattung un- ter Auflagen
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Zur Vermeidung der Abhaltung einer weiteren (kostenpflichtigen) Eigentü- merversammlung kann gem. § 23 Abs. 3 WEG beschlossen werden, über die inhaltliche Ausgestaltung der Gestattung imRahmen eines sog. Umlaufbeschlus- sverfahrens mit einfacher Mehrheit zu entscheiden. Formulierungsvorschlag zu einem Grundsatzbeschluss zu Fall 8: Die Eigentümerversammlung beschließt, es dem jeweiligen Eigentümer der im Dachgeschoss gelegenenWohneinheit Nr. 13 vorbehaltlich einer noch folgenden konkretisierenden Beschlussfassung grundsätzlich zu gestatten, im Bereich seiner Dachgeschosswohnung einDach- flächenfenster selbst und auf eigene Kosten einzubauen zu lassen. Dies erfolgt unter der Auflage, dass der o.g. Eigentümer binnen einer Frist von 4 Wochen der Verwaltung die zu einer konkreten Beschlussentscheidung not- wendigen Unterlagen betreffend u.a. die konkrete Lage, Maße, Material, Form und Farbe des einzubauenden Dachflä- chenfensters sowie ein entsprechendes Angebot eines Fachunternehmens zur Ausführung der Maßnahme nebst kon- kreten Angaben über den zeitlichen Ablauf der Verwaltung zur Verfügung stellt. DieVerwaltungwird nach fristgerechtem Eingang der o.g. Unterlagen ein Umlauf- beschlussverfahren zur o.g. Maßnahme durchführen, in welchemmit einfacher Mehrheit über die konkrete Gestattung der baulichenVeränderung beschlossen wird. f ) Kosten und Nutzungen der dem Einzelnen gestatteten baulichen Veränderung Nunmehr ist die Frage der Kostentragung und der Nutzung baulicher Veränderun- gen in § 21 Abs. 1WEG gesetzlich gere- gelt, so dass es einer ausdrücklichen Beschlussfassung hierzu nicht mehr
bedarf; vorsorglich und klarstellend kann dies aber geschehen.
§ 21 WEG Abs. 1 WEG Nutzungen und Kosten bei baulichen Veränderungen Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestat- tet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen. Die Kostentragungspflicht bezieht sich dabei nicht nur auf die Kosten der Durch- führung/Errichtung der baulichen Ver- änderung, sondern auch auf sämtliche denkbar anfallenden Folgekosten (Ko- sten des Betriebs, der Instandhaltung und Instandsetzung). Diese Pflichten gehen auf den jeweiligen Sonderrechtsnachfolger über, gleich, ob dieser Nutzungswillen hat oder nicht. Daher bedarf es auch keiner Regelung über eine Kaution oder über einen et- waigen Rückbau, da es sich hierbei wie- der um eine gestattungspflichtige bau- licheVeränderung handelte. Beschlüsse über Rückbauverpflichtungen und Si- cherheitsleistungen sind also nicht mehr vorgesehen (vgl.: Lehmann-Richter/ Wobst,WEG-Novelle 2020, § 11 Rn. 1054, 1139; SEHR/Abramenko, DieWEG-Reform 2020, § 5 Rn. 35). .
In der nächsten Ausgabe (I-2022) geht es dann weiter mit: Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum zugunsten Mehrer oder der Mehrheit ...
