BEIRATaktuell 55

a) Was die Reichweite der Regelungsbefug- nis der Wohnungseigentümer bei der Aufstellung einer Gebrauchsregelung bzw. Hausordnung anbetrifft, ist zunächst all- gemein zu berücksichtigen, dass der ein- zelne Wohnungseigentümer gem. § 13 Abs. 1WEG grundsätzlich berechtigt ist, sein Sondereigentum nach Belieben zu nutzen und insbesondere auch Haustiere zu halten, da dies zur allgemein üblichen Nutzung einer Eigentumswohnung gehört. Dazu gehört das Recht jeden Eigentümers, gem. § 13Abs. 2WEG auch das gemein- schaftliche Eigentum (mit Haustieren) mitzubenutzen. Ferner ist zu berücksichtigen (hierzu nachfolgend), dass der betreffende Ei- gentümer im Falle der Vermietung seines Sondereigentums an Dritte diesen die o.g. Rechte ebenso zu Ausübung überlässt. Wie sich aber auch bereits aus § 14 Nr. 1 WEG ergibt, besteht das grundsätzlich freie Nutzungsrecht indes nicht grenzen- los, sondern wird insbesondere dadurch beschränkt, dass die Nutzungsfreiheit dort endet, wo andere Eigentümer beeinträch- tigt werden. Eingriffe, wie der Erlass von Beschrän- kungen durch eine Hausordnung, in das damit verbundene grundsätzliche Recht, Haustiere, auch Hunde, zu halten, bedür- fen somit einer rechtfertigenden Abwä- gung zwischen dem Interesse an einer Haustier-/Hundehaltung des einzelnen Eigentümers und dem berechtigten Inter- esse der Gemeinschaft an einem geord- neten, möglichst störungsfreien Zusam- menleben. b) So entspricht es der Rechtsprechung und herrschenden Meinung, dass der Beschluss über ein generelles Tierhaltungsverbot, auch ein generelles Hunde- oder Katzen- haltungsverbot, als Gebrauchs- und Nut- zungsregelung i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG den Grundsätzen ordnungsmäßiger Ver- waltung widerspricht, da eine derart er- heblich in das grundsätzlich bestehende Recht eines jeden Eigentümers zur Haus- tierhaltung eingreifende Regelung nur durchVereinbarung der Wohnungseigen- tümer im Rahmen der Gemeinschaftsord- nung erfolgen kann, d.h. der vertraglichen Zustimmung sämtlicher Wohnungseigen- tümer sowie der notariellen Beglaubigung nebst Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch i.S.d. § 10 Abs. 2, Abs. 3 WEG bedarf.

Die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen für einen gleichwohl gefassten Beschluss sind indes umstritten. Nach einer hierzu vertretenen Rechtsauf- fassung ist ein derartiger Beschluss gem. § 23Abs. 4 S. 1WEG als nichtig, zumin- dest als schwebend unwirksam anzusehen (so: OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.10.2006 – 3 W 154/06-51, ZMR 2007, 308; Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 10 Rn. 39, 85, 201; Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 21 Rn. 70). Nach anderer Rechtsmeinung ist ein sol- cher Beschluss als lediglich rechtswidrig anzusehen, woraus folgt, dass dieser man- gels fristgerechter Erhebung der Beschlus- sanfechtungsklage gem. § 23 Abs. 4 S. 2 WEG in Bestandskraft erwachsen und damit wirksam werden kann (so.: BGH, Beschl. v. 4.5.1995 – V ZB 5/95, ZMR 1995, 417; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.12.2004 - 3 Wx 311/04, NZM 2005, 345; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 23). Die Beschlusskompetenz des § 15 Abs. 2 WEG gestattet grundsätzlich den Be- schluss über Gebrauchs- und Nutzungs- regelungen, wobei das Recht auf Tierhal- tung nicht zum sog. Kernbereich des Wohnungseigentums zu rechnen ist, also nicht unentziehbar bzw. unbeschränkbar ist. Wird dabei die Grenze einer ordnungs- mäßigen Verwaltung entsprechenden Beschränkung des Tierhaltungsrechts überschritten, folgt hieraus lediglich die Rechtswidrigkeit des Beschlusses (vgl.: Jennißen/ Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 80, 108). c) Abgesehen vom allgemeinen Verbot der Haustierhaltung vertritt die Rechtspre- chung und herrschende Rechtsmeinung dieAuffassung, dass dieWohnungseigen- tümer grundsätzlich imRahmen ordnungs- mäßiger Verwaltung zur Vermeidung ansonsten zu erwartender Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Gefahren durch- aus befugt sind, im Rahmen einer Haus- ordnung die Haltung von Haustieren, insbesondere von Katzen und Hunden, durch Eigentümerbeschluss beschränken- den Regelungen zu unterwerfen (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 2.6.2004 – 2Z BR 99/04, ZMR 2004, 769; Jennißen/Schult- zky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 15 Rn. 107; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 5. Hier vertretener Auffassung nach ist der letztgenannten Auffassung zu folgen.

Aufl. 2019, § 14 Rn. 29). Das Recht auf Haustierhaltung gehört dabei insbeson- dere nicht zu den uneinschränkbaren bzw. unentziehbaren Kernrechten des Woh- nungseigentums (vgl.: Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 36). d) Folgende in der Praxis typischerweise anzutreffende Regelungen sind dabei zu- lässig: • Genehmigungspflicht für die dieTier- haltung (z.B. durch schriftlich zu be- antragende und durch die Verwaltung zu erteilende Erlaubnis), wobei mangels konkreter Regelung von Versagungs- gründen die Erlaubnis mangels Vorlie- gen schwerwiegender Gründe grund- sätzlich zu erteilen ist bzw. nur im Falle schwerwiegender Gründe wider- rufen werden kann (vgl.: KG, Beschl. v. 23.6.2003 – 24W 36/03, ZMR 2004, 704). • Verbot des Haltens von Kampfhunden, Kampfhund-Mischlingen oder sons- tigen gefährlichen, exotischen oder giftigen Tieren wie z.B. Giftschlangen (vgl.: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.12.2003 – 14Wx 51/03, NZM 2004, 551; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.3.1993 – 2 U 124/92, NJW-RR 1993, 982; Hü- gel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 14 Rn. 26). • Verbot des freien Herumlaufens von Haustieren undAnordnung eines Lei- nenzwangs (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 2.6.2004 – 2Z BR 99/04, ZMR 2004, 769; LG Frankfurt, Urt. v. 14.7.2015 – 2-9 S 11/15, ZWE 2015, 413; Hügel/ Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 14 Rn. 26). • Beschränkung der durch/mit Haus- tieren zu nutzenden Grundstücks-/ Gartenflächen durch konkrete Regelung (Planzeichnung) durch Zuweisung be- stimmter Flächen nebst Untersagung der Nutzung des Grundstücks als „Hundeklo“ nebst der Verpflichtung, Verunreinigun- gen umgehend selbst zu beseitigen (vgl.: OLG Hamburg, Beschl. v. 20.8.2007 – 2 Wx 72/07, ZMR 2008, 151). • Verbot der Beförderung von Haus- tieren imAufzug bei Verpflichtung nur das Treppenhaus zu nutzen (streitig, dafür: LG Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2013 − 5 S 43/13, ZWE 2014, 172; dagegen: AG Freiburg, Urt. v. 18.4.2013 – 56 C 2496/12 WEG, ZWE 2014, 274).

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BEIRAT AKTUELL 55/II-20

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