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››› Aktuelles ‹‹‹ von Massimo Füllbeck Novellierung der Heizkostenverordnung
Am 1.12.2021 ist die neue Heizkosten- verordnung in Kraft getreten. Der Bundesrat hat darumgebeten, dass die Bundesregierung die Auswirkungen der neuen Regelungen auf Mieter (z. B. Umstellung auf fernablesbare Geräte etc.) nach drei Jahren evaluiert, insbe- sondere imHinblick auf zusätzliche Be- triebskosten. Der Evaluationsbericht soll spätestens am 31. August 2025 veröf- fentlicht werden (vgl. § 5 Abs. 8 Heizko- stenV). • bis zum 31.12.2026 eine Umrüstung auf fernablesbare Geräte (z. B. Heiz- kostenverteiler etc.) stattfindenmuss, dabei werdenWalk-by- und Drive-by- Technologien als fernablesbar defi- niert, • neu eingebaute fernablesbare Gerä- te oder entsprechend nachgerüstete Systeme müssen mit den Systemen anderer Anbieter interoperabel sein, • die Einhaltung des Stands der Technik - mit Übergangsvorschriften - wird vermutet, soweit Schutzprofile und technische Richtlinien eingehalten werden, die vom Bundesamt für Si- cherheit in der Informationstechnik bekannt gemacht worden sind, oder wenn die Ausstattung zur Verbrauch- serfassung mit einem Smart-Meter- Gateway (..) des Messstellenbetriebs- gesetzes verbunden ist und die nach dem Messstellenbetriebsgesetz gel- tenden Schutzprofile und technischen Richtlinien eingehalten werden, • wenn fernablesbare Ausstattungen zur Verbrauchsverfassung installiert wurden, muss der Gebäudeeigentü- mer den Nutzern – ab dem 1. Janu- ar 2022 monatlich - Abrechnungs- oder Verbrauchsinformationen für Heizung und Warmwasser auf der Grundlage des tatsächlichen Ver- Wesentliche Änderungen sind, dass
brauchs oder der Ablesewerte von Heizkostenverteilern mitteilen (§ 6a HeizkostenV), Verbrauchsinformationen müssen fol- gende Informationen enthalten: 1. Verbrauch des Nutzers im letzten Monat in Kilowattstunden, 2. einen Vergleich dieses Verbrauchs mit demVerbrauch des Vormonats desselben Nutzers sowie mit dem entsprechendenMonat des Vorjah- res desselben Nutzers, soweit diese Daten erhoben worden sind, und 3. einen Vergleich mit dem Verbrauch eines normierten oder durch Ver- gleichstests ermittelten Durch- schnittsnutzers derselben Nutzer- kategorie. Die Vorschriften der Heizkostenverord- nung sind auch aufWohnungseigentum anzuwenden unabhängig davon, ob durchVereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer abweichende Bestimmungen getroffenwurden. Dabei gilt die Wohnungseigentümergemein- schaft als Gebäudeeigentümer und Nutzer als der einzelne Wohnungsei- gentümer unabhängig davon, ob er die Wohnung tatsächlich nutzt oder sie einem Dritten vertraglich zur Nutzung überlassen hat (vgl. Lammel, 4. Aufl. 2015, HeizkostenV § 3 Rn. 1-6). In der Verordnung wird detailliert be- schrieben, was der Gesetzgeber unter "mitteilen" versteht: „Die Informationen sind mitzuteilen. In der Richtlinie wird hierfür der Begriff „bereitstellen“ verwendet, den es im deutschen Zivilrecht jedoch nicht gibt. Es wird daher der imMietrecht gebräuch- liche Begriff des Mitteilens verwendet, der eine identische Bedeutung hat und etwa in §§ 555d Absatz 3 Satz 1, 556 Absatz 3 Satz 2 und § 560 Absatz 3 Satz 2 BGB verwendet wird. Mitteilen der
Informationen bedeutet, dass die Infor- mation den Nutzer unmittelbar erreicht, ohne dass er sie suchenmuss. Dies kann in Papierform oder auf elektronischem Wege, etwa per E-Mail, geschehen. In- formationen können auch über das Internet (und über Schnittstellen wie ein Webportal oder eine Smartphone- App) zur Verfügung gestellt werden, jedoch nur, wenn der Nutzer dann in irgendeinerWeise in den angegebenen Intervallen darüber unterrichtet wird, dass sie dort nun zur Verfügung stehen. Andernfalls kann nicht von einem„Mit- teilen“ gesprochenwerden, sondern nur von einem „Zurverfügungstellen“. (vgl. Verordnung über die Änderung der Ver- ordnung über Heizkostenabrechnung S. 22 / 23, 15.07.2021) • wenn die Abrechnungen auf dem tatsächlichenVerbrauch oder auf den Ablesewerten von Heizkostenvertei- lern beruhen, muss der Gebäude- eigentümer den Nutzern für Abrech- nungszeiträume, die ab dem 1. De- zember 2021 beginnen, zusammen mit den Abrechnungen folgende Informationen zugänglich machen: z. B. den Anteil der eingesetzten Ener- gieträger (...), die erhobenen Steuern, Abgaben und Zölle, (...), Kontaktinfor- mationen, darunter Internetadressen von Verbraucherorganisationen, Ener- gieagenturen oder ähnlichen Einrich- tungen, bei denen Informationen über angebotene Maßnahmen zur Energie- effizienzverbesserung, Endnutzer-Ver- gleichsprofile und objektive technische Spezifikationen für energiebetriebene Geräte eingeholt werden können (...). Hinweis: Gemäß § 7 Abs. 2 HeizkostenV gehören die Kosten der Verbrauchsin- formation gemäß § 6a zu den Bestan- teilen der Heizkostenabrechnung und sind damit auf die Mieter umlagefähig.
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Das Umweltbundesamt hat einige Muster erstellt, wie die moantliche Informationspflicht an die Nutzer aussehen könnte (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/verstaendliche-monatliche-heizin- formation-als):
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Interview mit Dr. Olaf Riecke zur neuen Heizkostenverordnung
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Guten Tag, Herr Dr. Riecke,
Zum DÜRFEN: § 27 Abs.1WEG n.F. deckt bei einer blo- ßenVertragserweiterung des laufenden Vertrages zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Messdienstleister das Handeln des Ver- walters auch im Innenverhältnis. Nach § 27 Abs. 1 WEG n.F. ist der Ver- walter als Organ und Amtsträger gegen- über der Gemeinschaft der Wohnungs- eigentümer zu solchen Maßnahmen anstelle der Wohnungseigentümer be- rechtigt und sogar meist verpflichtet. Rechtlich ist zur Beauftragung die Ge- meinschaft der Wohnungseigentümer berufen. Sie nimmt die Pflichten aber durch den Verwalter als ihrem Organ wahr. Zum KÖNNEN: Die Vertretungsmacht folgt aus § 9b Abs. 1 WEG. 3. Macht es Sinn, die Kosten - so- weit sie überhaupt entstehen – anders als nach MEA oder dem allgemeinen Verteilerschlüssel zu verteilen? Zum Beispiel sollen nur die vermietenden Wohnungseigen- tümer zahlen? Oder anders gesagt: Muss die Ge- meinschaft der Wohnungseigen- tümer nicht handeln, wenn keine Wohnung vermietet ist, d. h. müss- ten die monatlichen Verbrauchsin- formationen nicht erfolgen, wes- halb auch keine Kosten insoweit entstünden? Oder: Muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihre Son- dereigentümer (Selbstnutzer, nicht Vermieter) auch monatlich über den Verbrauch informieren? Nur wenn die WEG/der Verband nicht verpflichtet wäre, die monatliche Ver- brauchsinformationen den selbstnut- zenden Eigentümern zu übermitteln,
d.h. wenn nur die Vermieter unter den Wohnungseigentümern die Infos für Ihre Mieter brauchen, könnte eine ab- weichende Kostenverteilung nach § 16 Abs.2 Satz 2 WEG zulasten der vermie- tendenWohnungseigentümer beschlos- sen werden. Dem ist nicht so. Denn nach § 3 i.V.m. § 1 Abs.2 Nr.3, Abs.3 HeizKV gilt die neue Regelung analog auch bei Wohnungs- eigentum. Wenn der Messdienstleister die Mehr- kosten für die monatliche Information „nach Wohnungen“ der Gemeinschaft derWohnungseigentümer in Rechnung stellt, sollte aus Gründen der Maßstabs- kontinuität ein Beschluss nach § 16 Abs.2 Satz 2WEG n.F. gefasst werden, der die- sen Schlüssel ebenfalls für die Kosten- verteilung unter den Wohnungseigen- tümern vorsieht. 4. Kann die neue Vorschrift der Heizkostenverordnung auch so ausgelegt werden, dass jeder Wohnungseigentümer (als Nutzer oder Vermieter) einen Anspruch auf Übermittlung der monatlichen Verbrauchsinformationen (gegen wen?) hat? Gerade als Vermieter hat derWohnungs- eigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer diesen An- spruch auf monatliche Information (vgl. § 3 i.V.m. § 1 Abs.2 Nr.3, Abs.3 HeizKV), denn sonst kann er seine Informations- pflicht gegenüber dem Mieter nicht erfüllen. Der Gebäudeeigentümer muss die Nutzer ja monatlich über ihren Ver- brauch informieren. Ist er selbst Nutzer, muss die Gemeinschaft derWohnungs- eigentümer als Vertragspartner des Messdienstleisters diese Verbrauchsin- formationen weiterreichen (lassen). Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Riecke!
vielen Dank, dass Sie sich einigen Fragen zur gerade novellierten Heizkostenver- ordnung stellen, wobei wir den Fokus auf die monatliche Informationspflicht der Gebäudeeigentümer legenmöchten. Betrachten wir nochmal die Ausgangs- lage: Ab dem 1.1.2022 muss der Gebäude- eigentümer den Nutzer monatlich über denVerbrauch informieren (§ 6a HeizKV n.F.). Diese Informationspflicht wirkt sich primär im Mietrecht aus. Trotzdem er- geben sich hierWEG-spezifische Fragen. 1. Ist der WEG-Verwalter verpflich- tet, die notwendigen Informationen an a) die Nutzer oder b) die Vermie- ter zu übermitteln? Gemäß § 3 i.V.m. § 1 Abs.2 Nr.3, Abs.3 HeizKV steht die Gemeinschaft derWoh- nungseigentümer dem im Gesetz er- wähnten„Gebäudeeigentümer“ gleich. Verpflichtet ist die Gemeinschaft direkt und nicht (nur) als Vertragspartner des Messdienstleisters; faktisch handeln muss der Verwalter als deren Organ ge- genüber dem jeweiligen Wohnungsei- gentümer. Dieser wiederummuss seinen Mieter informieren. Verkürzt werden kann die „Informati- onskette“, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit dem Messdienstleister eine direkte Informa- tion des Nutzers/Mieters vereinbart. Dies wird nicht immer ohne zusätzlichen Aufwand möglich sein, da der WEG- Verwalter schon die Namen der Mieter oft nicht kennen wird. 2. Kann und darf der Verwalter (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) den Mess- dienstleister zur Erfüllung zB der Informationspflicht ohne Beschluss beauftragen?
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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Dr. Olaf Riecke Dauerhaftes Nutzungsverbot durch Beschluss?
Der Fall: In einem nach demWEG aufgeteiltem, über 40 Jahre alten und stark sanie- rungsbedürftigen Parkhaus bilden 3 der insgesamt 11 Ebenen des Parkhauses eine eigene Teileigentumseinheit. Die betreffende Sondereigentümerin vermietet diese Einheit an einbenachbar- tes Hotel. Die übrigen Ebenen mit den Einheiten der Gemeinschaft sind seit Jahren außer Betrieb. Nachdemdas Bau- ordnungsamt Nachweise für die Einhal- tung der brandschutztechnischenMin- destanforderungen angefordert hatte, beschlossen dieWohnungseigen-tümer mehrheitlich, dass auch diese 3 Ebenen nicht mehr genutzt werden dürfen. Da
Ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenes Nutzungsverbot zum Zwe- cke der Gefahrenabwehr kann nur für einen begrenzten Zeitraumbeschlossen werden. Wohnungseigentümer sind verpflichtet, die Behebung gravierender baulicher Mängel des gemeinschaftlichen Eigen- tums zu veranlassen, insbesonderewenn diese eine Nutzung des Sondereigen- tums zu dem vereinbarten Zweck er- heblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen.
die Gemeinschaft eine Sa-nierung bereits zu einem früheren Zeit-punkt abgelehnt hatte, wurde der be-troffenen Sonderei- gentümerin gestattet, die brandschutz- technischen Mängel selbst und auf ei- gene Kosten zu beseiti-gen; erst nach Vorlage entsprechender Nachweise sollte sie die Nutzungwieder aufnehmen dürfen. Das Problem: Entspricht es ordnungsmäßiger Verwal- tung ein nach WEG aufgeteiltes, über 40 Jahre altes und stark sanierungsbe- dürftiges Parkhaus wegen behördlich gerügter Brandschutzmängel komplett zu schließen (Nutzungsuntersagung)? Genügt es, den an der Nutzung interes-
BGH, Urteil vom 15.10.2021, Az. V ZR 225/20
Bestellung: Jahresabo für nur 10 EUR (inkl. MwSt. und excl. Versand) Bitte senden Sie das leserlich ausgefüllte Formular per Post oder Fax an: 02 08. 30 27 68 -32 Massimo Füllbeck Sachverständiger für Wohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 · 45475 Mülheim an der Ruhr Ja, hiermit bestellen wir die Zeitschrift BEIRATaktuell im Jahresabo für nur 10 Euro (inkl. MwSt. und excl. Versand). Bitte senden Sie uns ____ Exemplar(e) zum nächsten Erschei- nungstermin zu. BEIRATaktuell umfasst 16 DIN-A4-Seiten mit den Themen: Technik, WEG-Recht, Mietrecht und Wirtschaft; erscheint 4 x im Jahr und kostet somit pro Einzelheft nur 2,50 Euro! WICHTIG: Das Abonnement ist für ein Kalenderjahr gültig und verlängert sich automatisch um ein weite- res Kalenderjahr, wenn es nicht fristgerecht 3 Monate vor Ablauf gekündigt wird. Die Rech- nungsstellung erfolgt jährlich im Voraus.
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Praxis-Tipp: Es macht keinen Sinn durch Nichtbe- hebung von sog. „Allmählichkeitsschä- den“ einen desolaten Zustand der WE- Anlage herbeizuführen. Ein so bewusst herbeigeführter Zustand des Objekts ist nicht mit Schäden durch einmalige/seltene Naturereignisse ver- gleichbar. Nur wenn durch einen nicht versicher- ten oder nicht versicherbaren Elemen- tarschaden das Objekt zu mehr als der Hälfte zerstört wird, kann ein Wieder- aufbau nicht beschlossen oder verlangt werden.
siertenTeileigentümern dann die Erhal- tungsmaßnahmen auf eigene Kosten zwecks anschließend erlaubter Fortset- zung der Nutzung zu gestatten? Die Entscheidung: ImGrundsatz können dieWohnungsei- gentümer im Rahmen der ordnungs- mäßigen Verwaltung ein auf das ge- meinschaftliche Eigentum bezogenes Nutzungsverbot zum Zwecke der Ge- fahrenabwehr beschließen. Das kommt aber jedenfalls dann nur aus zwingenden Gründen und in engen Grenzen in Betracht, wenn dadurch die zweckentsprechende Nutzung des Son- dereigentums eingeschränkt oder - wie hier - sogar vollständig ausgeschlossen wird. Die Wohnungseigentümer sind ver- pflichtet, die Behebung gravierender baulicher Mängel des gemeinschaftli- chen Eigentums zeitnah zu veranlassen, die eine Nutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigenoder sogar ausschließen. Sie können sich nicht darauf berufen, dass ihnen die damit einhergehenden Kosten nicht zuzumuten seien. Ein dauerhaftes Nutzungsverbot könn- te nur dann rechtmäßig sein, wenn eine Sanierungspflicht der WEG gemäß § 22 Abs. 4WEG aF (nunmehr § 22WEG) aus- geschlossen wäre; dann müsste die Gefahrenabwehr durch Stilllegung des Gemeinschaftseigentums erfolgen. Zerstört im Sinne von § 22 Abs. 4 WEG aF (jetzt § 22 WEG n.F.) ist ein Gebäude aber nur dann, wenn seine Nutzbarkeit durch punktuelle Ereignisse (wie Brand, Überflutung oder Explosion) wesentlich beeinträchtigt oder aufgehoben ist.
BEIRATaktuell wünscht frohe
Weihnachten und gesundes neues Jahr 2022!
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